Eins meiner kleinen Highlights einer jeden gamescom ist der Besuch bei Ubisoft, die mit beruhigender Regelmäßigkeit jedes Jahr (mindestens) einen neuen Teil ihrer »Assassin’s-Creed-Reihe« vorstellen. Ob man den jährlichen Rhythmus gutheißt oder nicht, darüber kann man sich natürlich streiten. Auch darüber, wie gut oder doof man die immer unwichtiger werdende Rahmenhandlung in der Gegenwart findet. Ich bin immer zwiegespalten. Wenn man etwas mag, will man natürlich immer mehr, immer neues. Wenn aber die Qualität darunter leidet, will man den Entwickler packen, schütteln und ihm “Lass dir doch bitte mal wieder 2 Jahre Zeit, um was richtig geiles, neues zu machen!” zurufen.
»Assassin’s Creed Syndicate« bietet nicht viel neues. Die größte Neuerung ist wohl, dass man mit Evie nun eine weibliche Figur spielen kann, das sollte 2015 aber kaum mehr eine Randnotiz wert sein. Auch gibt es wieder ein paar neue Waffen, aber das aufzuzählen erspare ich mir und euch, der kurze Abschnitt, den ich spielte, zeigte da auch nicht genug für.
Meine Mission führte mich direkt in den Tower of London, wo einerseits eine geheimnisvolle Shroud versteckt sein soll und andererseits schon die bösen Templer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Als Evie kämpfe ich mich – oder besser “steahlte ich mich” – in den Tower, um das Geheimnis dieser Schroud zu lüften und die Templer-Dame zu töten. Hier sind mir direkt viele Besonderheiten aufgefallen, nicht nur die, dass ich eine Frau steuere. (Merkt man nicht und macht von hinten mit Kapuze auch keinen Unterschied. Von wegen “wir können keine Frauen animieren”)
Im Spiel kann man ständig zwischen den beiden Geschwistern wechseln, sagt man mir. Manche Missionen, so wie diese hier, sind aber speziell auf eine der beiden Figuren zugeschnitten und verbieten den Wechsel. Beide haben ihre eigenen Stärken und Schwächen, Evies Stärke ist sicher ihre Fähigkeit, sich jederzeit – auch ohne Bank oder Gebüsch – quasi unsichtbar zu machen. Ob das dem Gameplay mehr schadet als nutzt bleibt abzuwarten. Beim Start einer Mission hat man die freie Wahl, wie man diese angehen möchte. Wie auch in »Unity« (Review) gibt es verschiedene Hilfen, die man nutzen kann, wenn man möchte. Kleine Nebenmissionen in der Mission, die die Hauptaufgabe erleichtern. Einen Schlüssel klauen, eine spezielle Wache töten, einer bestimmten Person einen Gefallen tun, damit sie wiederum etwas für einen tut. Diese Nebenmissionen sind kategorisiert danach, ob sie z.B. mehr Stealth oder mehr Hau-drauf sind. Als Stealth-Liebhaber denke ich, »Assassin’s Creed Syndicate« könnte das bislang beste Assassin’s Creed werden. Für mich. Vom Gameplay her. Die Story – ich weiß nicht. Man soll etwas finden, tötet einen Templer, im Sterben sagt der sowas wie “Haha, ich verrate dir nie, wozu dieses geheime Etwas nützlich ist, aber wir Templer wollen es haben!”. Dann beginnt die Jagd, das wirkt nicht sehr tiefgründig, das klingt vielmehr nach einem klassischem MacGuffin und das genau stört mich an Assassin’s Creed, seit die Desmond-Story vorbei ist. Es gibt keine richtige Geschichte mehr, der Spieler hat keine sinnvolle Motivation. Man läuft rum und tötet Leute. Weil halt. Und so. Für mich fehlt da was. Aber ansonsten sah es (Ubisoft kann auch 2015 noch immer keine Haare!) gut aus, der Enterhaken beschleunigt vieles nervige Geklettere, neue Features wie “unsichtbar werden” (sort of) oder die neuen Waffen machen »Assassin’s Creed Syndicate« für mich als Fan interessant genug und überhaupt liebe ich London, schon alleine dafür lohnt es sich. Im Grunde ist die Stadt ja immer eine Art Hauptdarsteller bei Assassin’s Creed gewesen. Ich habe Brotherhood geliebt, weil ich Rom liebe. Ich werde Syndicate lieben, weil ich London liebe. Für manche wird das nicht genug sein, das ist schade, aber verständlich. Ich werde Syndicate natürlich spielen, aber die Hoffnung, richtig vom Hocker gerissen zu werden, die habe ich nicht mehr. Na los, Ubisoft, traut euch doch mal wieder was, überrascht uns, ruht euch nicht auf euren Fans aus. Klar sind Spiele mit einem so hohem Budget ein großes Risiko, das man als Studio gering halten möchte, indem man auf bewährtes setzt, statt neues zu versuchen. Irgendwann sind aber dann doch alle interessanten Städte und Epochen durch, die möglich sind, spätestens dann braucht Assassin’s Creed wieder eine richtige Innovation.
»Assassin’s Creed Syndicate« erscheint am 23. Oktober für PS4 und Xbox One, irgendwann im Herbst dann auch für PC.