Nachdem David sich den Hauptteil des Daedalic Line-Ups auf der gamescom dieses Jahr reingezogen hat, ist es nun an mir, mich mal ein wenig mit »Das Schwarze Auge – Blackguards 2« und »The Whispered World – Silence« zu beschäftigen.
»Das Schwarze Auge – Blackguards 2«
Nachdem ich im März des Jahres »Blackguards« zum einen dafür gelobt hatte, wie cool es die DSA-Lizenz (und vor allem das dreckige Südlande-Setting) umgesetzt hat und zum anderen wegen eines besonders frustgeladenen Momentes fast vor Schluss hätte liegen lassen, wobei ich froh bin es nicht getan zu haben, war ich besonders gespannt auf den zweiten Teil des Taktikrollenspiels. Der setzt nahtlos am Vorgänger an und spielt einmal mehr in und um die Sklaventreiberstadt Mengbilla. Nach den Ereignissen in »Blackguards« hat sich einer der Antagonisten, der Sklavenhändler und Arenabetreiber Marwan, zum Herrscher der Stadt und des gesamten Landstriches aufgeschwungen. Alle Vorsteher der Gilden, die die Stadt regieren, hat er entweder gekauft oder umbringen und durch neue ersetzen lassen, die etwas mehr seinen Vorstellungen entsprechen. Aber was ist mit der Abenteurergruppe passiert, nachdem sie das Zeitalter des Namenlosen verhindert hat? Der Hauptcharakter ist seiner eigenen Wege gegangen und Psychozwerg Naurim, der Schwarzmagier Zurbaran und die anderen streifen ziellos durch die Gegend und verdingen sich als Söldner. Jedenfalls bis eines Tages eine ganze Söldnerarmee anrückt, an deren Spitze eine maskierte junge Frau namens Cassia steht, die die alte Gruppe anheuert, massiv etwas gegen Marwan zu haben scheint und Mengbilla einnehmen will. Cassia ist übrigens der neue Hauptcharakter des Spiels, aber im Gegensatz zu ihrer Rolle in der Geschichte, sind ihre Klasse oder ihre Talente nicht von vornherein vorgegeben. Ihr wollt eine Magierin? Fair enough. Eine Bogenschützin/Schleicherin? Läuft.
Was Kai Fiebing, der Producer von »Blackguards 2« bei Daedalic, während der Präsentation ausdrücklich betont hat, ist der Umstand, dass man sich diesmal wesentlich mehr an die Hardcorespieler richten wolle, obwohl ja der erste Teil schon kein Leichtgewicht war. Allerdings gab es im Vorgänger auch gewisse Kritikpunkte, die jetzt ausgeräumt werden sollen, wie z.B. der Umstand, dass Talente wie Überreden oder Einschüchtern nicht wirklich das gewünschte Gewicht hatten, ebenso wie die Entscheidungen des Spielers im Handlungsverlauf. Diesmal dreht sich alles um die Führung der eigenen Armee durch den Süden Aventuriens, welche Route man wählt und welche Städte man “einnimmt”. Bestimmte Orte auf der Karte bieten Spielern passive Boni für die eigene Truppe, aber während man einige Ort für sich gewinnt, ist der Feind natürlich nicht untätig und verschließt gewisse Routen, die dann auch größtenteils verschlossen bleiben. Nacheinander alles einnehmen und am Ende mit der Überarmee da stehen ist nicht und das verlangt Planung.
Zwischen den Gefechten oder unterwegs bietet sich mitunter auch die Gelegenheit gegnerische Soldaten und dergleichen gefangen zu nehmen und zu verhören und hier kommen die zuvor erwähnten Talente wie Einschüchterung oder Überredungskunst besonders zum Tragen. Manchmal bietet sich die Gelegenheit, einen Geheimeingang in das gegnerische Heerlager zu finden oder aber einer der Gefangenen verrät, dass er und seine Jungs gerade auf der Suche nach einem bestimmten Artefakt waren und wo es zu finden ist. Wenn man sich bis dato allerdings geweigert hat, besagte Redekünste hochzuleveln, rauschen solche Sachen allerdings geradewegs an einem vorbei. Ab davon besteht »Blackguards 2« nach wie vor aus denselben drei Teilen wie das erste Spiel: Es gibt die Übersichtskarte, auf der man hin und her navigiert und das nächste Ziel ansteuert, Städte werden in einer Art statischem “Abenteuerbildschirm” betreten, auf dem die meisten der Dialoge erfolgen, und dann sind da noch die anspruchsvollen Taktikschlachten.
