Mit über zwei Millionen verkauften Einheiten und einem ständigen Platz in Steams Topseller-Liste, ist die »DayZ«-Standalone wohl der bisher erfolgreichste Titel des noch recht jungen Verkaufsmodells »Early Access«. Dieser Erfolg bringt aber auch eine große Portion Aufmerksamkeit mit sich und so lastet ein gewisser Druck auf Bohemias Entwicklerteam rund um Dean Hall, dem Erschaffer der originalen »ARMA 2« Mod gleichen Namens. Gerade in den vergangenen sechs Monaten seit Release der Alpha, musste man viel Kritik einstecken und der wenige Fortschritt, den das Spiel seit Dezember gemacht hat, hinterließ bei einigen SpielerInnen in der Community nur geringe Hoffnung, irgendwann mal das erträumte Produkt zubekommen. Doch statt sich Problemen kleinschrittig zu nähern, Bugs auszumerzen und große neue Features zu implementieren, hat man bei Bohemia den Erfolg genutzt und das Team auf 160 Leute aufgestockt, um sich voll und ganz der allgemeinen Architektur und der Zukunft des Spiels zuwenden zu können. Wie Hall jetzt im Interview mit /r/Games auf der E3 verkündete, wird daher die bisherige Engine in den kommenden Monaten komplett umgeschrieben und so nach und nach mit der – wie passend – Infusion-Engine ersetzt.

So that is going to allow us to do DirectX 10 and 11. It is going to allow us to do dynamic lighting, which means no more flashlights going through walls, proper dynamic shadows, stuff like that. So it really kind of opens a lot of possibilities for us and I think it is going to allow us to deal with a lot of those issues. We had to decide, did we want to do a lot of little short term fixes or did we want to focus on the architecture. Given the success of the early access we felt like we really had to invest in the future.

Im zweiten Teil des Jahres, so Hall, wird die Standalone große und bemerkbare Fortschritte machen, zu denen eine funktionierende Zombie-KI, eine um das fünf bis zehnfache erhöhte Anzahl von Untoten und das Barricading, also z.B. das verschanzen in Gebäuden, zählen sollen.

Diese Nachrichten zeigen grob wie es bisher um die Alpha bestellt ist und werfen durchaus die Frage auf, warum sich das Spiel trotz der unzähligen Bugs, der fehlenden Bedrohung durch Zombies und nicht vorhandenem Inhalt, so großer Beliebtheit erfreut. Warum habe ich selbst um die 150 Stunden investiert, obwohl ich mich nach vielen Spielsessions fragen musste: Was habe ich eigentlich gemacht? Stundenlanges Suchen nach Ausrüstung, Wanderungen über Felder und Wiesen, um am Ende doch wieder von einem anderen Überlebenden mit nervösem Abzugsfinger über den Haufen geschossen zu werden?

Ja, DayZ kann frustrieren, gerade da das wahrscheinlichste Ergebnis einer Begegnung mit anderen SpielerInnen ein Feuergefecht ist. Eine Kill-On-Sight-Mentalität beherrscht die Server, die durch den fehlenden “Endgame”-Content und der nicht vorhandenen Bedrohung durch das eigentliche Szenario entsteht. Glitcher und Hacker kommen noch oben drauf.

Der Erkennungsruf “Friendly!” über den Voicechat hat oft keinerlei Bedeutung. Vermeintlich freundliche Zeitgenossen unterhalten sich vielleicht kurz mit dir, erschießen dich aber hinterrücks, sobald du dich in Sicherheit wiegst. DayZ macht paranoid. DayZ macht zynisch. Vertrauen ist etwas, das man sich in den seltensten Fällen erlauben kann. Vertrauen ist etwas, das sich der andere erstmal erarbeiten muss. Es ist ein Teufelskreis, denn die negativen Erfahrungen übertragen sich auf das eigene Verhalten im Spiel. Gleichzeitig entsteht daraus aber eine Anspannung, die viele Momente intensiv und einzigartig machen. Wie verhalten sich die anderen? Wie verhalte ich mich? Haben sie mich gesehen? Sollte ich mich zurückziehen? Der permanente Tod des Charakters, den man stundenlang, vielleicht tagelang, ausgerüstet hat, zwingt zur Vorsicht, zum Taktieren, zum Einschätzen. Der Tod resultiert oft aus falschen Entscheidungen, aus fehlender Vorsicht und aus Vertrauen in die falsche Person. Die eigentliche Bedrohung ist hier stets der Mensch und dessen Unberechenbarkeit.

Darüber hinaus ist DayZ auch vor allem Sandbox-Spiel und selbst in der Alpha lässt sich schon ein Blick darauf erhaschen, wohin dies führen kann. So denken sich SpielerInnen ganze Charaktergeschichten aus. Erschaffen Storylines. Nutzen die begrenzten Möglichkeiten und lassen über Twitch oder YouTube andere an ihren Erlebnissen teilhaben. Da sind die Typen die eine Ingame-Quizshow inszeniert. Ein anderer wirft sich eine Jacke mit der Aufschrift “Presse” über und interviewt Überlebende, nebenan tobt ein Feuergefecht. Einer nutzt den Voicechat auf kreative Weise und spielt den Psychoclown. Im schlimmsten Fall spielt jemand einen Banditen und kidnappt andere, lässt sie vielleicht ausbluten oder zwingt sie verdorbene Sachen zu essen. Dann sind da Charaktere wie Mr.Moon, der eine Art durchgeknallten Söldner spielt und dies in seine Gameplay-Videos einbaut.

Wie man nun »DayZ« spielen mag bleibt jedem selbst überlassen. Wer nur Deathmatch sucht, wird es mit ziemlicher Sicherheit finden. Wer interessante Geschichten mit anderen erleben will, wird dies vielleicht finden. Sicher ist nur: Wer nicht mit Frust, Bugs, Hackern, Glitchern und viel sinnlosem Hin und Her rennen leben kann, der sollte bitte noch die Finger von der Alpha lassen!