Da sitze ich nun. Die Credits laufen und Bioshock Infinite habe ich erfolgreich durchgespielt. Zurück bleibt die Frage, was ich denn da gerade eigentlich genau erlebt habe. Doch fangen wir ganz von vorne an: Es regnet. Zwei mysteriöse Gestalten setzen mich mithilfe eines Ruderbootes unmittelbar vor einem Leuchtturm ab, schwafeln irgendetwas von gescheiterten Gedankenexperimenten und lassen mich mit deutlich mehr Fragen als Antworten zurück. Nun gut. Offene Fragen funktionieren bei mir spätestens seit Oceanic Flug 815 ganz wunderbar. Also stürze ich mich in der Rolle des Kriegsveteranen Booker DeWitt auf die Antworten meiner Frage und begebe mich in ein Abenteuer, ohne so recht zu wissen, was mich eigentlich erwartet. So weit so gut.
Es verschlägt mich in eine malerisch schöne Stadt über den Wolken namens Columbia. Würde diese nicht überwiegend von religiösen Fanatisten bewohnt werden, wäre ich doch glatt an einer netten kleinen Wohnung im Zentrum interessiert. Aus dem Nichts tauchen singende Entertainer auf Luftschiffen auf, es ist Jahrmarkt und alles in allem versetzt mich das Spiel zunächst in eine kindliche »Kinnlade runter«-Stimmung und ich grinse fröhlich in mich rein, als auch noch wirklich schön gecoverte Orgelmusik an den Weg in mein Gehör findet. Es bleibt aber festzuhalten, dass ich hier nicht zum Vergnügen bin. Das eigentliche Tutorial zieht sich unnötig in die Länge, und wenn es dann ganz plötzlich losgeht mit Gegnern, die auf mich schießen, bin ich dann doch irgendwie überrascht. Aber das Spiel hat insofern natürlich recht: Bioshock Infinite zählt zu den Shootern und will auch den Thron dieses umkämpften Genres erklimmen. Schnell die Shotgun nachgeladen und ab ins Getümmel: Was lässt sich so abknallen?
Gegner gibt es in Columbia wahrlich genug. Da gibt es viele steampunkig angepimpte Roboter, Menschen, die ebenso aufgebessert wurden und die religiösen Fanatisten aus der immer marschbereiten Exekutive des selbst ernannten Propheten Zachary Hale Comstock, welcher die Stadt über den Wolken nicht nur beherrscht, sondern auch gegründet hat. Comstock wacht stets mit dem Auge eines rassistischen Fanatisten über die Geschehnisse der Stadt und erklärt mich, Booker bei den ersten Schwierigkeiten kurzerhand zum falschen Hirten, welcher zum Abschuss freigegeben wird. Somit gibt es direkt mal mehr als genügend Konfliktpotenzial. Hurra!
Auch das Waffensystem weiß zu gefallen: Es gibt 14 verschiedene Waffen, welche gegen einen entsprechenden Aufpreis an großzügig bereitgestellten Automaten ausgetauscht und vor allem aufgewertet werden können. Ob Revolver, Panzerfaust oder Scharfschützengewehr: für jedes Terrain und jeden größeren Gegner ist das richtige Equipment zu haben. Gleichzeitig darf ich aber nur 2 Wummen bei mir tragen, wodurch ein wenig Voraussicht und ein genereller Plan gerade in den schwierigen Phasen des Spiels durchaus von Vorteil sind. Stichwort »größere Gegner«: Von diesen gibt es immer mal wieder welche. Nicht gegen jeden muss man auch direkt in den Kampf treten. Dafür sind diese aber auch oftmals mit besonderen Waffen oder Fähigkeiten ausgestattet und lassen diese nach dem Ableben gerne mal liegen. Ja, auch die Fähigkeiten! (ich lechzte!) Diese können durch das Trinken einer Essenz nämlich in den eigenen Organismus überschrieben werden, was Booker natürlich einiges an Swag verleiht.
Der Cocktail für ein megamäßig gutes Spiel ist also angerichtet. Zudem erscheint mit Elisabeth ein durchaus charmanter Sidekick im Spiel, sodass eigentlich nichts mehr schief gehen kann. Nicht? Doch!
Das Spiel macht grafisch wirklich viel her, ohne Frage. Die Schwächen treten jedoch im ziemlich verhunzten Spieldesign auf. Insgesamt befindet man sich während des gesamten Spiels im viel zitierten Schlauch und hat nur wenige Möglichkeiten, sich mal links und rechts des Spielgeschehens umzusehen. Das allein wäre ja für einen ordentlichen Shooter noch kein Problem. Jedoch hat man es bei Bioshock Infinite komplett versäumt, das eigentliche Spielerlebnis dabei irgendwie komfortabel zu halten. Was, wenn der Spieler im Schlauch nicht nach links oder rechts ausbrechen kann und man die Spielzeit dennoch etwas strecken will? Man schickt ihn einfach in die gleiche Richtung rückwärts zurück.
