Wer bisher Gitarre lernen wollte, machte früher oder später Bekanntschaft mit einem gewissen Peter Bursch und seiner Lehrmethode, inklusive dem Merkspruch für die Saiten, Ein Anfänger Der Gitarre Hat Eifer.
Nachdem es schon alle möglichen Lernspiele für diverse Konsolen gibt, erscheint mit »Rocksmith« von Ubisoft nun endlich auch ein Game, mit dem musikinteressierte Zocker vor der heimischen Konsole Gitarre oder Bass lernen können. Gut ein Jahr hat es gedauert, bis es das Spiel aus den USA auch zu uns geschafft hat, wir verraten euch, ob sich das Warten gelohnt hat.
Was genau ist Rocksmith eigentlich, fragt ihr euch? Rocksmith, das ist Guitar Hero mit echter Gitarre und Lernfaktor. Ihr habt richtig gelesen, bei Rocksmith schließt man seine E-Gitarre oder seinen E-Bass mittels mitgeliefertem Kabel an die Konsole an; für instrumentlose Spieler gibt es auch Game-Bundles inklusive „Klampfe“.
Einmal angeschlossen, wird zuerst die Gitarre (oder der Bass. Der Einfachheit halber schreiben wir ab jetzt nur noch Gitarre, meinen aber natürlich beides) gestimmt, was erstaunlich gut funktioniert. Vor jedem einzelnen Song wird erneut geprüft, ob alle Saiten richtig gestimmt sind, das kann etwas nerven und kann auch nicht übersprungen werden. Nach einer Einführung über die Gitarre selbst, was was ist, wie man sie hält und so weiter geht es auch schon los mit der ersten Song. Ziel am Anfang ist es, wie in anderen Musik-Games Noten rechtzeitig zu treffen. Zu Beginn müssen dazu nur einzelne Saiten angeschlagen werden, zuerst nur zwei unterschiedliche, die hier keine Namen haben, sondern ganz idiotensicher einfach farblich markiert sind. Semi-Profis oder werden hier vermutlich leicht ob des langsamen Voranschreitens genervt sein. Voran geschritten wird übrigens über ein Punkte-System – je höher der Schwierigkeitsgrad und je genauer man spielt, desto mehr Punkte gibt es und desto schneller schaltet man weitere Songs frei. (Mit dabei sind Songs von The Black Keys, The Cure, Blur, Muse, Nirvana oder Queens of the Stone Age)
Neben dem eigentlichen Spielen von Songs bietet Rocksmith Tutorials für unterschiedliche Techniken, die nach und nach hinzu kommen und eine Reihe an Mini-Games, die den Umgang mit der Gitarre und einzelnen Techniken schulen sollen.
Spielspaß und der Lernfaktor hängen bei »Rocksmith« stark vom Spieler ab. Anfänger werden langsam an das Instrument herangeführt und werden mit der Zeit immer sicherer im Umgang mit der Gitarre, so dass man man Saiten – und später Akkorde – greifen kann, ohne nach unten schauen zu müssen.Ob man mit »Rocksmith« vom blutigen Anfänger zum Profi werden kann? Das bezweifle ich. Aber die Grundlagen werden vermittelt und die zu lernen, ist ein langer und beschwerlicher Weg, den ein Spiel wie »Rocksmith« angenehmer machen kann. Für Spieler, die bereits den Umgang mit dem 6-saitigen Instrument beherrschen, sehe ich vom Lernfaktor her weniger Nutzen, was ich natürlich selbst schlecht beurteilen kann. Diese Spieler können natürlich trotzdem Spaß mit »Rocksmith« haben, indem sie es einfach als Alternative zu den anderen Musik-Games mit ihren Plastikinstrumenten sehen. Vorausgesetzt, sie überstehen den etwas zähen Anfang, der vermutlich jeden langweilt, der schon den einen oder anderen Akkord spielen kann.
Kommentar Marc:
Schon beim Durchblättern der Menüs riecht es in »Rocksmith« nach Vinyl und angegilbten ausgeschnittenen Artikeln aus Musikzeitschriften. Ich selbst sehe mich zwar als absoluten Musikliebhaber, gleichzeitig aber auch als ziemlich talentfreien Musiker. Der Reiz von »Rocksmith« besteht für mich also darin, coole (Lieblings-)Rocksongs nachspielen zu können. Auf einer echten Gitarre! Wann immer ich den Virtuosen dieser Kunst bei der Ausübung eben jener zuschauen durfte, war dies gleichzeitig auch ein wenig Voodoo für mich. Ich fand es toll, hatte aber keine Ahnung was da passiert. Nun kommt also »Rocksmith« daher: Ich mache mich 15 Minuten mit dem Spiel vertraut und kann schon blind das Intro von „I can’t get no satisfaction“ nachspielen. Wie cool ist das denn?
Auch wenn es mit der Karriere als Musiker wohl nichts mehr wird: In diesen Momenten fühle ich mich wie Rob Gordon in seinem eigenen Plattenladen. Dieses Spiel wird nämlich mit diesem besonderen Hauch von Coolness ausgeliefert.
Kommentar Joe:
Sobald man das für geübte Gitarrenspieler wirklich öde Tutorial überwunden hat, geht’s relativ fix zur Sache. Während man die ersten paar Takte der Einstiegssongs noch ziemlich wenig zu tun hat, erkennt das Spiel eigenständig, dass der Klampfenführer mehr auf dem Kasten hat und stuft die Schwierigkeit entsprechend hoch. Je besser man ist, desto schneller kann man die folgenden Stages und Tracks freischalten – hier erkennt man klar die Absicht der Entwickler: Nicht nur ungeübte Gitarrenkrüppel können hier ordentlich die Bühnensau raushängen lassen, auch “Rückkehrer” und Profis dürfen hier den virtuellen Fangirls ihr digitales Pimmelchen präsentieren.
Zwar ist die Trackauswahl klar auf den nordamerikanischen Markt ausgelegt, Trackpacks in Form von DLCs lassen aber Fanboy-Herzen höher schlagen. Für einen relativ stolzen Preis wird das Songkontingent mit Megadeth, Blink-182 und anderen Axtschwingern aufgestockt, je nach Belieben.
Ich selbst spiele seit ca 15 Jahren Gitarre – mal mehr, mal weniger oft – und freue mich, mein Instrument wieder neu entdecken zu können. Die Amp-Einstellungen klingen wirklich gut, und wer die Möglichkeit hat, seine Xbox/PS3 per analogem Audiosignal mit der Hifi-Anlage daheim zu verbinden (AV-Kabel for the wizzle!), der wird auch latenztechnisch keine Probleme kriegen. Das Durchschleifen des HDMI-Signals durch den Fernseher erzeugt nämlich zum Teil ein derart heftiges Lag (500-600 ms!), dass ein anständiges Frickeln zu Muse, The Black Keys oder den von Marc erwähnten Stones nicht frustlos möglich ist.
Zwar teleportiert Rocksmith dem geneigten Griffbrettakrobaten zur Zeit ca. 80 bis 90 Goldstücke aus dem Portemonnaie, wer aber einen geduldigen Gitarrenlehrer braucht um im Sommer fit zu sein, die Mädels am Lagerfeuer mit klassischem Rock- und Pop-Liedgut zu beeindrucken, der darf gerne beherzt zugreifen. »Rocksmith« agiert hier quasi als Wingman zum Dosenöffnen. Drei Daumen nach oben!