Final Fantasy 16: Das Actionspiel, das keines sein wollte 0

Final Fantasy 16: Das Actionspiel, das keines sein wollte 0

»Final Fantasy 16« ändert erneut das Image der Reihe. Der neueste Teil der Serie wirkt beinahe wie ein Actionspiel, findet jedoch abermals keine abschließende Antwort auf die Frage, was für ein Spiel das moderne Final Fantasy eigentlich sein möchte.

Final Fantasy war einst der Goldstandard für Rollenspiele aus Japan. Auf dem Super Nintendo und der ersten Playstation lieferte Entwickler Square Enix mit den Teilen sechs bis neun dominierende Titel ab, auf denen nicht nur der Ruf der Serie bis heute begründet ist, sondern die auch das gesamte Genre im Westen popularisiert haben. Doch das ist fünfundzwanzig Jahre her; in Videospielzeiträumen geradezu Äonen. Seit dieser Hochphase ist die Serie auf der Suche nach ihrem Publikum und nimmt dazu mit jedem Teil drastische Änderungen an der Spielformel vor.

Zitate und Selbstzitate

So auch mit »Final Fantasy 16«, das mit Actionkämpfen in einer von westlicher Fantasy inspirierten Welt auftrumpfen will. Doch gerade zu Beginn wirkt das Szenario nicht etwa frisch, sondern im Gegenteil zunächst einmal ungewöhnlich bieder. Als Beinahe-Thronerbe wohnt man herrschaftliche Prozessionen samt sorgsam aufgereihte Fußsoldaten bei, schlägt sich im Burghof bei Trainingskämpfen und übt sich im Trash Talk, zankt sich mit der machthungrigen Mutter und erntet Verständnis vom gutmütigen und weisen Vater. Später kommt dann noch das seit George R.R. Martin unvermeidliche “Spiel um Throne” hinzu, also der durch zentrale Charaktere vorangetriebene Konflikt um die Herrschaft. Samt der üblichen Methoden: Mord, Verrat, Heimtücke.

Aufregender wird es erst dann, wenn tatsächlich die Tugenden japanischer Rollenspiele auf den Plan treten. Im Falle von »Final Fantasy 16« sind das vor allem farbenprächtige Zerstörungsorgien, ausgefallene Bosskampfarenen und natürlich die serientypischen Kristalle, die diesmal als gewaltige Berge in der Landschaft stehen und für viele beeindruckende Szenen im Spielverlauf sorgen. Doch diese beiden Teile, das Östliche und das Westliche, existieren lediglich nebeneinander und vermengen sich nie zu einer Emulsion. Zu deutlich beschränkt sich das Worldbuilding auf eine Sammlung von Zitaten und Selbstzitaten. Die erhoffte Neuinterpretation des Themas, durch die japanische Perspektive verzerrt und auf den Kopf gestellt, liefert »Final Fantasy 16« hingegen nicht.

Dabei hat die Reihe längst bewiesen, dass sie in der Lage ist, nie da gewesene Szenarien zu entwerfen. Unvergessen etwa Final Fantasy 7: Dort begeht man nicht nur gleich zum Einstieg als Teil einer Umwelt-Terrororganisation einen Bombenanschlag, das Spiel besaß darüber hinaus die Weitsicht, bereits im Jahr 1997 den Klimawandel zum Thema eines Videospiels zu machen. Bereits zwei Jahre später, im Jahr 1999, erschien Final Fantasy 8. Das bot zwar keinen so tagesaktuellen Aufhänger wie sein Vorgänger, unterschied sich vom Fantasy-Allerlei aber dennoch deutlich, bot es doch einen wilden Szenario-Mash-Up, in dem moderne, europäisch-inspirierte Städte, Weltraumausflüge, Kampfroboter, Oldtimer und Zeitreisen mühelos nebeneinander existieren. Die Serie hob sich in den 90ern deshalb von der westlichen Konkurrenz ab, weil diese zu jener Zeit kaum mehr taten, als lediglich über den Umweg von Dungeons & Dragons die beiden Schriftsteller J. R. R. Tolkien und Robert E. Howard zu imitieren. Es ist ironisch, dass sich »Final Fantasy 16« nun ausgerechnet an dieser westlichen Fantasy orientieren soll, weil Square Enix sein Heil im hiesigen Publikum sucht.

Innere Zerrissenheit

Zudem es den Entwicklern nicht gelingt, die Qualität von Vorbildern wie Game of Thrones zu erreichen. An mangelnden Ambitionen liegt das nicht: »Final Fantasy 16« versucht, eine ganz große Bühne zu bereiten, auf der sich Intrigen über Jahre entspinnen, Nationen und Königreiche bekriegen, gewaltige Kreaturen aufeinanderprallen und Katastrophen die Welt von Valisthea erschüttern. Auch eine stetig wachsende Bibliothek mit Hintergrundinformation und Weltgeschichte soll den Spieler überzeugen, einer Erzählung historischen Ausmaßes beizuwohnen. Einzig: Man glaubt es nicht. Denn was man in »Final Fantasy 16« durchstreift, ist kein ausladendes Fantasyreich wie Westeros, sondern ein erschreckend beengtes, potemkinsches Dorf, in dem sich die Schauplätze aneinanderdrängen wie Attraktionen in einem Freizeitpark.

