Mal unter uns Pastorentöchtern: Ich stehe ja total auf Comicverfilmungen. Besonders die Marvel-Flicks der letzten zehn Jahre haben es mir angetan (abgesehen von »X-Men Origins: Wolverine«. Brrrr, Leute! Hallo?); »Fantastic Four«, »X-Men«, »Iron Man«… Auch wenn man hier oft merkt, wie schlecht die Filme altern und wie grottig die Dramatik eine Dekade später wirkt, merkt man einen deutlichen Trend, der sich über die Jahre hinweg entwickelt hat: “Düster” ist das neue Schwarz. Eine Mischung aus Pathos, Action und klamaukigen Kalauern flimmert da jüngst über die Filmleinwände der Welt. Leidgeplagte Protagonisten, die mehr unter ihrer Vergangenheit leiden, als unter den aktuellen Avancen eines aufgekratzten antipathischen Halunken, die Weltherrschaft an sich zu reißen oder einfach nur die Erde zu vernichten.
“Make it dark, make it grim, make it tough, but then, for the love of God, tell a joke.” – Joss Whedon
Zwar mögen diese Streifen im Gros unglaublich cool sein – zumindest entsprechend ihrer cineastischen Halbwertszeit – “der” absolute Überfilm blieb bisher allerdings aus. Mein persönlicher Marvel-Favorit »The Avengers« kratze nun lange Zeit am Thron, die trägen ersten 20 Minuten des Films und die puren Story-Elemente im Mittelteil ließen mich allerdings beim zehnten bis 24. Rewatch regelmäßig auf der heimischen Couch ins Land der Träume flüchten. Zugleich sind die Film gewordenen Franchises oft sehr düster und in einer sehr gezwungenen Art und Weise auf die zu erwartende Katharsis zurechtgeschnitten, so dass man während der Introsequenz oft schon den gesamten Streifen vor dem geistigen Auge ablaufen sieht. Schema F to the max. Wie bereits Joss Whedon, Nerdgasm-Mastermind hinter »The Avengers« und »Firefly« – sagte: “Make it dark, make it grim, make it tough, but then, for the love of God, tell a joke.”
“We’re the Guardians of the Galaxy.”
So Recht Whedon mit dieser Aussage auch hat: Wie wäre es also mit etwas frischem Wind? Einfach mal den Spieß rumdrehen? Wie wäre es mit einem Film, der etwas außerhalb der Konventionen agiert und nicht den typischen hünenhaften Helden kredenzt, an dem man sich bereits sattgesehen hat? Einem quietschbunten Feuerwerk aus der Witzekiste, das sich selbst an den wenigsten Stellen ernstnimmt, und das dennoch alle Komponenten liefert, auf die mein zehnjähriges Ich abfährt? Inklusive Raumschiffschlachten, Kampfsequenzen, Explosionen und einem Bösewicht aus der Bösewicht-Wundertüte? Well, Ladies and Gentlemen, ich gebe euch: »Guardians of the Galaxy«.
Peter Quill (Chriss Pratt, kennt man aus »O.C. California«, »Parks and Recreation« und anderen Produktionen. Also der erwachsene Schauspieler. Nicht das Kind. Das kenne ich auch nicht. Ach, lest einfach weiter.) ist acht Jahre alt, als er nach dem Krebstod seiner Mutter von Außerirdischen entführt wird. Nur seinen Rucksack, voll mit Kram, den Kinder der Achtziger auch heute noch lieben, hat er bei sich.
Der mittelschwere interalaktische Kriminelle Yondu (gespielt von unserem zweitliebsten T»he Walking Dead«-Redneck Michael “Merle” Rooker) nimmt sich seiner an und – Schnitt – 26 Jahre später ist Peter (JETZT aber: Chriss Pratt!) ebenfalls ein mehr oder weniger erfolgreicher Dieb-Schrägstrich-Betrüger, der gleich zu Beginn des Films – in einer spektakulären Szene – den “Orb”, eine metallene Kugel stiehlt und auf eigene Faust an einen Zwischenhändler verhökern möchte. Problem an der Sache ist: Der Orb ist selbstverfreilich nicht einfach nur eine Kugel, sondern etwas, hinter dem Bösewicht Ronan (Lee Pace, der erwachsene Schauspieler, kennt man aus »Pushing Daisies« und »Der Hobbit«) und der Bösewicht-Obermotz Thanos ebenfalls her sind.