Bis auf das Genannte, gibt es noch keine wirklichen Infos zur Story, aber ein witziges Detail am Rande für alle Pen&Paper-Spieler: Die Story von »Blackguards 2« wird in den festen, fast 30 Jahre alten DSA-Kanon eingehen, genauso wie die Romane und die offiziellen Pen&Paper-Abenteuer. Es soll alles sehr viel nonlinearer werden und solche Momente wie den mit Niam und der Gruftasselkönigin wird es im neuen Teil laut Kai Fiebing nicht geben. Mehr rollenspielerische Tiefe, mehr Freiheit, trotzdem auf bewährtem Aufbauen und sinnvoll verbessern… Von dem was ich gesehen habe, habe ich allen Grund, mich auf das Spiel zu freuen.
httpv://youtu.be/j3j6FTOIEOw
»The Whispered World 2 – Silence«
»Silence« ist eins dieser Spiele, die ich eigentlich gut finden müsste, wo sich aber mein Enthusiasmus irgendwie stark in Grenzen hält. »The Whispered World« war ein sehr gutes Adventure, mitunter wunderschön und trotzdem strotzte es nur so vor Melancholie und einer gewissen Grundtraurigkeit, die mitunter wirklich schwer verdaulich war. Genau das mochte ich damals, denn wer sagt, dass Point-and-Click-Adventures immer fröhlich oder lustig sein müssen, wie seinerzeit die von LucasArts? Der Nachfolger macht exakt dasselbe – es gibt mehr von allem was den Vorgänger ausgemacht hat, einen hübschen Artstyle, 3D-Grafik und die niedliche Raupe Spot feiert auch eine Rückkehr. Warum also mein Argwohn? Weil ich das Gefühl habe, dass es die Entwickler diesmal soviel Melancholie, Jugendtraumata, Anlässe zur Depression und „verlorene Unschuld“ in das Spiel gesteckt haben, dass es auf den ersten Blick fast schon unfreiwillig komisch wirkt.
Sehen wir uns einmal die eigentliche Handlung an: Sadwick, der kleine Harlekin aus dem ersten Teil, lebt jetzt das Leben eines Teenagers namens Noah in der wirklichen Welt und hat eine kleine Schwester namens Renie. Nachdem am Ende des ersten Teils heraus kam, dass Sadwick/Noah eigentlich im Koma lag und ihm die Geschichte der Welt Silence von seinem Vater auf der Bettkante vorgelesen worden ist, sollte eigentlich ein ganz normales Leben angefangen haben. Doch nein! Es herrscht Krieg in der realen Welt und obwohl es (noch) nicht klar thematisiert wird, handelt es sich dabei wohl um den zweiten Weltkrieg. Wie man schon im Trailer zum Spiel sehen kann, rettet Noah seine kleine Schwester vor einem Flugzeugangriff in einen Bunker und danach betreten die beiden die Welt von Silence, um vor der Realität des Krieges zu fliehen, nur um feststellen zu müssen, dass auch in der einst hübschen Märchenwelt Krieg herrscht. Die beiden Geschwister werden voneinander getrennt, Noah schließt sich einer Rebellengruppe gegen die böse Königin an, die das Land inzwischen regiert und die Spieler übernehmen abwechselnd die Rolle von Renie und Noah, um diese wieder zusammen zu führen und zu versuchen, die Dinge wieder ins Reine zu bringen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das Spiel ist immer noch wunderhübsch anzusehen und ich bin mir sicher, dass es auch wieder die eine oder andere zutiefst emotionale Botschaft geben wird, aber… Der zweite Weltkrieg? Seriously? Es gibt ein Phänomen in Filmen, Comics und auch Spielen, das nennt sich „Spectacle Creep“. Das bedeutet, dass mit jeder neuen Iteration eines Filmes etwa alles noch größer, noch gewichtiger, noch dramatischer sein muss, um das Publikum bei Laune zu halten. Wenn etwa Superman im ersten Film einer hypothetischen Trilogie lernt was es heißt ein Held zu sein und ganz klassisch Lex Luthor bekämpft, dann werden die Macher den Drang verspüren, es