Volles Pfund aufs Maul in ELEX 2

Warum mich ELEX etwas ratlos zurücklässt

Volles Pfund aufs Maul in ELEX 2

Warum mich ELEX etwas ratlos zurücklässt

Ich bin nicht der allergrößte Fan von RPGs, versuche mich aber dennoch regelmäßig an einem – mindestens dann, wenn ich seine Prämisse oder sein Szenario interessant finde. Das war bei ELEX mit seinem Science-Fantasy-Setting nach längerem wieder mal der Fall, doch nach rund 25 Stunden Spielzeit habe ich mit gemischten Gefühlen aufgegeben. Denn es nervt unglaublich mit seinem kaputten Progressions- und Kampfsystem, bietet aber im selben Zuge große spielerische Freiheit.

Nogression statt Progression

Mittlerweile hat Piranha Bytes ja bekanntgegeben, dass die Charakterwerte keinerlei tatsächliche Auswirkung auf das Spielgefühl haben, und das fällt beim Spielen durchgängig negativ auf, denn trotz Levelaufstieg stirbt man im Kampf genauso leicht wie davor. Angeblich sei das Absicht, weil die Progression über die Items stattfinden soll, nur findet man viel zu wenige Items, die man überhaupt verwenden kann. Das liegt einerseits daran, dass besiegte Gegner alles Mögliche fallen lassen, nur keine Ausrüstungsgegenstände, und andererseits daran, dass man neue Items fast immer erst mehrere Levelaufstiege später überhaupt erst ausrüsten kann. So dauert es Stunden, bis man das neue Schwert, den neuen Bogen oder die neue Robe endlich verwenden kann, nur damit man nicht bereits nach zwei, sondern erst nach drei Schlägen feststellt, dass man immer noch hoffnungslos unterskillt ist und stirbt.

Dazu gesellt sich das XP-System, das selbst die blödeste FedEx-Quest um den Faktor zehn höher bewertet als das Besiegen von Gegnern. Gerade zu Anfang findet man selten Gegner, die mehr als 50 XP bringen (und bei denen man höchstwahrscheinlich erst noch dreimal stirbt), im Gegensatz dazu belohnt einen das Spiel mit 400 XP, wenn man Gegenstand A von B nach C bringt. Besonders absurd wird es dann, wenn ELEX für das pure Laufen von einem Ort zum anderen, ohne auch nur irgendwas mitzunehmen, 1500 XP vergibt.

Das entwertet einerseits massiv die Kampfmechanik und legt andererseits einen Fokus auf die Quests, den diese gar nicht verdient haben. Meistens holt man irgendwelche Gegenstände, sucht Personen (die in 80% aller Fälle bereits tot sind) oder soll irgendwen vermöbeln (der viel zu stark ist) – gerne auch als Questreihe kombiniert. Das wäre alles erträglicher, wenn man nicht von Anfang für die meisten Quests hoffnungslos zu schwach wäre. Bevor man auch nur die erste Quest aus der Hauptstory erledigen kann, muss man zwangsweise erst Stunden mit Nebenquests verbringen – für die man größtenteils ebenfalls zu schwach ist. Hätte ELEX kein freies Speichersystem mitsamt Quicksave, dann hätte ich vermutlich nach bereits fünf Stunden entnervt aufgegeben.

