Ich war 8 und sie ungefähr 20. Der Altersunterschied stand unserer Liebe aber nicht im Weg, nur der hundsgemeine Wesir, der beschloss meine große Liebe einzusperren und mir 60 Minuten gab, um aus meinem Verlies zu entkommen und sie zu befreien, stand unserer Hochzeit im Weg. Meine Waffe: der 486er meines Bruders. Das Spiel, von dem ich rede, heißt natürlich PRINCE OF PERSIA und stellte meine Einstiegsdroge in die Welt des Gaming dar.
Ich weiß nicht mehr, wie viele verzweifelte Stunden ich mit dem Versuch der Befreiung meiner Prinzessin zugebracht habe, aber so frustresistent wie ich damals war, bin ich heute lange schon nicht mehr. Was habe ich geflucht, als ich kurz vor dem Ende eines Levels durch Unaufmerksamkeit einen Abgrund herunter fiel – ein Szenario, welches bestimmt jeden Ausflug ins Verlies von mir beendet hat. Das war aber egal, denn PRINCE OF PERSIA hat verdammt nochmal Spaß gemacht. Woran das lag? Ich glaube den größten Anteil daran hat die eingängige Steuerung und das daraus resultierende flüssige Gameplay gehabt, welches an sich sehr simpel gehalten wurde. Keine Slow-Motion, keine Spezialfertigkeiten, kein Sand der Zeit und keine Gegnerwellen, die das Spielgeschehen unnötig blockieren, sondern einfach ein simples Jump’n’Run mit vereinzelten Schwertkampfeinlagen (die sowieso jeder mit der “Block-Schlag-Vorbeigeh-Technik” umgangen hat). Zusätzlich war die 60-Minuten-Deadline extrem motivierend, welche das Spiel zwar bockschwer gemacht hat (Hand aufs Herz: Hat irgendeiner von euch jemals die Prinzessin befreit?), aber einem auch das Gefühl gab ein leicht erreichbares Ziel anzustreben, denn eine Stunde ist wirklich nicht viel Zeit, oder? Die tatsächliche Spielzeit dürfte bei jedem engagierten Spieler aber an die 30 Stunden gegangen sein, eine ganze Ecke mehr, als mir die meisten aktuellen Spiele geben können.
Es gibt eine Szene, die sich mir sehr traumatisch in meine unschuldige Kindes-Seele einbrannte. Zum Ende des ersten Levels gab es einen Kopierschutz, bei dem man einen bestimmten Buchstaben aus dem Handbuch heraussuchen sollte. Dieser Buchstabe zeigte einem den richtigen Trank, welcher die Tür öffnete. Trank man den falschen Buchstaben, war man automatisch tot. Als mir dies das erste mal passiert ist, war ich so überrascht (immerhin handelte es sich damals um einen meiner ersten virtuellen Tode, von den Stachelfallen mal abgesehen, aber mit denen konnte man ja rechnen), so dass ich erst mal aufschrie und nicht mehr weiterspielen wollte. Erst als mein Bruder mir zeigte, wie ich das zu machen hatte, konnte ich beruhigt weiterspielen.
Was folgte war leider nicht mehr so überzeugend: Dem Prinzen wurde noch ein weiteres 2D-Abenteuer vergönnt, welches sich eher durch Mittelmäßigkeit auszeichnete und von dem grauenhaften Ausflug in die dritte Dimension, was das Ganze zu einem Action-Adventure à la Tomb Raider machte, will ich gar nicht reden. Erst Ubisoft führte die Reihe wieder mit der Sands of Time-Saga zu neuem Ruhm, auch wenn mich diese Spiele nicht so sehr angesprochen haben wie das Original.
Das Original-Spiel wurde übrigens für Xbox 360 und PS3 neu aufgelegt und ist dort unter Prince of Persia Classic für 800 Punkte bzw. 9,99€ erhältlich. Wer also wissen will, was meine damalige Faszination ausgemacht hat und sich auch nicht davor scheut dem Spiegel-Prinzen (Meine Fresse! Der war ätzend!) gegenüberzutreten, sollte sich dort mal umschauen. PC-Spieler müssen sich mit DOSBox rumschlagen, aber mal ehrlich: Echtes Retro-Gefühl braucht auch echte Retro-Grafik!
Doch, ich habe die Prinzessin befreit. Und -NEIN- ich bin nie / nicht / keinesfalls jemals einem Schwertkampfs mit der “durchrennen” Methode aus dem Weg gegangen. Abgesehen von diesen beiden Punkten teile ich deine Faszination uneingeschränkt. Großartiges Spiel.
Kennst du sicher, aber vielleicht ist das für irgendwen noch interessant: http://jordanmechner.com/old-journals/ – gesammelte Tagebuch-Einträge zur Entstehung und Geschichte des Spiels . Von 1985 bis 1993.
Damit bist du der Erste, den ich kenne (abgesehen von den YouTube-Speedruns), der das geschafft hat – Respekt!
Danke für den Link. Das Journal kenne ich bereits, aber ich hatte die Adresse vergessen. Ist auf jeden Fall wirklich mehr als lesenswert!
Hier übrigens mal eine saugeile Gegenüberstellung verschiedener PoP 1-Versionen:
http://www.youtube.com/watch?v=yzrj7dWGVbU
…auch wenn es bei weitem nicht alle sind. Ich glaube, dieses Spiel kam für alles raus, was irgendwie Nullen und Einsen gegeneinander schubsen kann.