Armored Core 6: Fires of Rubicon 0

Armored Core 6: Fires of Rubicon 0

From Software liefern mit »Armored Core 6: Fires of Rubicon« eine schnörkellose Mech-Zerstörungsorgie im Stil der 90er ab, die erneut die Kunstfertigkeit des japanischen Entwicklers unter Beweise stellt. Nur leider kommen diesmal Atmosphäre und Welt ein bisschen zu kurz.

Ein großer Reiz von From Softwares Schaffenswerk war stets, dass sich ihre Spiele modernen Konventionen widersetzen. Stattdessen setzt die Firma bei der Entwicklung auf traditionelles Gamedesign, das inspiriert ist von der Ära der ersten Playstation, des N64 und des Sega Saturn. Trotz dieses Vorwissens (und meiner innigen Zuneigung zu From Softwares Werk!) überrascht mich meine erste Begegnung mit »Armored Core 6: Fires of Rubicon«: Selbst als Kind der 80er, aufgewachsen mit Spielen wie Mechwarrior, Earthsiege, G-Police oder Rogue Squadron, wirkt das Mech-Actionspiel zunächst archaisch und unvertraut.

Um diesen Eindruck zu erwecken, gibt sich das Team um Game Director Masaru Yamamura auch reichlich Mühe. So hat »Armored Core 6: Fires of Rubicon« etwa keine zusammenhängende Welt. Stattdessen besteht das Spiel aus kurzen, missionsbasierten Playsessions, die in der Regel zwischen drei und zehn Minuten dauern und nur dann länger sind, wenn man wiederholt an einem der zahlreichen Bosse scheitert. Ausladende Erkundung und Nebenquests spielen hier ebenso wenig eine Rolle wie eine filmische Inszenierung. Zwischen den Missionen gibt es lediglich Missionsbriefings mit Stimmen aus dem Off, die nur aus dem Grunde nicht so trocken wie bei alten militärischen Flug-, U-Boot- und Panzersimulationen wirken, weil das grimmige Science-Fiction-Szenario gut mit dem japanischen Stilmittel des Overacting harmoniert und so ironisch gebrochen wird. Dennoch fällt auf, dass »Armored Core 6: Fires of Rubicon« seine Protagonisten niemals zeigt: Im gesamten Spiel ist nicht ein menschliches Gesicht zu sehen. Nicht mal mein eigenes.

Denn auch ein menschlicher Avatar existiert im Spiel nicht. Es gibt lediglich den namensgebenden Armored Core: einen Kampfroboter. Den kann ich zudem mit gekaufter Ausrüstung jederzeit völlig frei verändern. So wandelt sich die Gestalt der Spielfigur von Mission zu Mission. Mal hat sie zwei, mal vier Beine oder auch mal Ketten. Mal ist sie grazil und schnell, mal bullig und langsam, kann manchmal sogar für kurze Zeit fliegen. Mal hat sie Miniguns, mal Laserwaffen, mal Raketenwerfer. Es gibt keinerlei Permanenz, keinen Build, auf den ich hinarbeite, keine dauerhafte Fort- und Weiterentwicklung der eigenen Spielfigur. Wie auch die Gestaltung der Welt und die Spielstruktur wirkt das altmodisch und erschwert stark die Identifikation mit der eigenen Figur. Gleichzeitig funktioniert »Armored Core 6: Fires of Rubicon« in der Hinsicht als wunderbares Anschauungsobjekt: Es hat seinen Grund, weshalb sich gewisse moderne Gamedesign-Konventionen durchgesetzt haben und weshalb so ein Spiel heutzutage eigentlich nicht mehr gemacht wird.