Während also die giftgrüne Assassine Gamora (Zoe Saldana, die erwachsene Schauspielerin, kennt man aus »Star Trek« und »Avatar«), Tochter von Thanos hinter Peter und dem Orb her sind, heften sich die beiden Kopfgeldjäger Rocket (ein CGI-animierter Waschbär mit einer Schwäche für Schusswaffen, gesprochen von Bradley Cooper, erwachsener Schauspieler, den man einfach kennt) und sein Kumpane Groot (ein sprechener, von Vin Diesel – ich spare euch die Litanei – vertonter Baum) ebenfalls an dessen Fersen. Und weil das noch nicht kompliziert genug ist, werden die bunten Gestalten gemeinsam in ein Gefängnis geworfen, wo sie den mitunter etwas “einfachen” aber dafür umso muskelbepackteren Drax (Dave Bautista, ehemaliger Wrestler, erwachsen) kennenlernen und notgedrungen gemeinsam ihre Flucht planen.
“Ain’t no thing like me, except me!”
Klingt echt verrückt – ist es auch. Den das Team von Antihelden handelt jenseits aller Konventionen um sich zusammenzuraufen und die Welt zu retten. Anders als die Marvel-Kollegen ist »Guardians of the Galaxy« kein Actionfilm mit komödiantischen Avancen, vielmehr eine Komödie mit exzellenter Action. Genau das Gegenteil von dem, was Whedon uns in Abschnitt Nummer zwei dieses Artikels sagte. Regisseur James Gunn hätte wahrscheinlich gesagt: “Make it fun, make it hillarious, but then, for the love of God, blow shit up.” Hat er natürlich nicht, aber er hätte es sagen können! Denn genau so fühlt sich sein Streifen an: Pure Unterhaltung, die den Namen “Popcornkino” mehr als verdient hat. Ohne schleppende Längen, ohne einen tiefgreifenden romantischen Subplot, der vom Wesentlichen ablenkt: Einer wunderbar abstrusen Science-Fiction-Welt, die den Zuschauer sofort in seinen Bann zieht.
Dabei ist die merkwürdige Mischung der Charaktere geradezu dadurch, dass es solch eine Mischung ist, perfekt. Ein gelungenes Zusammenspiel, auch auf schauspielerischer Basis, denn Chris Pratt ist die perfekte Besetzung für die Rolle des Gesetzlosen Quill, der sich selbst (und er ist der einzige, der das tut) “Star-Lord” nennt. Seine Fähigkeit, vom trotteligen Sprücheklopfer von einer Sekunde auf die nächste zum knallharten Superhelden (“Oh, der hat aber trainiert!”) zu wechseln, ist beeindruckend. Aber selbst Sekundärcharaktere und Nebendarsteller fahren hier voll auf und mimen ihre zugewiesen Rollen perfetto (wie der Italiener sagt).
Doch nicht nur von konzeptioneller und visueller Seite her hat »Guardians of the Galaxy« hohe Chancen, mein persönlicher Film des Jahres zu werden, auch die Musik tut ihr Übriges. Ein Mix aus Popmusik der siebziger Jahre begleitet den Protagonisten durch die gesamte Story: »Hooked on a Feeling«, »Spirit in the Sky«, »Moonage Daydream«… Fast hat man das Gefühl, mit GotG solle ein etwas “gesetzteres” Publikum angesprochen werden, das tatsächlich noch etwas mit den Songs anfangen kann, sich vielleicht sogar im mittdreißiger Alter der Hauptfigur befindet. Reif, aber niemals erwachsen. So wie der Film selbst.
Entgegen aller Marvel-Vorgänger zaubert James Gunn, der zuvor “nur” für »Super«, »Slither – Voll auf den Schleim gegangen« und »Movie 43« den Regiestuhl geschwungen hat, zaubert hier ein wahres Meisterwerk der Comicverfilmungen auf die Leinwand. Ursprünglich als Experiment ausgelegt, beweist Marvel, dass es auch anders geht – die bisherigen Einspielergebnisse aus Übersee (der Film startet hierzulande am 28. August 2014) nicken zustimmend. Ich will euch ja nur ungern sagen, was ihr zu tun und zu lassen habt, aber wenn ihr nicht ins Kino geht und den Film (möglichst im englischsprachigen Original) anschaut, komme ich persönlich vorbei und haue euch.
httpv://www.youtube.com/watch?v=crIaEzXgqto
bester film des jahres