Über diese Kulissenhaftigkeit straucheln selbst die Storyautoren. Sie wirken wie hin- und hergerissen zwischen den Widersprüchen von Handlung und Spielwelt und scheinen gar nicht zu bemerken, dass sie etwa ihre Figuren ein ums andere Mal für geringfügigste Botengänge quer über die Kontinente schicken, als wollten diese lediglich zum Bäcker. »Final Fantasy 16« fehlt ein glaubwürdiges Weltendesign und damit das Fundament, auf dem solch eine Geschichte aufgeführt werden kann.

Die innere Zerrissenheit von »Final Fantasy 16« zeigt sich aber auch beim Blick auf das Gameplay. Schnell wird klar, dass Square Enix auf der Suche nach neuen Zielgruppen eigentlich ein Actionspiel wollte, sich aber nicht getraut hat, kein JRPG zu veröffentlichen. Denn ganz ähnlich dem ersten Mass Effect sind viele der traditionellen Rollenspielsysteme noch pro forma vorhanden, verwässern aber gerade dadurch die eigentliche Spielerfahrung. Das betrifft etwa die oberflächliche Charakterentwicklung, die einen stets im richtigen Stärkegrad passend zur Handlung hält und ohne relevante Entscheidungen des Spielers auskommt. Es betrifft aber auch den uninteressanten Loot und die Partymitglieder, die vollständig von der KI kontrolliert werden. So pflichtschuldig wirken die Rollenspielelemente, dass man sich fragt, weshalb sie nicht gleich ganz gestrichen wurden. Dem Spiel hätte ein stärkerer Fokus gutgetan.

Am deutlichsten wird der fehlende roten Faden im Spieldesign aber, wenn »Final Fantasy 16« immer wieder seine Haupthandlung unterbricht und Phasen einschiebt, in denen man lediglich hin- und herläuft und Hilfsarbeiten erledigen muss. Es ist die Simulation eines Rollenspiels, die Square Enix hier inszeniert: Mit einem Übermaß an vollvertonten Dialogen und episodischen Nebengeschichten wird Zeit geschunden und übertüncht, dass der Kern von »Final Fantasy 16« in Wahrheit ein geradliniges, fünfzehn Stunden langes Actionspiel ist. Hätten sich die Entwickler das doch nur eingestehen können! Die große Tragik ist, dass ein auf die zentralen Storymissionen reduziertes Destillat wesentlich besser gewesen wäre als das zum Schein aufgeblähte Semi-JRPG, das »Final Fantasy 16« am Ende geworden ist.

Fehlende Kinderaugen

Unabhängig von den genannten Kritikpunkten findet Square Enix aber auch darüber hinaus keine Antwort auf das fundamentale, ungelöste Problem der Reihe: Final Fantasy ist kein Spiel für Zwölfjährige mehr – denn das Publikum ist nicht mehr zwölf. Was den Serienteilen der 90er zum Erfolg verholfen hat, sind Kinderaugen, die voller Faszination auf eine fremde Welt blicken, der trotz Düsternis und Gefahr immer auch Leichtherzigkeit, Humor und Albernheit innewohnen.

»Final Fantasy 16« fehlt das. Es richtet sich an Erwachsene und will finster und grimmig statt schrullig und wundersam sein. Vor allem aber versucht es auf Nummer sicher beim westlichen Publikum zu gehen und verleugnet dazu ein Stück weit sowohl seine japanische Identität als auch die Rollenspielwurzeln. Die Auswirkungen sind fatal: »Final Fantasy 16« weiß weder, was für ein Spiel es eigentlich sein will, noch gelingt es ihm, die Magie der alten Teile wiederzuentdecken – oder alternativ eigenen Charme zu entwickeln.

Am Ende bleibt ein Spiel, das zwar während seiner wichtigen Hauptmissionen Spaß macht und dort dank gekonnter Inszenierung auch optisch begeistert, abseits davon jedoch zu zwei Dritteln aus Ballast besteht und einen roten Faden vermissen lässt. Für mehr als ein Schulterzucken reicht es nach Ablauf der Credits kaum. Mit Final Fantasy 17 wird sich Square Enix deshalb erneut überlegen müssen, in welche Richtung es mit der Serie weitergeht. »Final Fantasy 16« kann weder einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, noch der Reihe gar zu einem zweiten Frühling verhelfen.

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Sebastian spielt auf der Playstation 4 samt PSVR und der Nintendo Switch aktuelle Blockbuster und Indies.

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