Horror-Junkies stellen bei der Nennung des Namens Shinji Mikami automatisch die Lauscher auf, ist der junggebliebene Japaner doch der Erfinder der legendären »Resident Evil«-Reihe. Nachdem ZeniMax (Bethesda) dann 2010 sein Studio »Tango Gameworks« aufkaufte, fand Mikami wohl die Muse, sich nach Titeln wie »Vanquish« und »Viewtiful Joe« wieder dem härteren Genre zu widmen: Dem Survival-Horror. tl;dr: Der Resident-Evil-Erfinder hat ein neues Spiel. Das Ding heißt »The Evil Within« und soll dem geneigten Spieler das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ich persönlich bin ja immer sehr empfänglich für Horror jedweder Art. Auch wenn ich mit nasser Hose in der Ecke sitze, ob übermäßiger Gruseleien, finde ich doch immer wieder den Weg zurück an den Controller, um mir erneut die Buxe voll schocken zu lassen.
Oh mein Gott! So viel Blut!
Doch kommt alles ganz anders, als ich es mir vorstellte. Statt Jumpscares und nervenzerreißender Spannung am laufenden Band lande ich – nach einer äußerst unbefriedigend-unlogischen Introsequenz – inmitten des brutalen Alptraums von Sebastian Castellanos, einem Polizisten, der (wie sollte es anders sein) ungewöhnliche Vorfälle in einer Nervenheilanstalt unter die Lupe nehmen muss. Doch schon bald baumeln wir kopfüber von der Decke während ein übergewichtiger Metzgerverschnitt in unmittelbarer Nähe Leichen zerhackstückt und ihre Körperteile in einen angrenzenden Raum trägt. Bereits hier ist klar: Das Ding ist nichts für schwache Gemüter. Später wird klar: Der Blut- und Gorefaktor nimmt von Minute zu Minute zu. Denn sobald Castellanos sich aus seiner Misere befreit, ist der Metzger bereits mit einer Kettensäge hinter uns her und hat kein Problem damit, uns bei fehlerhafter Flucht den Kopf abzusägen oder die Gerätschaft von hinten durch den Körper des Cops zu rammen.
Doch »The Evil Within« beschränkt sich nicht alleine auf die grafische Darstellung von körperlicher Gewalt aller Couleur. Vielmehr fühlt man sich gefangen in einem Fiebertraum voller übernatürlicher Wesen, Stacheldraht und surrealer Welten. Das Gefühl der Beklommenheit rührt allerdings vor allem von den Widescreen-Balken, die das vertikale Sichtfeld derart einengen, dass man automatisch näher an den Fernseher rutscht, weil alles kleiner wirkt, als es eigentlich ist. Ein Gefühl, wie mit Fremden im Fahrstuhl zu stehen, das aber (per Konsolenbefehl auf PCs, der allerdings mit Vorsicht zu genießen ist) seitens Bethesda “weggepatcht” worden ist, um dem Flehen und Betteln der Spieler nachzukommen. Dabei geben diese Balken dem Spiel erst das gewisse Etwas, das ansonsten lediglich aus skurrilen Gestalten und jeder Menge Blut bestehen würde; Das Gameplay ist zwar eingängig und funktional aber gleichzeitig generisch und schon hunderte Male gesehen: Schleichen, Schießen, Weglaufen. Zwar besetzt »The Evil Within« eine gewisse spiel-ökologische Nische, die man bis dato nicht in diesem exzessiven Ausmaß an breiig-roter Masse kannte.
Von Zombies, Hirn-Upgrades und Brabbelei
Die zombieähnlichen Gestalten, die im Laufe des Spiels vor allem an Quantität zulegen, zur Strecke zu bringen, ist trotz des genretypischen begrenzten Munitionsvorrats nicht schwierig. Zu beachten ist hier allerdings, den Bösewichten auch wirklich den Kopf wegzuschießen, um nicht später böse Überraschungen durch Nicht-ganz-so-tot-sein der Kameraden zu erleben. Abhilfe bei zittrigen Händen leisten hier (ebenfalls begrenzt vorrätige) Streichhölzer, mit denen man die auf der Erde liegenden Gegner verbrennen kann (und sollte). Trotz der relativ stupiden Schergen sollte man allerdings trotzdem immer auf der Hut sein und unnötiges, blindes Herumrennen vermeiden, denn viel zu oft rennt man in eine der Fallen, mit denen die Level gespickt sind. Das jagt nicht nur ordentlich Adrenalin durch die faulen Knochen, sondern kostet zusätzlich wertvolle Lebensenergie. Um diesen Wert – und andere Stats des Charakters – zu verbessern, kann man auf abstruse Art und Weise an bestimmten Stellen des Spiels durch einen Spiegel schlüpfen um auf der anderen Seite – in einer Form von Krankenhaus – per Hirn-Helm-Infusions-Gerät-Dingsbums erwähnte Eigenschaften upgraden um so das Spielgeschehen mit etwas weniger Angst vor dem plötzlichen Ableben zu genießen. Dabei helfen im späteren Verlauf des Spiels auch Waffen wir die Pumpgun oder eine übernatürliche Armbrust, die Gegner einfrieren oder blenden kann. Vor allem bei Bossfights und bei den schieren Gegnermassen, denen man irgendwann gegenübersteht, ist das mehr als praktisch.
Dabei lernt der Spieler aber schnell, dass jede Aktion eine unmittelbar folgende Reaktion als Ursache hat. Besonders in den Rätselsegmenten (die nicht besonders anspruchsvoll sind), wird beinahe jeder Schritt mit allerhöchster Vorsicht getan, was nicht alleine am gewöhnungsbedürftigen Auto-Save-System des Titels liegt. Wer nach dem selbstständigen Speichern nämlich Aktionen im bereits besuchten Levelteil ausführt – sei es das Sammeln von Munition oder Lebensenergie – der darf dies nach dem Ableben vor der erneuten automatischen, per Spielerlocation getriggerten Sicherung, erneut tun. Argh. Nervig.
So viel Spaß das Spiel auch macht, so merkwürdig sind die Dialoge und die deutsche Synchro. Die scheint nämlich aus der gleichen Hölle zu kommen, wie sämtliche Schreckensgestalten, die dem Spieler während des Zockens vor die Flinte springen. Unmotiviert und offenbar völlig ahnungslos, wie der jeweilige gesprochene Satz überhaupt gemeint ist, brabbeln die Sprecher – mit Ausnahme des Protagonisten – vor sich hin. Die Immersion wird dadurch aber nicht gestört, denn dafür sorgen bereits die zum Teil sehr matschigen Texturen und hakeligen Animationen. Blutig-ekligen Gruselspaß mit dem Film-Grain-Regler am Anschlag kann man dennoch haben, denn der “100% Uncut!”-Störer auf dem Spielcover hält, was er verspricht.
Auch wenn The Evil Within auf den ersten Blick wirkt, wie ein unausgereifter Hybird aus Silent Hill und Resident Evil mit einer nicht wirklich durchdachten Story und einem vorhersehbaren Twist, können ungeübte Spieler schon mal 20 Stunden Spielzeit aus dem Titel kitzeln, was heutzutage ja schon im oberen Drittel der Quantität angesiedelt ist. Wenn man jetzt noch auf ein gutes Angebot wartet, kann man das Knistern des Kamins während der Weihnachtstage ruhigen Gewissens gegen Todesschreie von Zombies und das Geräusch von berstenden Knochen eintauschen. Dabei bleibt das Spiel aber bei allem Horror nur halb so gruselig, wie das RTL-Christmas-Special.