Die Spyro Reignited Trilogy ohne Nostalgie betrachtet 1

Nach Crash Bandicoot entdeckt Activision einen weiteren Jump’n’Run-Klassiker aus den 90ern wieder: Die »Spyro Reignited Trilogy« enthält drei vollständig neu entwickelte Fassungen von Spyro the Dragon (1998), Spyro 2: Ripto’s Rage (1999) und Spyro 3: Year of the Dragon (2000) und ist ursprünglich bereits im letzten Jahr für PS4 und Xbox One erschienen. Nun kommt das Paket auch auf den PC und die Nintendo Switch und überzeugt auch dort auf den ersten Blick mit toller Optik. Als jemand, der Spyro im Original nie gespielt hat, war ich allerdings vor allem gespannt, ob die ungefähr zwanzig Jahre alten Spiele auch heute noch mit modernen Genrevertretern mithalten können. Also habe ich meine Switch ausgepackt und nachgeschaut.

Technisch tolle Neuauflage

Eines muss man Entwickler Toys for Bob lassen: Die »Spyro Reignited Trilogy« sieht super aus! Spyro hüpft und rennt in der Neuauflage aufwendig animiert durch eine bonbonbunte Welt, die von liebevoll gestalteten Freunden und Feinden bevölkert wird. Anders als im Original sind diese nicht mehr kantig und flach, sondern plastisch und rund und wirken wie Figuren aus 3D-Animationsfilmen. Schön ist ebenfalls, dass alle drei Spiele in der Neuauflage wie aus einem Guß wirken: Ästhetisch besteht kein Unterschied zwischen den Spielen und auch das Steuerungsschema wird über alle Teile beibehalten. Der Wechsel zwischen den einzelnen Titeln erfolgt so mühelos und ohne Umgewöhnung. Vorbildlich!

Besonders positiv fallen immer wieder Mimik und Gestik der Figuren auf, die den Charakteren Charme und Komik verleihen. Überhaupt ist Spyro eine humorvolle Serie: Gegner reagieren mit ulkigen Animationen auf den lila Drachen, manche ergreifen sogar Flucht und verstecken sich, Levels werden mit kurzen Slapstickeinlagen eingeführt und eigentlich hat jeder Dialog im Spiel eine heitere Note. Selbst unschuldige Schafe werden nicht verschont: Spyro kann ihnen die Wolle wegbrennen, so dass die nackten Hornträger verkohlt und mit vor dem Schritt gehaltenen Hufen zu Asche zerfallen – natürlich in kindgerechter Fassung.

Lob gebührt darüber hinaus der erstklassigen deutsche Synchronisation: Sämtliche Figuren werden von hochwertigen Schauspielern gesprochen, die mit viel Witz und Engagement den Protagonisten Leben einhauchen. Der freche Drache Spyro sticht dabei natürlich hervor, aber auch Figuren wie der tollpatschiger Tiger Jäger oder die niedliche Kängurudame Sheila stehen dem in Nichts nach. In Kombination mit den erwähnten Gesichtsanimationen und dem antropomorphen Figurendesign mit großen Kulleraugen erinnert die »Spyro Reignited Trilogy« auch dadurch an Filme wie Madagaskar oder Zootopia.

Super Mario 64 vs Spyro the Dragon

Doch trotz all der gelungenen technischen Aufbereitung kann Toys for Bob eines nicht leisten: Spyro bei einer werksgetreuen Umsetzung zu einem besseren Spiel zu machen. Der Vergleich zu anderen 3D-Jump’n’Runs der 90er offenbart die Schwächen des Ausgangsmaterials: Gerade dem ersten Teil, Spyro the Dragon, fehlt es an emergenter Dramaturgie, an interessanten Aufgabenstellungen und an Spielerführung. Stattdessen schwankt das Leveldesign oftmals zwischen banal und konfus.

Wie geschickt Spielentwickler bereits in den 90ern die frisch aufkommende 3D-Grafik zu nutzen wussten, zeigt etwa das berühmte erste Level von Super Mario 64: Trotz des offenen Designs hatte der Spieler die Spitze eines Berges als ultimatives Ziel stehts vor Augen. Gleichzeitig animiert Super Mario 64 den Spieler dazu, die Levels abseits des impliziten Hauptpfades eigenständig zu erforschen: Wie erreicht man an den Stern, den der Kettenhund bewacht? Wie kommt man auf die schwebende Insel? Wo sind alle roten Münzen versteckt?  Durch Colorcoding, auffälligen Landmarken und kreativem Leveldesign gelingt es Super Mario 64, das Pacing zu variieren, die Aufmerksamkeit des Spielers zu lenken und ihn immer wieder neue Dinge ausprobieren zu lassen, ohne ihm das Gefühl zu geben, er würde an der Hand gehalten.

All das fehlt Spyro the Dragon. Stattdessen bewegt man sich beinahe willkürlich durch nicht-lineare Gebiete, in denen es kaum Dinge gibt, die Interesse erregen. Gegenstände, die man zum freischalten des nächsten Levels benötigt, sammelt man dabei eher zufällig und ungeplant ein. Selbst die seltenen Landmarken enttäuschen die Erwartungen: Als ich in einer Arena einem riesigen, keuleschwingenden Oger begegne, streckt dieser nach dem ersten feuerspeihen die Waffen – lahm. Auch der Spielstruktur fehlt Dramaturgie: Durch Tore, die in Ladebildschirme führen, reist man nonchalant von einem Hauptlevel in (thematisch teilweise unzusammenhängende) Sublevel. Wieso, weshalb, warum etabliert das Spiel dabei nie. Noch dazu unterscheiden sich diese Sublevel häufig in Umfang und Aufgabenstellung nicht vom Hauptlevel, was zusätzlich irritierend wirkt: Es ist nur schwer erkennbar, was das Spiel eigentlich will und was das Ziel ist, selbst wenn es zu Anfang explizit gesagt wird.