Ganz ehrlich: Wenn ich in Spielen etwas hasse, dann ist es das zurücklaufen müssen. Alles schon gesehen, hier und da ein paar neue zufällige Gegner gestreut und das war es dann auch mit der Spannung. In Columbia findet man beispielsweise immer mal wieder Türen und Truhen, die verschlossen sind. Was sich dahinter bzw. darin befindet, erschließt sich dem Spieler nur dann, wenn er zu jeder Zeit jede Haarklammer findet (Elisabeth kann mit diesen die entsprechenden Schlösser knacken), weite Strecken im Spiel zurück läuft und die Schlösser dann knackt. Spaß? Nee, komm! Hin und wieder folgt man dem vorgezeichneten Weg auch rein von der Story her in irgendwelche Sackgassen und darf nach erledigter Aufgabe zunächst mal 10 Minuten wieder zurück zum Ursprung laufen. Fast travel? Cut Scenes? Alles wäre schöner gewesen als diese Lauforgien.
Daran wurde nun aber nicht gedacht. Schade. Zudem blieb ich im hitzigen Spielgeschehen auch erschreckend oft an irgendwelchen kleinen Gegenständen hängen, wodurch das eigentliche Feeling eines Shooters völlig abhanden kam. Dies konnte ein Ball, ein Picknickkorb oder einfach eine unsaubere Häuserecke sein, die mir jedes bisschen Flair im Kampf zunichte gemacht hat.
httpv://www.youtube.com/watch?v=8f3XJePYPpo
Zum Ende hin löst sich die okaye Geschichte in ein für mich zu religiös begründetes mindfuckeskes Explosiönchen auf, was aber für mich durch den Namen des Spiels doch alles gar nicht so furchtbar überraschend war. Zurück bleibt ein Gefühl von Unzufriedenheit über das Erlebte, was ich zum Zeitpunkt der Credits auch eher nicht mag. Bei all der Grummelei muss ich aber sagen, dass ich dennoch die Spielzeit von knapp 20 Stunden nicht missen möchte. Das Spiel kann schon was und gehört sicherlich zu den wichtigeren Titeln des Jahres, ohne jede Frage. Für den Titel »Spiel des Jahres« reicht es jedoch überhaupt nicht. Dafür wurde aus der eigentlich großartigen Idee viel zu wenig herausgeholt. Schade drum, aber am Ende bleibt zu viel Leere anstatt Freude. So sitze ich da nun. Die Credits laufen und »Bioshock Infinite« habe ich erfolgreich durchgespielt. Zurück bleibt die Frage, was ich denn da gerade eigentlich genau erlebt habe. Doch fangen wir ganz von vorne an…
Ich liebe dich. BS:I = Luftnummer (no pun intended) des Jahres.
Stimme ich dir zu: war okay aber nicht der Wahnsinn (wie z.B. Bioshock 1).
Und kurz zum Schlauch: ist halt ein Shooter, oder?! Da darf mMn die Story linear ablaufen und mich von Schauplatz zu Schauplatz und von Zwischengegner zu Zwischengegner führen. Was mir gefehlt hat waren entscheidungsmöglichkeiten, a la ich baller mich jetzt linksrum durch oder ich baller mich jetzt rechtsrum durch. Was mich etwas genervt hat war, dass ich in der zweiten Halbzeit des Spiels durch halb Columbia frei laufen konnte und an vielen Ecke ist nichts passiert. 15min Später habe ich plötzlich einen Auftrag bekommen, eine der Ecken wieder zu besuchen und dann ist die voller Action. Dann doch lieber linear oder man gibt mir eine triftigen Grund, warum da plötzlich Action ist obwohl vor 15min noch alles tot war.
Wenn ich einen Shooter haben will, bei dem es darum geht die Welt in der er spielt zu erforschen, dann greife ich lieber auf Fallout oder Borderlands zurück. Da respawnen die Gegner zumindest nach einer gewissen Zeit und amn hat ständig was zum abknallen ;-)
Aber… aber… ach, was solls.
Fabian: Ich liebe dich auch! Luftnummer des Jahres finde ich auch noch zu krass. Das Spiel ist schon okay so wie es ist. Nur der Name “Bioshock” ist dafür mindestens eine Nummer zu groß.
Kamil: Der Schlauch an sich ist ja überhaupt kein Problem. Lieber ein schöner Schlauch, als eine vernachlässigte Open World. Wie du selber schon schreibst: Da fehlte es komplett an Dingen, die um mich herum passierten. Zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, dass mein Handeln einen wirklichen Einfluss auf das Geschehen hat. Nicht sehr ermutigend für ein Videospiel. Da war meine Erwartungshaltung einfach anders..
Doreen: Sprich dich aus. :)