Kaum eine Spieleserie hat dermaßen engagierte Fanboys, wie Ubisofts »Assassin’s Creed«-Reihe. Mal abgesehen von den »Mass Effect«-Jüngern oder den Vollidioten, die sich jeden »Battlefield«-Teil reinziehen. Nix gegen Rumgeballer, aber das ist wirklich albern. Bei den AC-Games kann ich allerdings ein Fanboytum durchaus nachvollziehen, zähle ich mich doch selbst zu den Leuten, die sich am liebsten über Häuser kletternd durch die Düsseldorfer Innenstadt bewegen und dabei exzessiven Gebrauch der assassinentypischen versteckten Klingen machen würden. Jemand muss doch den Bonzenbestand dezimieren.
Aber da ich weder die entsprechende sportliche Agilität besitze noch ausreichend oft auf den Kopf gefallen bin, um tatsächlich meuchelnd über die Kö zu hechten, freue ich mich jedes Mal wie ein Schulkind auf den nächsten Teil des Attentäter-Franchises. Nachdem mein bisheriger Metzel-Liebling Ezio mit Revelations seinen letzten Einsatz hatte, betritt nun ein neuer Assassine die Bildfläche. Sein Name ist… Moment. Was zum Fick? Ich dachte, ich steuere in »Assassin’s Creed III« einen Halb-Engländer-halb-amerikanischer-Ureinwohner namens Connor. Stattdessen: Ein reicher Engländer namens Haytham Kenway mit der deutschen Synchronstimme von Daniel Craig. Ich finde den cool. Auch wenn ich mich ungelogen einige Stunden frage, wann es denn endlich losgeht. Connor und so. Schließlich ist der auf der Spielhülle eindeutig zu sehen, und ich denke ja nicht, dass Ubisoft rumlügt wie ein Sechsjähriger, der gerade Omas Vase von der Fensterbank geworfen hat.
Irgendwann – es kommt mir vor wie eine Ewigkeit – komme ich an den Punkt, an dem ich Haytham nicht mehr so cool finde (aus Gründen) und endlich, endlich der, an dem mein potenzieller neuer Lieblingsassassin sein Tomahawk schwingen kann. Allerdings nicht ohne Vorgeschichte. Das heißt für mich als Spieler: Wieder stundenlang rumkrebsen und tutorialähnliche Kackaufträge erledigen. Irgendwann schlüpft Connor dann in seine Gildenkluft und ich darf frei die offene Welt des Spiels erkunden. Wurde auch verdammt noch mal Zeit. Und nun, ca fünf Stunden nach Spielstart, erinnert AC III an den Spielstart der Vorgängerspiele. Assassine, offene Welt, und los geht’s.
Der Charakter ist flach wie deine Mutter
Für so eine ausufernde Vorgeschichte und Vorstellung des frischen Charakters ist dieser aber leider viel zu flach geschrieben. Ein Flickwerk der Stereotypen, gewaltsam in Form der Hintergrundgeschichte gepresst mit absolut vorhersehbaren Intentionen fast vollständig ohne innere Intension. Vater blöd, Mutter tot – “Ab jetzt bin ich der Retter der Schwachen und Armen.” Ubisoft please. Da finde ich Altaïr, der den ganzen Assassinenquatsch nur aus Pflichtbewusstsein mitmacht, oder den rachsüchtigen Ezio wesentlich interessanter und unberechenbarer. Edel und nobel? Schön und gut, aber mit einem so “guten” Charakter lockt man eigentlich nicht mal mehr ein Häufchen Kacke vor die Bildschirme. »Max Payne«, Alex Mercer (»Prototype«), Martin Walker (»Spec Ops – The Line«) – Das sind interessante Charaktere, bei denen man nicht weiß, was als nächstes passiert. Spannend, mit einem Schuss Pathos und einer Prise Reibung, quasi als Identifikationsmittelpunkt. Gänsehaut und so.
Der Spieler muss sich quasi durch die holprige Hauptgeschichte quälen und wird nur durch das Spiel selbst getröstet. Drei Jahre haben die Ubis nämlich in die Entwicklung einer neuen Spielengine gesteckt, die sie liebevoll »AnvilNext« nennen. Unscheinbarer Name, aber eine dicke Hose vom ganz Allerfeinsten. Neben einem dynamischen Wettersystem gibt’s bis zu 2000 NPCs auf einmal ins Gesicht, garniert mit einem Kampfsystem, das entfernt an »Arkham City« und Konsorten erinnert (und mal mehr und mal weniger gut funktioniert). Leider sieht die Konsolenfassung bei genauerem Hinsehen aus wie durch den Arsch gezogen. Runtergesampelte Texturen und bröslige Schatten, die aussehen, als würde Connor fein sorgfältig Stahlwolle im Boston des 18. Jahrhunderts verteilen. Dafür läuft das Spiel butterweich. Und wer weit genug vom Fernseher weg sitzt, der sieht das auch gar nicht, sondern darf sich über wirklich, wirklich feine Animationsphasen freuen, die per Motion-Capturing erfasst und umgesetzt wurden. Connor schwingt sich behänder und flüssiger von Baum zu Baum als jeder Assassine vor ihm. Alles erinnert mehr und mehr an das große Vorbild des Parcours-Sports – ein Augenschmaus. Nomtastisch.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: Pfeil und Bogen.
Und so springt man von Szene zu Szene, zettelt den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an, tötet Tiere am laufenden Band (kein Scheiß: Bären, Hasen, Wild – nichts ist hier im Wald sicher!) und macht zwischendrin AC-typisch saudumme Minigames. War es im Vorgänger noch das unsäglich bescheuerte Tower-Defense-Game, darf man diesmal den Badewannenkapitän raushängen lassen und per Segelboot die Bordkanonen auf bösewichtige andere Schiffe abfeuern. Klingt blöd – ist es auch. Glücklicherweise sind nur ca 15 Minuten verpflichtend, der Rest ist optional. Ebenso wie das Dame- oder Mühlespiel (auch kein Scheiß!), das bei den örtlichen Abzockern gespielt werden darf (nicht ‘muss’!).