im zweiten Teil um das Schicksal der Welt gehen zu lassen und im Dritten schließlich um das Universum, weil alles andere plötzlich zu unbedeutend scheinen könnte. Oder zumindest, wenn man sich scheut, die Dinge vielleicht aus einer anderen Richtung anzugehen, neue Probleme aufzuwerfen oder ähnliche, komplexere Herangehensweisen an eine Fortsetzung. So ist es eben auch hier, nur hauptsächlich nicht auf Spektakel und Action bezogen, sondern eher eine Art „Emotional/Sadness/Melancholy Creep“. Wo es im ersten Teil noch um einen kleinen Jungen ging, der sich irgendwann zwischen Realität und angenehmer Fiktion entscheiden und zu sich selbst finden musste, wo alles sehr mit Symbolik gearbeitet hat, geht es hier um… eben Kinder im zweiten Weltkrieg. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen, dass es mich nicht wundern würde, wenn das kleine Mädchen im roten Mantel aus »Schindler’s Liste« einen Gastauftritt hätte, samt übermäßig trauriger Violinenmusik, die nicht nur auf die Tränendrüsen des Publikums drücken, sondern sie regelrecht zerquetschen soll. Renie ist so niedlich und ausnehmend gut, dass sie die wandelnde Verkörperung des Kindchenschemas ist und Noah/Sadwick ist der klassische „früh-reife Teenager, den eine grausame Welt viel zu früh aus der Kindheit reißt und zum Erwachsenwerden zwingt und der aufpassen muss, nicht zum Zyniker zu werden“. Every single coming of age story ever, anyone? Wäre »Silence« ein Film, würde ich es Oscar-Bait nennen, aber Deutscher-Computerspielpreis-Köder hat leider nicht denselben Klang. Und bevor jetzt jemand in die Kommentare schreibt, dass man so etwas wie den zweiten Weltkrieg auf keinen Fall trivialisieren sollte, dass ich überhaupt keine Vorstellung von all den sehr realen Grausamkeiten habe und dass ich gerade als Deutscher meine Klappe viel zu weit aufreiße, dann sage ich: Ja, stimmt, völlig richtig. Bis auf den letzten Punkt. Warum? Weil es mittlerweile so viele Filme, Bücher und Spiele zu dem Thema gibt – dass streckenweise sogar nur für stumpfes Geballer herhalten muss, das genauso gut mit SciFi-Hintergrund auskäme – dass es langsam so überreizt ist, wie woanders Zombies. Sich mit so einer Materie auseinander zu setzen – wirklich auf einer erwachsenen Ebene auseinander zu setzen – ist eine Sache. Hier aber habe ich das Gefühl, dass man das ganze nur eingebaut hat, weil man ein ganz besonders trauriges Grundmotiv brauchte und den „Spectacle/Sadness Creep“ befriedigen wollte. Und was ist schon trauriger, als ein kleiner Junge und ein noch kleineres Mädchen im Krieg?
httpv://youtu.be/nGFmXR0Rlw0
Vielleicht irre ich mich ja auch komplett. Das ist nun einmal der Charakter einer Preview: Nichts steht fest, alles kann passieren, es geht um erste Eindrücke. Ich habe zum Beispiel keinerlei Zweifel daran, dass »Silence« spielerisch sinnvoll, clever und anspruchsvoll wird, denn hey, es ist Daedalic. Es wird mehr kontextbasiert, geht mehr um Dialoge und die Rätsel benötigen kein klassisches, puzzlebasiertes Inventar mehr, wie etwa im ersten Teil. Aber was ich WIRKLICH hoffe ist, dass meine Spidey-Sinne sich umsonst wegen der Hintergrundstory bemerkbar gemacht haben. Daedalic haben, zumindest mich, auch storytechnisch nie enttäuscht und deswegen haben sie kannisterweise guten Willen bei mir gut. Das Studio hat seinen internationalen Ruf nicht umsonst! Ich hoffe nur, dass der zweite Teil von »The Whispered World« nicht das erste Spiel von den Leuten aus Hamburg wird, das das fertig bringt. Ich werde den Titel auf jeden Fall mal im Auge behalten.