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Assassin’s Creed Chronicles: China

Komplett an mir vorbeigegangen war, dass Ubisoft ein 2D-Sidescrolling-Assassin’s-Creed geplant hatten. Das ging vermutlich vielen so. Als »Assassin’s Creed Chronicles: China« plötzlich erschien, kaufte ich es direkt blind, für die 10 Euro würde es auch nicht weh tun, wenn es Mist wäre.

Was dann tatsächlich Mist war, war die Story. Oder eher »Story«. In Anführungszeichen. Assassinin Shao Jun (ausgebildet von Ezio Editore da Firenze höchstpersönlich!) ist eine der letzten Assassinen im China des 16. Jahrhunderts, alle wurden von den Templern ausgelöscht. In »Assassin’s Creed Chronicles: China« geht es um Rache und um die Wiederbeschaffung einer mysteriösen Box, die nichts weiter als ein bedeutungsloser MacGuffin bleibt.

Shao Jun schleicht sich also durch zwölf teils sehr unterschiedliche Level, um den Oberbösewicht zu killen und das Kästchen zurück zu holen. Klingt doof, ist auch doof, macht aber kaum was, denn mit Shao Jun an den zahlreichen, wachsamen chinesischen Schergen vorbei zu schleichen, sie mit Pfiffen und Lärmpfeilen abzulenken, von einem Versteck zum nächsten zu hechten – das macht mächtig viel Spaß, auch ohne Story.

»Assassin’s Creed Chronicles: China« ist in 2.5D gehalten, das heißt, wir blicken seitlich auf das Geschehen und alles in einer Ebene ist zweidimensional, aber es gibt mehrere Ebenen, zwischen denen man wechseln kann. Wenn ein Gegner vor unserer Assassinin steht, ist dran vorbei laufen keine Option, weil sich beide in einer zweidimensionalen Ebene befinden. Öfters wird jedoch mit dieser Zweidimensionalität gebrochen, meist, wenn es um versteckte Schleichwege geht. Hier kann Shao Jun dann an Abhängen an Gegnern vorbei klettern, in Keller oder in Fenster springen oder aber auch komplett die Ebene in den Vorder- oder Hintergrund wechseln. Das geht aber nur an vorgegebenen Punkten.

Es gibt zwar drei Möglichkeiten, »Assassin’s Creed Chronicles: China« zu spielen – Assassin, Ghost und Warrior – ansonsten gibt es nicht viele Freiheiten und besonders im Stealth-Mode (Ghost) gibt es in den meisten Fällen nur eine einzige Möglichkeit, ungesehen an den Gegnern vorbei zu kommen. Das kann mitunter recht frustrierend sein und Nerven kosten, schlimmer sind nur die Zeit-Level, in denen Shao Jun beispielsweise von Flammen verfolgt wird und wo jedes Innehalten den sofortigen Tod – pardon – das sofortige Desychronisieren bedeutet und man eigentlich nur auswendig lernen muss, an welcher Stelle man abspringen muss und hinter welcher Ecke ein Gegner kommen wird, den man, über den Boden schliddernd, aufschlitzen muss. Dennoch fühlt man sich herausgefordert und versucht es immer und immer wieder. Level geschafft, aber nicht mit perfekter Punktzahl, weil mittendrin entdeckt worden oder eine Animus-Scherbe vergessen haben? Noch mal versuchen. Zu guter letzt gibt es gleich zwei New-Game-Plus-Modi. Einen, bei dem man von Anfang an alle im Spiel gesammelten Fähigkeiten besitzt und ein weiterer, wo die Gegner zusätzlich besonders wachsam und widerstandsfähig sind. Dass man nicht genug für sein Geld bekäme, kann man hier beim besten Willen nicht behaupten, selbst wenn Walkthroughs vermuten lassen, man habe »Assassin’s Creed Chronicles: China« in 3-4 Stunden durchgespielt. Hat man, aber nicht beim ersten Versuch, der Weg dorthin ist mit vielen Toden gepflastert. Das perfekte Stealth-Spiel ist beim ersten Versuch schier unmöglich, an manchen Stellen muss man sich entscheiden: Collectible einsammeln oder unbemerkt bleiben. Beides geht nicht. Einen kleinen Trick für die Ungeduldigen gibt es aber: wenn ihr laut schreiend und mordend das Collectible einsammelt und euch dann im selben Abschnitt noch ermorden lasst, könnt ihr den Abschnitt erneut spielen, habt das Sammelobjekt und wieder eine weiße Weste. So muss man zwar die einzelnen Abschnitte manchmal doppelt spielen, aber nicht direkt das komplette Level.

»Assassin’s Creed Chronicles: China« hat Spaß gemacht und wird mir auch weiterhin Spaß machen. Ich bin zwar durch, hab aber nicht alles als »Ghost« geschafft und auch nicht alles eingesammelt. Gibt es eine bessere Bewertung für ein Spiel als den dringenden Wunsch, das Spiel erneut spielen zu wollen? Wohl kaum.
Was absoluter Unsinn war, war die Story, die zwischendurch in Cutscenes erzählt wurde. Man hat ein paar Leute abgemurkst und es kam auch mal ein chinesischer Kaiser, Mongolen und ein Angriff auf die chinesische Mauer vor; irgendwas mit Templern, Assassinen und Kästchen. Ich weiß es nicht und wenn ich mir andere Reviews durchlese, weiß es anscheinend niemand, die Geschichte hätte man ebenso gut weglassen können, das hätte dem Spiel nicht geschadet, im Gegenteil. Trotz der mauen Story und der kleinen Frustmomente, die größtenteils der Steuerung geschuldet sind, die besonders in Kämpfen keinen Spaß macht (spielt es bloß auf Stealth, kämpfen ist extrem umständlich und Shao Jun stirbt schneller, als man »Assassin’s Creed Chronicles« sagen kann) haben wir hier einen vollwertigen, aber dennoch komplett eigenständigen, Assassin’s-Creed-Titel, an dem für 10 Euro kein Fan vorbei gehen sollte. Schade ist nur, dass der erste Ausflug nach China für die Gesamtgeschichte kaum interessant war, vielleicht wird sich das ja mit den kommenden Teilen – »India« und »Russia« – ändern, die beide noch dieses Jahr erscheinen sollen. Oder wir erleben Shao Jun später in einem »richtigen« Assassin’s Creed, Potential für die Figur und vor allem für China als Handlungsort ist definitiv genug da.

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