K(r)ampfmechanik

Kämpfe in ELEX machen keinen Spaß. Durch die kaputte Progression sind die Gegner lange Zeit viel zu stark und die klobige Kampfmechanik verhindert, dass man den Nachteil wenigstens durch Kampfskill ausgleichen könnte. Die Steuerung, egal ob Maus und Tastatur oder Gamepad, reagiert auf Eingaben viel zu träge, Animationsphasen, wie die eines Angriffs, lassen sich nur zuweilen abbrechen – greift der Gegner im selben Moment an, gibt es kaum eine Möglichkeit zu blocken oder auszuweichen. Das wäre weniger schlimm, wenn Angriff und Ausweichrolle nicht Ausdauer bräuchten und jeder gegnerische Treffer massiv Ausdauer abziehen würde. So bleibt nur die Flucht über das Jetpack, weil dieses die Ausdauer am schnellsten wieder auffüllt, weshalb meine persönliche Kampfstrategie irgendwann hauptsächlich aus Zuschlagen-Jetpack-Zuschlagen…  besteht. Abgerundet wird das Ganze durch Quader-Hitboxen, die dafür sorgen, dass Treffer an Stellen registriert werden, die mit dem Umriss der getroffenen Figur nichts zu tun haben und dadurch auch die Jetpack-Strategie viel zu oft zum Bildschirmtod führt.

Ähnlich nervig sind auch die Triggerpunkte, die Zwischensequenzen auslösen, die mit der aktuellen Bewegungsrichtung sowie vertikalen Position nicht das Geringste zu tun haben. Was besonders dann Spaß macht, wenn die Zwischensequenz in einem Kampf mündet, für den man – ihr ahnt es schon – natürlich viel zu schwach ist. Somit stirbt und stirbt und stirbt man immer und immer wieder und ärgert sich fast jedes Mal darüber, weil es kein eigenes Verschulden ist, sondern die Klobigkeit und Unfairness des Spiels. Hätte ELEX keine angenehm schnellen Ladezeiten, dann hätte ich vermutlich nach bereits fünf Stunden entnervt aufgegeben.

EliteQuest – Entscheidungen mit Niveau

Die großen Stärken von ELEX sind das Weltendesign, die Dynamik der Systeme und die große spielerische Freiheit. Es gibt kaum eine Ecke, die leer ist, überall findet man irgendwo was, selbst auf der Spitze des entlegensten Turmes. Mitunter sogar Questgeber, die darüber hinaus auch noch einen halbwegs logischen Grund für ihre Position nennen können (der trotzdem in aller Regel hanebüchener Unsinn ist). Obwohl die Quests zu großen Teilen nicht überzeugen können, findet man so fast nie langweiligen einen Ort. Toll ist auch, dass man keine Ladescreens sieht – solange man nicht das Schnellreisesystem benutzt oder stirbt.

Die Dynamik der Systeme untereinander ist immer wieder toll zu beobachten: Begleiter mischen sich in Gespräche mit NPCs ein, NPCs reagieren unterschiedlich, je nachdem welchen Begleiter man gerade dabeihat, der Verlauf der Spielwelt wird dadurch beeinflusst, wie man mit manchen NPCs und Begleitern umgeht. ELEX stellt nämlich regelmäßig Situationen her, in denen man entscheiden muss, ob man bestimmte Figuren umbringt, anschwärzt oder gar nichts macht. Ebenso bestimmen die eigenen Charakterwerte die Auswahlmöglichkeiten in Dialogen und diese bestimmen wiederum, wie NPCs reagieren. Das Spiel gibt einem dadurch implizit die Möglichkeit, die eigene Spielerfahrung zu gestalten, denn die getroffenen Entscheidungen haben im weiteren Verlauf spürbare Auswirkungen wie fehlende oder abgebrochene Quests. So doof die Story und das Writing oftmals sind, ergeben sich diese Situationen in den meisten Fällen logisch aus der Welt und wirken fast nie künstlich oder zwanghaft herbeigeführt.

3, 2, 1… Barfight!

ELEX stellt laufend Situationen mit der Komik einer Barfight-Szene her, denn Gegner steigen in laufende Kämpfe ein und nutzen diese gelegentlich, um sich gegenseitig die Köpfe einzuhauen – kann man gerade gut flüchten, dann hat man anschließend ein paar Probleme weniger. Auch die Begleiter unterstützen im Kampf, merken das aber manchmal viel zu spät und stehen erst noch blöd in der Gegend rum, während direkt vor deren Nase bereits die ersten Barhocker fliegen. Das nervt ungemein, im Gegenzug dazu entstehen aber auch unfreiwillig lustige Momente, wenn der Begleiter im Hintergrund anfängt Monster zu vermöbeln während man sich gerade in einem Dialog befindet.

