Die Gala zum Deutschen Entwicklerpreis 2018 hat eines deutlich gemacht: Die Branche inszeniert sich, trotz aller Bemühungen, nach wie vor als Boys Club.
Wir befinden uns im Jahr 2018, das Jahr, in dem Veranstaltungen wie das #FemDevsMeetup oder der „Women in Games Brunch“ in mehreren Städten stattfinden. Das Jahr, in dem es auf der devcom, der Entwicklermesse im Rahmen der Gamescom, ein eigenes „Women in Games Cologne 2018“ Event gibt. Das Jahr, in dem Lena Mayer-Landrut zusammen mit Gronkh The Evil Within 2 in einer Influencer-Kampagne bewirbt. Der Tenor ist klar: Frauen sind genauso ein Teil des Gamings wie Männer. So ist auch das Publikum des DEP 2018 bunt durchmischt – auf der Bühne sind Frauen allerdings Mangelware.
Von allen Laudatorinnen und Laudatoren sind gerade mal zwei Frauen fest eingeplant, nämlich Svenja Bhatty und Christiane Gehrke, die zusammen den Sonderpreis für soziales Engagement vergeben. Das fällt auch Valentina Birke vom PLAYfest Hamburg während der Gala auf und so kommentiert sie, zurecht sarkastisch, dass abseits dessen die einzigen Frauen auf der Bühne die Hostessen sind, die die Preise bringen. Auch Linda Kruse, immerhin stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Branchenverbands game, kann sich den ein oder anderen Kommentar nicht verkneifen und fordert u.a. für nächstes Jahr „gutaussehende Männer, die die Preise auf die Bühne bringen“. Sagen konnte sie das übrigens nur, weil sie ungeplant und spontan von Felix Falk zu seiner Laudatio mit auf die Bühne gebeten wurde. Eva Sykora, Community Managerin bei Bethesda, stellt ebenfalls fest, „was für ein Boys Club die deutsche Spielebranche anscheinend doch noch ist… oder sein will?!“.
Der Deutsche Computerspielepreis möchte sich folgendermaßen von anderen Awards unterscheiden: „Im Scheinwerferlicht stehen neben den Spielen die Macher. Also Entwickler, Publisher, Community Manager – kurz: alle, die die deutsche Gamesbranche vorantreiben.“ Es gibt bereits einen Preis für „Beste technische Leistung“, doch eine Branche lebt ja nicht nur von der Technik, sondern eben auch von den Machern und Macherinnen. Wäre es da nicht konsequent ebenfalls einen Preis für die „Beste soziale Leistung“ zu vergeben? Einen für vorbildlich gelebte Diversität? Oder einen Sonderpreis für diversifizierendes Engagement? Irgendwas, das wertschätzt, dass die Branche nicht nur technisch, sondern auch menschlich vorangetrieben wurde?
Die Möglichkeiten sind wahrlich genug und so wünsche ich mir wenigstens als ersten Schritt, dass die Hälfte der Laudatoren beim DEP 2019 Laudatorinnen sind – und dass auch die von Linda Kruse geforderten gutaussehenden Männer die Preise auf die Bühne bringen. Stephan Reichert und Wolfgang Walk wollen mit ihrer Aktion „Gamer gegen Rassismus“, die sie auf der Gala angekündigt haben, aktiv für mehr Diversität eintreten. Lasst sie uns auch vorleben.
Transparenz-Hinweis: Den DEP 2018 konnten wir dank Presseakkreditierung kostenlos besuchen.
Gelebter und zelebrierter Sexismus, der sich durchaus auch direkt in der “Qualität” der Arbeitsplätze niederschlägt. Ich treffe regelmässig Leute, am Anfang ihrer Karriere und oft fragen die nach einem Karriereschritt in der Games Branche. Ich habe dazu schon lange nicht mehr geraten, nach kurzem Reality Check hat das auch keiner mehr gewollt. Warum auch, es gibt keinen Grund, junge Menschen, ohne bessere Not zu verheizen.
Was wir hier nur am Beispiel Frauen sehen, das zieht seine Kreise natürlich auch zum Thema Rassismus und andere Sachen, die man heute so unter “Diversitiy” zusammenfasst (Diese Probleme sind ja ‘Intersektional’). Was will ich sagen: Die Branche stinkt, und zwar ungemein. Genauso schlecht (mit Ausnahmen) sind aktuell auch sehr viele Deutsche Produkte die sie erzeugt – siehe Browsergames/Handygames schwemme. Ob ich da einen Zusammenhang sehe? Ganz klar!
Jesus, man kann es auch übertreiben. Aus gesellschaftlichem Zwang Frauen auf die Bühne zu zerren, ist genauso dämlich wie nur Männer dort zu haben. Es sollten die Leute vorne stehen, die es verdient haben, Spaß daran haben oder dorthin gehören. Nur um eine Quote zu erfüllen, bringt niemandem etwas, genausowenig wieder dieser unreflektierte Quark hier!
Ich finde es schade, dass du das als unreflektierten Quark siehst, aber das ist dann wohl so. Meine Intention war es einen offensichtlichen Kritikpunkt anzusprechen und eine Diskussion anzustoßen, die zu einer Verbesserung führt – wie auch immer diese aussehen mag. Und ich hoffe, dass mir das geglückt ist. Die Spielebranche hat so viele großartige Frauen in den unterschiedlichen Bereichen zu bieten und sie auf diese Art und Weise auszuschließen finde ich einfach nur unfair.