Eigentlich. Denn nach der Überwindung des ersten Schocks zeigt sich dann doch ganz schnell, dass From Software nicht ohne Grund als Experten für klassisches Gamedesign gelten. »Armored Core 6: Fires of Rubicon« macht richtig Bock! Es ist wirklich nur das: Mit wieselflinken Mechs über eine verwüstete Planetenoberfläche düsen und mit schweren Waffen gegnerische Roboter in Altmetall verwandeln. Ab und zu eine Funkübertragung, schon geht es im hohen Satz und mit knisterndem Laserschwert mitten rein in die nächste Gegnerhorde. Und in die nächste. Und in die nächste.

Die Leichtfertigkeit, mit dem man in »Armored Core 6: Fires of Rubicon« seinen Mech steuert, wie man Salve um Salve abfeuert, links und rechts gepanzerte Gegner ausschaltet und mit einer Explosion im Rücken das letzte Missionsziel erreicht, ist Beleg genug, dass ein gutes Spiel all den fehlenden Kram – zusammenhängende Welt, filmische Story, Charakterprogression – überhaupt nicht benötigt. Wenn sich der zentrale Gameplayloop so gut anfühlt, genügt das voll und ganz. Und so ist »Armored Core 6: Fires of Rubicon« eine Ode an den Minimalismus. Das Spiel kann und will lediglich eine Sache machen und tut dies so gut, dass es damit seine gesamte Existenz rechtfertigt.

Für »Armored Core 6: Fires of Rubicon« ist alles neben dem Gameplay lediglich Fluff, der sich unterordnen muss. Auch die chronologische Kohärenz: From Software hat ein so robustes Vertrauen in den Gameplay-Loop, dass sie die Wiederholung fest mit einplanen. Jede Mission lässt sich beliebig oft spielen, um Geld zu verdienen und sich neue Ausrüstung leisten zu können oder um den Auftrag bestmöglich zu beenden und ein S-Ranking zu erzielen. Darüber hinaus will das Spiel auch durch mehrere New Game Plus Zyklen gespielt werden, um zum einen verschiedene Enden freizuschalten, aber auch, weil mit jedem weiteren Durchlauf neue Level und Storyhappen hinzukommen.

Die Rückbesinnung auf frühe Videospiele ist zwar typische für From Software, doch so deutlich wie hier war es nie: »Armored Core 6: Fires of Rubicon« ignoriert bewusst die Gamedesign-Trends der letzten Jahrzehnte und wählt stattdessen eine Designsprache, die wie unverändert von der PS One übernommen zu sein scheint. So gelingt es dann auch, ein Spielerlebnis wiederzuerschaffen, das ich vermutlich seit mindestens genauso langer Zeit nicht mehr hatte. Und das ist klasse! »Armored Core 6: Fires of Rubicon« ist ein unkompliziertes Actionspiel, das sich vollständig auf den Kern seiner Spielerfahrung konzentriert: Mächtige Kampfmaschinen bauen und Verwüstung hinterlassen.

 

Trotz aller Begeisterung lässt mich »Armored Core 6: Fires of Rubicon« allerdings auch ein bisschen wehmütig zurück. Denn die tiefschwarze, hoffnungslose Stimmung, die bedrückende Schwere des CGI Reveal Trailers findet sich in der Form nicht im Spiel. Zu nebensächlich ist Atmosphäre, Story und Welt. Auch das Bild des Plünderer-Mechs, der verschrottete Maschinen nach Ersatzteilen durchsuchen muss, um zu überleben, ist eine Erfindung der Marketingabteilung. Und so sehr ich »Armored Core 6: Fires of Rubicon« mag: Das Spiel, das From Software in diesem ersten Trailer – mit einem sensationellen Soundtrack untermalt – nur kurz andeutet, hätte ich doch noch ein kleines bisschen lieber gehabt als die schnörkellose Mech-Verschrottung, die »Armored Core 6: Fires of Rubicon« geworden ist. Vielleicht ist ja doch nicht alles schlecht an modernem Gamedesign.

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Sebastian spielt auf der Playstation 4 samt PSVR und der Nintendo Switch aktuelle Blockbuster und Indies.

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