Spielerische Freiheit dank Jetpack

Eine der besten Designideen des gesamten Spiels ist das Jetpack. Ähnlich wie das Klettern und der Gleitschirm in Zelda – Breath of the Wild erlaubt es einem, fast überall hoch- und auch wieder herunterzukommen, ist dabei aber erheblich schneller als die Klettermechanik. Dadurch, dass es sich leider quälend langsam auflädt, muss man genauso wie in Zelda deswegen beim Aufstieg immer wieder Vorsprünge suchen, mehrere Sekunden warten, und dann weiter aufsteigen.

Insgesamt jedoch bietet das Jetpack sogar noch mehr spielerische Freiheit als das Klettern. Ein zu schweres Monster versperrt den Weg? Flieg drüber! Den Weg zur anderen Seite versperrt eine tiefe Schlucht? Flieg rüber! Irgendeine NPC fordert Wegzoll? Flieg drüber! In Kombination mit dem freien Speichern kann man dadurch unglaublich viel herumexperimentieren und problemlos mehrere Wege ausprobieren, um zu einem Ziel zu gelangen. Hätte ELEX kein Jetpack, dann hätte ich vermutlich nach bereits fünf Stunden entnervt aufgegeben.

Fazit

ELEX hat mich in vielen Belangen unfassbar aufgeregt. Ja, es hat dank der spielerischen Freiheit und gelegentlich coolen NPCs (Crazy Rat!) oder lustigen Szenen (Barfight!) seine Momente, aber die Kampfmechanik, die kaputten Progression und blöde FedEx-Quests haben mich regelmäßig zur Weißglut gebracht, Dialoge, Handlung, Klon-Assets und –Animationen führten wiederholt zur Gesichtspalme. Ich hatte zwar selten Spielesessions unter zwei Stunden und auch 25 Stunden Spielzeit sind nicht wenig, die Negativpunkte gingen mir auf Dauer aber dermaßen auf die Nerven, dass ich das Spiel abgebrochen habe. Waren es unterhaltsame 25 Stunden? Ja. Würde ich es nochmal machen und ELEX 2 spielen? Eher nicht.

Transparenz-Hinweis: ELEX wurde uns von THQ Nordic per Steam-Key zur Verfügung gestellt.

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Dominik mag Storyspiele und Shooter und findet die meisten Open World- und Grinding-Mechaniken ganz furchtbar.

2 Comments

  1. Hi zusammen, ich kann mich den vielen Kritikern leider nur anschließen- Die Grafik ist ja recht nett.
    Was mich persönlich (habe nicht die ganze Bandbreite der Fachausdrücke parat) nervt ist ein Teil der Kampergonomie. Mit gezogenem Schwert passiert es immer wieder das statt eines Gegners ein eigener Mitkämpfer Fokussiert wird oder ein NPC den man ansprechen soll. Ich kann dann den Kampf nur fortsetzen und den Gegner neu fokussieren wenn ich erst die Waffe wegstecke. Hat man mehre Gegner wird man in dieser Zeit von einem dieser attakiert und fertig ist der Kamf. Tot.
    Es braucht einem nur ein Mitkämpfer vor die Nase zu laufen und schon ist es passiert. Das ist doch
    Mist². Man hopst vom Balkon, 2 m hoch—tot. Diese Leertasten Kombi Jetpack Springen ist auch nicht wirklich Ideal. Dem Rest kann ich mich nur anschließen.

  2. Wenn ich mich gerade recht erinnere, dann kann man dieses automatische Fokussieren in den Einstellungen irgendwo ändern, wenn nich gar ganz abschalten. Hast das mal probiert?

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