Ripto’s Rage und Year of the Dragon

Doch es wird besser: In Spyro 2: Ripto’s Rage und Spyro 3: Year of the Dragon kommen abwechslungsreiche Puzzle- und Geschicklichkeitsaufgaben hinzu, wie man sie etwa aus Banjoo-Kazooie oder auch aus dem modernen Super Mario Odyssey kennt. So kann man man etwa in einem Eislevel Hockey spielen, weckt in einem Skatepark Erinnerungen an Tony Hawk’s Skateboarding oder muss Feuerbälle auf einem Weg zum Kochtopf (fragt nicht…) begleiten und immer wieder neu entfachen, bevor sie erlöschen. Zusätzlich bedient sich die späteren Teile einer Freischaltmechanik: Gesammelte Edelsteine können in Fähigkeiten wie Tauchen investiert werden, öffnen neue Wege in der Spielwelt oder schalten sogar neue Spielfiguren frei. Die Teile zwei und drei wirken so fokussierter und durchdachter und funktionieren als klare Evolution zum ersten Teil.

Trotzdem wird die »Spyro Reignited Trilogy« im Ganzen nie mehr als “nett”: Es sieht toll aus, hat charmante Figuren und einen hübschen Artstyle, bleibt spielerisch aber meist oberflächlich und wenig herausfordernd. Meist geht es um kaum mehr als das Absuchen der Levels: Weder werden besondere Fähigkeiten am Gamepad verlangt, noch stellt einen das Spiel vor intellektuelle Aufgaben. So ermüdet Spyro schnell: Man kann es immer mal wieder starten und schnell Fortschritte erzielen, mangels Dramaturgie und Spannung fesselt es einen aber nie länger als ein eine halbe Stunde vor den Bildschirm.

Für Nostalgiker und junge Spieler

Re-Releases und Remakes alter Klassiker zu bewerten, ist naturgemäß eine Gratwanderung. Wer mit einem Spiel frohe Kindheitserinnerungen verbindet, wird zwangsläufig einen anderen Blick auf so eine Neuveröffentlichung haben wie jemand, dem diese nostalgische Sicht fehlt. Weil Spyro damals an mir vorübergegangen ist, ist meine Perspektive ist die eines Erwachsenen, der diese Spiele zum ersten Mal in Händen hält – und aus diesem Blickwinkel nagt leider der Zahn der Zeit an Spyro, selbst wenn die Neuauflage technisch hervorragend gelungen ist.

Im Vergleich zu Spielen wie Super Mario 64 oder Banjo-Kazooie wirken sowohl Leveldesign als auch Aufgabenstellungen häufig banal, das Spiel selbst deutlich zu leicht. Mir fehlt es an Erkundungsanreizen, an Abwechslung, an Überraschungen. Wer Spyro in seiner Kindheit nicht gespielt hat, muss diese Erfahrung auch mit der Neuauflage nicht nachholen: Es gibt besseres in dem Genre.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht Zielgruppen für diese Sammlung gibt: Neben denjenigen, die sich noch einmal in ihre Jugend zurückversetzt fühlen wollen – einem Reiz, dem ich selbst oft genug verfalle – sehe ich »Spyro Reignited Trilogy« auch klar als tolles Spiel für Kinder: Sechs- bis Zehnjährige, die vielleicht gerade ihre ersten Schritte mit dem Medium gehen, dürften mit der Spielesammlung aufgrund der kindgerechten Darstellung, dem Humor und auch dem leichten Schwierigkeitsgrad ihre helle Freude haben.

Offenlegung: Spyro Reignited Trilogy wurde uns von Activision zur Verfügung gestellt.

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Sebastian spielt auf der Playstation 4 samt PSVR und der Nintendo Switch aktuelle Blockbuster und Indies.

1 Comment

  1. Kann es sein, dass man zwar keine Nostalgie für Spyro, aber dafür für Mario 64 hatte? Ich selbst habe umgekehrt Spyro in meiner Kindheit gespielt und Banjo Kazooie erst als Erwachsener nachgeholt, sodass Banjo Kazooie mich im Vergleich weniger abgeholt hat. Es hilft ja nichts, ein Spiel ohne Nostalgie zu bewerten, wenn man bei Spielen, mit denen man sie vergleicht, trotzdem Nostalgie empfindet.

    Sonst sehe ich einige Grammatikfehler und es scheint, als wurde Jäger einer falschen Spezies zugeordnet. Ich finde es auch seltsam, dass es bei Spyro heißt, es fehlt an Spielerleitung, aber bei Mario wird genau das wieder gelobt, indem es heißt, der Spieler wird zu eigenständigem Erkunden angeleitet. Fragen wie “Wie kommt man auf die schwebende Insel?” kann man sich bei Spyro 1 z.B. genauso stellen. Hier ist sicherlich die Perspektive ausschlaggebend, ob man ein Spiel als Kind spielt, bei dem man sich noch über alle möglichen Entdeckungen freut oder ob man es für das Review spielt und daher einfach möglichst schnell möglichst viele Eindrücke sammeln möchte.

    Ich will aber nicht wie ein stumpfer Spyro Fanboy rüberkommen. Ich sehe die Schwächen der verschiedenen Teile und es gibt gute Argumente, die dafür sprechen, warum man Banjo Kazooie oder Mario 64 lieber mag.

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