Was ein riesiger Bullshit :D “Es gibt soviele großartige Frauen … auszuschließen finde ich einfach nur unfair”. Hier wird niemand ausgeschlossen, die Awards gehen zu Leuten die verdient gewonnen haben. Du unterstellt mit der Aussage diese Leute hätten es nicht verdient. Niemand braucht erzwungene Diversity. Da du auch eine “nationale Vertreterin” erwähnst, vielleicht einfach mal Reaktionen zu youtubes rewind anschauen, was andere Nationen davon halten.
Diversity zu haben ist nett und mich würde es auch freuen verschiedene Gesichter zu sehen, aber nicht für den Preis den Leuten die Show stehlen die es verdient haben.
Ich fände es für die Sinnhaftigkeit dieser Diskussion sehr hilfreich, wenn mir nicht Worte in den Mund gelegt würden. Mit keinem Wort fordere ich, dass mehr Preise an Frauen gehen. Was ich möchte, ist dass die Veranstaltung an sich diverser wird.
Okay, dann ist deine Aussage das manche Leute die auf der Bühne standen zu Unrecht dort standen und für eine Frau ausgewechselt werden sollten, weil… Quote? Diversity? Ich sehe da keinen großen Unterschied.
Das sind halt auch wieder so Annahmen. Bloß weil ich mir gewünscht hätte, dass Frauen präsenter gewesen werden, heißt das nicht, dass die Anwesenden zu Unrecht auf der Bühne standen. Zumal es für mich durchaus einen Unterschied macht, ob es um die Gewinner und Gewinnerinnen geht oder um die Personen, die durch den Abend leiten. Das sind für mich zwei unterschiedliche Paar Schuhe.
Vielen Dank für den Beitrag. Ich war selber auch dort und fande den Schlagaustausch auf der Bühne unterhaltsam und wichtig. Aber ich höre auch oft genug die sagen, dass es doch schon besser sei und man sich nicht immer beschweren solle. Immer mehr Titel mit starken Frauen, und und und… Daher bestärkt mich dein Beitrag, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin!
Du wünscht mehr Diversity auf der Bühne und Preise die sowas vorantreiben, aber gleichzeitig sagst du die Leute die auf der Bühne standen waren dort zurecht. Mit anderen Worten, du willst die ganze Veranstaltung in die Länge ziehen?
Die selbsternannte deutsche Gamesbranche klammert sich an ihre Vergangenheit, um ihr eigenes Dasein zu rechtfertigen. Eine Riege ausgedienter “Veteranen” hofiert hauptsächlich sich selbst in einer unwürdigen Zirkusnummer.
Wo sonst kann man stolz mit einem – hihihi Penis – Bademantel auf einer Bühne Zoten reißen und nicht merken, dass der Zug einfach abgefahren ist. Damals der Feueralarm? So lustig. Damals die Stripper, das waren Zeiten. Damals, als wir Erfolg hatten, den wir bis heute nicht wiederholen konnten, haha, witzig. “So ein Scheiss mit der Diversity.” (Nur eins der Zitate ist ausgedacht.)
Man muss nicht aktiv auf Diversität scheissen, um auf Diversität zu scheissen. Man kann auch einfach nicht klatschen, wenn eine der wenigen Frauen auf der Bühne sich Gehör verschafft und einem den Spiegel vorhält. Man kann auch einfach ignorieren, dass die eigene Zeit abgelaufen ist und zum stillen Gatekeeper vom eigenen Friedhof werden. Der coole Scheiss passiert halt leider woanders.
Berechtigte Kritik wird wegwischt und weichgespült, mit Verweis auf die die hartnäckigen Versuche der zahnlosen getroffenen Hunde, auch Laudator*innen zu rekrutieren, seltsamerweise ohne Erfolg. Das Publikum ist diverser und die Studios sind deutlich bunter als es die Auftritte der Fraktion “Früher” vermuten lassen. Wir haben genug geeignete, fachkundige und interessante Persönlichkeiten, als dass eine Locker-Room-talkende Operette unausweichlich gewesen wäre.
Was diese Branche braucht, sind autarke junge Studios, die sich unabhängig von dem gekippten Tümpel der Mittelmäßigkeit durchsetzen und ihre eigenen Visionen umsetzen.
Und junge Studios heißt hier nicht vom Alter her: die wirklichen Veteranen, die in der Zeit der Selbstbeweihräucherung und Umrühren der eigenen Suppe nämlich wirklich wertvolle Erfahrungen gesammelt haben, sind mit Sicherheit eine gute Ressource. Daraus muss etwas gemacht werden, bevor sie abhauen.
Was wird sich “die Branche” auf die Schulter klopfen, wenn sie die Sterne dieser Studios bereits vor Jahren gedeutet haben. All die wertvollen Ratschläge – ja Mama, ich fahr vorsichtig, – die sie den jungen Wilden doch mitgegeben haben.
Wir können nur hoffen, dass die verstaubten Gremien der Institutionen und vermeintlichen Goliaths der Branche durchlässig genug sind, die Fördersummen an die richtigen Stellen zu lenken: zu den mutigen Kreativen.
Die Erfolge der “alten Garde” sind nicht unwichtig, aber die Zukunft ist nicht ein “ich habs euch gesagt”-Typ in Shorts. Die Aufgabe dieser erfolgreichen Personen und Firmen ist es, Weiterentwicklung zu unterstützen und den Weg für die nächste Generation zu bereiten. Niemand möchte euch die damals erkämpften Erfolge streitig machen, viele Studios bauen ihre Existenzen auf Fundamenten der errungenen Förderung, Anerkennung und Unterstützung.
Der Zirkus ist vorbei und Irrelevanto, der irrelevante Clown möchte gerne in den Ruhestand. Er weiß es nur noch nicht. Dabei brauchen wir ihn so sehr wie die ganzen vorinstallierten Games im Startmenü.