Die vorhergehenden Absätze mögen jetzt total vernichtend klingen – Sicher, in Verbindung mit den wirklich nervigen Bugs, bei denen Missionen nicht abgegeben/angenommen werden können oder die Spielfigur durch den Boden ins unendliche Nichts fällt, mag das auch so sein – trotzdem ist »Assassin’s Creed III« ein absolut tolles Spiel. Neben »Borderlands 2« eines meiner Spiele des Jahres, trotz aller Bugs, Schwächen im Writing oder halbhässlicher Konsolenadaption. Ich bin halt Fanboy. Handelt mit es.
Huuuuuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!
HAHA :D Der Düsseldorf-Kommentar ist das Beste am Beitrag. Stimme dort, aber auch beim Rest vollkommen zu!
Das is aber bissig und amüsant geschrieben. Das hat mir eben mehr gegeben als 100 08/15 reviewes zu dem Spiel.
Seriously?
Imho gehören die Seeschlachten zu mit dem Besten, was das Spiel drauf hat. Aber jedem seins.
Mir geht ein wenig auf den Nerv, dass auch AC3 im Sumpf seiner ganzen Systeme versinkt. Eine deutliche Vereinfachung würde der Serie gut tun. Denn so stellt sich auch hier die Routine ein: New York ist verfügbar, also dann erstmal durch die Stadt laufen, alle Viewports synchronisieren. Dann alle Liberation Missions, um die anderen Assassinen zu bekommen. Die werden dann in dieser unsäglich miesen Missionsstruktur gelevelt. Und so geht es dann weiter. Dann noch der extrem schlechte Trading Kram (welcher Vollhonk hat hier die Menüs gebaut?!) und am Ende wundert man sich dann über die sinnlosen Waffen, die man kaufen kann – hat jemand einen Tomahawk gefunden, der besser wäre als der, mit dem man eh als Assassine startet?
Sehr, SEHR geil, ist aber dass sich das Spiel nachhaltig damit auseinander setzt, ob das, was man da so macht, denn das Richtige ist. Und ob nicht vielleicht sogar die Templar die “Guten” sind. Und auch mit den Gründervätern wird ins Gericht gezogen, was beileibe nicht selbstverständlich ist. Und auf einmal wird die banale Story dann doch interessant …
Insgesamt: Ich mag das Spiel. Trotz aller Schwächen. Und auch wenn es nicht an das imho hervorragende AC:Brotherhood herankommt.
Ach verdammt, du warst das letztens in der Innenstadt?! xD
Ist auf alle Fälle ein sehr vernichtendes Urteil, auch wenn du am Ende wieder ziemlich zurückweichst. Ich fand das mit der Boot-Sequenz eigentlich gar nicht so schlimm, aber insgesamt kann ich deine Kritikpunkte verstehen.
@Raine – Das mit der Schiffsfahrt innerhalb der Story ist gar nicht mal so schlimm. Und schlecht gemacht sind die optionalen Sequenzen auch nicht. Aber das Spielprinzip (rumfahren, ballern, rumfahren, ballern) ist alles andere als aufregend.
@Andy – Klar. Irgendwann ergeben zumindest Teile der schleppend anfahrenden Story Sinn, allerdings darf ich als Spieler nicht dermaßen lange drauf warten müssen. Klar – Die Geschichte muss sich erstmal aufbauen und bereitet den Weg für Fortsetzungen, die den logischen Erzählstrang weiterführen und das Potential haben “episch” zu werden; aber das dauert dann doch alles sehr lange. Wie gesagt: Ich liebe das Spiel mit allen seinen Ecken und Kanten, auch die Seeschlachten. Das alles fügt sich zu einem Gesamtbild, das AC3 ausmacht, anders wäre auch blöd gewesen.
@Chrissy, Rypzylon – Danke für die Kommentare. :)
So viel rummeckern und es dann doch gut finden – das nenn ich mal inkonsequent! Also echt ;P
Ansonsten: Interessante Rezension!
Mein Problem mit dem Review ist…ich finde die Seeschlachten total geil und habe bisher jedes Mühle-Spiel gewonnen!
Also ich habe mir die PC Spiele Version gekauft und bin nicht gerade begeistert…naja das selbe wie immer halt…nichts neues…
Ich bin zwar etwas spät dran, aber hab es nun auch endlich durch gespielt. Ich muss sagen, dass es besser ist als erwartet, aber ich sehe das so wie Andy. An AC Brotherhood ( oder auch AC 2!) kommt es nicht ran… Ich finde Connor als Charakter irgendwie… Ich weiß nicht, passt nicht so richtig. Dafür hat mich das mit den ganzen Gewehren und Pistolen, die mich teilweise vorher erst vom Kauf abgehalten haben, dann doch gar nicht gestört.. – Ich dachte man kann das einfach nicht gut zusammen bringen. Die Story fand ich aber ganz nett, da war ich auch positiv überrascht :) Das Ende fand ich sogar ein wenig traurig.. Das hätte ruhig etwas weniger traurig sein dürfen :D
Selten so eine scheiße gelesen aber trotzdem amüsant. Ist ja auch alles Geschmackssache. Mir gingen teilweise Spielfehler mehr auf deb Piss! Der rest passt aber. Erst Haytham und dann Connor zu spielen gefiel mir ebenfalls. Brachte damals etwas anderes als wie immer direkt als Assassine zu starten!