Wir hatten bereits hier und hier über einzelne Episoden von Telltales »The Wolf Among Us« geschrieben; ich hatte mit dem Spielen gewartet, bis alle fünf Episoden von Season 1 erschienen waren. Hier mein Eindruck der gesamten ersten Staffel:
Für alle, die es nicht kennen: »The Wolf Among Us« basiert auf der Comicreihe „Fables“ von Bill Willingham. Die Reihe handelt von Märchenfiguren wie Schneewittchen oder dem großen bösen Wolf, den titelgebenden „Fables“. Diese wurden aus ihrem Land vertrieben und leben nun unter normalen Menschen mitten in New York, in einer mehr oder weniger abgeschirmten Community, die sie „Fabletown“ nennen. Fables können Zauber (sogenannte Glamour) benutzen, die sie menschlich wirken lassen, falls sie ohne unter den Mundies – normalen Menschen – auffallen würden, z.B. weil sie sprechende Frösche sind. Wer auffällt, weil er sich keinen Glamour leisten kann, wird zur ominösen Farm geschickt; kein Aufsehen zu erregen ist das A und O für jeden Fable und der unbeliebte Sheriff Bigby Wolf hat dafür Sorge zu tragen, dass alles in Fabletown in geregelten Bahnen verläuft. Mit der vermeintlichen Ruhe ist es allerdings vorbei, als Bigby zu Woodsmans Appartement gerufen wird. Der aufbrausende Fable mit der Axt ist betrunken und bedroht die Prostituierte „Faith“. Das ist zwar mit ein paar Quick-Time-Kämpfen schnell geklärt, doch kurz darauf finden Bigby und Snow White – die rechte Hand des Bürgermeisters Ichabod Crane – den Kopf Faiths auf der Türschwelle des Woodland-Appartementkomplexes, in dem einige der Märchenfiguren wohnen. Was nun beginnt, ist eine relativ klassische Detektivstory, in der Bigby und Snow einerseits eine Mordreihe aufklären müssen (Faith bleibt nicht das einzige Opfer) und gleichzeitig mit einigen Problemen in ihren eigenen Rängen zu kämpfen haben. Die Ermittlungen öffnen Snows und Bigbys Augen, was die schlechten Lebensumstände der Märchenbevölkerung betrifft, die sich teilweise prostituieren müssen, um sich Glamour leisten zu können oder sich diesen illegal von irgendwelchen Hexen besorgen. Steckt der gefürchtete Crooked Man hinter all dem Übel? Und wenn ja: ist er auch für die Morde verantwortlich oder sind die Ereignisse ohne Zusammenhang? Die Ermittlungen werden dadurch behindert, dass Bigby nicht gerade beliebt ist, da er sich ab und zu mal in einen großen bösen Wolf verwandelt. Und auch Snow, wird nicht von allen gemocht, scheint sie doch als Teil der „Regierung“ Schuld an der Misere vieler Bewohner Fabletowns zu sein, die sich oft vernachlässigt fühlen, während der Crooked Man jederzeit für sie da ist, falls sie mal einen Kredit oder ähnliches brauchen. Das bietet jede Menge Zündstoff, denn einerseits wollen die Fables den Mord aufgeklärt sehen, andererseits haben die meisten keine große Lust, dem Sheriff zu helfen.
Die Ermittlungen beginnen harmlos, doch schon bald muss Bigby feststellen, dass er bisher nur an der Oberfläche gekratzt hat und so gut wie alle Fabletown-Bewohner in irgendeiner Form was zu verbergen haben. Die Entscheidungen, die wir als Spieler treffen müssen, werden von mal zu mal gewichtiger und eine falsche Entscheidung kann schnell den Tod eines Figur nach sich ziehen (auch wenn die Märchenfiguren schwer zu töten sind). Oft muss man sich als Spieler entscheiden, was wichtiger ist: Menschlichkeit, oder eine schnelle Aufklärung des Falles. Bewahrt man Geheimnisse oder drückt bei kleinen Vergehen auch mal ein Auge zu oder stellt man den Fall über alles und scheißt drauf, dass die Fables einen hassen? Egal wie man sich entscheidet, am Ende muss Bigby die eine oder andere unangenehme Wahl treffen und wie im echten Leben kann man es nie allen Recht machen. Hauptsache ist schließlich, dass die Mordserie aufgeklärt wird, doch auch das erweist sich als nicht so ganz simpel, denn an einem Mord ist manchmal mehr als eine Person Schuld. Auch wenn am Ende der Staffel der eigentliche Fall aufgeklärt ist, hat Bigby nur obersten Rand gekratzt und Season 2 wird ihn mit Sicherheit noch viel tiefer ins Kaninchenloch treiben.
Die Moral:
»The Wolf Among Us« ist ein optisch schönes, spannendes und mit stimmiger Musik atmosphärisch umgesetztes Point-and-Click, mit einigen technischen Problemen (Ruckler zum Beispiel), über die man als Spieler aber gerne hinweg sieht.
Die Story ist spannend und bleibt bis zum Ende spannend, auch wenn ich – obwohl ich alle Episoden kurz hintereinander spielte – ab und zu den Faden verlor. So hatte auch die Entscheidung in der allerletzten Szene überhaupt keine Bedeutung für mich, weil ich sie nicht verstanden habe. Aber wie Bigby so schön sagt: “It doesn’t matter what I do, in the end, it’s all the same shit it always was.” So ganz stimmt das nicht, Entscheidungen haben schon einen leichten Einfluss auf die Story und manches kann man als Spieler in einem Durchgang nicht sehen, weil er sich auf eine bestimmte Weise entschieden hat. Dennoch bleibt der Einfluss gering und ändert wenig am Ausgang des Spiels bzw. an der gesamten Geschichte.
Kurzum: »The Wolf Among Us« war mein erstes Telltale-Episodenspiel und ich war begeistert. Vor allem, weil ich nicht gerne lange am Stück spiele und die Episoden die perfekte Länge haben. In gut zwei Stunden ist man mit einer durch und die Enden sind immer kleine Cliffhanger, so dass man am liebsten direkt weiterspielen möchte. Wann Season 2 startet, steht allerdings noch in den Sternen und mit The Walking Dead, Game of Thrones und Tales From The Borderlands haben sich Telltale einiges vorgenommen, mit dem wir uns die Wartezeit verkürzen können.
Sehr schön, endlich mal ein Review von jemandem, der Episodentitel auch lieber staffelweise spielt und einen Überblick ohne die verklärende Erwartungsfreude “dazwischen” abliefert.
Serien sind auch besser, wenn man sie am Stück guckt. Warten ist doof.