Es ist schon erstaunlich, wie sich der Konsum von Videospielen mit der Zeit verändert hat. Erst kürzlich wurde ich von jemandem, den ich im Playstation Network beim FIFA online spielen kennengelernt hatte, gefragt, wie ich es denn schaffen würde nebenbei auch noch Spiele wie Fallout: New Vegas und Gran Turismo 5 zu spielen. Das wären ja ganz andere Genres.
Diese Frage brachte mich zum Nachdenken. Hat man jetzt schon als Nicht-Pro-Gamer die moralische Verpflichtung einem einzigen Genre treu zu bleiben? Oder habe ich einfach zu viel Zeit? Letzteres kann ich mit (neidischem) Blick auf die Fortschritte meiner Bekannten und Kollegen in benannten Spielen deutlich verneinen. Aktuell bin ich schon froh, wenn ich abends mal mehr als eine Stunde in einem Spiel verbringen kann.
Wie war das denn noch gleich früher? Früher waren Videospiele doch irgendwie weitaus weniger stressig, oder? An die Zeit als ich in meinem Zimmer nichts anderes als meinen Amiga und meinen winzigen Fernseher brauchte, kann ich mich noch ziemlich gut erinnern. Da wurde jedes Spiel verschlungen, wenn man es nur irgendwie in die Hände bekam. Irgendwelche Genres für sich kategorisch auszuschließen grenzte schon förmlich an Blasphemie.
Wenn man sich mit mindestens einem weiteren Freund zum Spielen verabredet hatte, wurde in Rekordgeschwindigkeit alles Mögliche durchrotiert: Erst prügeln, dann fahren, gefolgt von ein paar Schwertkampf Beleidigungen, dem Kauf neuer verbesserter Körperteile, etwas Sport und Strategie und zum Herunterkommen eine aktuelle Wirtschaftssimulation. Das ganze Wohlfühlpaket quer durch die Spielindustrie in [INSERT PARENTAL VIDEO GAME TIME HERE] Stunden. Natürlich hatte man weder damals noch heute jemals das Gefühl, wirklich ausreichend genug gespielt zu haben.
Der heutige Markt an konsumwilligen Spielern ist für die Hersteller sicherlich nicht einfacher geworden – dafür aber ungleich lukrativer. Die erste zahlenmäßig große Generation der Videospielkonsumenten ist erwachsen geworden und investiert verdientes Geld in die Branche, und kommende Generationen werden das gleiche tun. Der für mich größte Unterschied zu früher: Während man früher sogar Werbespiele eines großen Salami-Snack-Herstellers mit Freude in sich aufgesogen hat, ist man heute nahezu resistent gegen Werbeaktionen und weiß unter einer wahren Flut von Hochglanztiteln gar nicht mehr, was man eigentlich zuerst spielen mag. Die sogenannten Alles-Spieler sterben nach und nach aus. Es müssen Marktforschungen betrieben werden, welches Genre den größten Bedarf nach einem neuen Referenztitel hat und überhaupt muss alles irgendwie Casual sein um Neulinge neben Veteranen an einem Spiel sitzen zu haben.
Damals war ein Titel erst mal ein zu bewältigender Titel. Musste man etwas mehr Aufwand betreiben, um diesen durchzuspielen, hat man das halt auf sich genommen. Und wenn ein halber Regenwald in Papierform mit Spielskizzen herhalten musste, um noch so verzwickte Rätsel zu lösen, war das halt so. Man hat sich arrangiert. Genauso wie mit Fehlern im Spiel: Ich erinnere mich an einen Platformer, bei dem ich an einer Stelle nicht weiter kam, weil die Berührung eines bestimmten Punktes im Spiel einen Absturz zur Folge hatte. Habe ich mich aufgeregt? Klar! Habe ich das Spiel trotzdem gespielt? Mehrfach! Heute führt der erste Weg bei einem ungenauen Pixel in einer Wandtextur zu unglaublich viel Traffic im zugehörigen Supportforum.
Das größte Achievement in einem früheren 256-Farben-Spiel war es, seinen Freunden stolz als Erster zu berichten, wie man den eigentlich unbezwingbaren Endboss doch noch ins Jenseits befördert hat. 5 Minuten Ruhm auf dem Schulhof und einmal der Held vom Erdbeerfeld sein: Mehr wollte doch niemand. Heutzutage vergleicht man sich sofort mit 50.000 anderen Spielern weltweit und verzweifelt nahezu am unbestreitbaren Können anderer.
Das mag jetzt zum Abschluss alles nach Wut oder Jammerei klingen, doch so ist es mitnichten gemeint. Alle Zeiten hatten ihre Stärken und Schwächen und missen möchte ich nicht eine einzige Erfahrung. Die Kultur der Videospiele ist eine noch junge, welche sich wie jede andere Kultur auch weiterentwickeln wird. Irgendwann wird die Zeit der Spiele-Rentner anbrechen und Sätze wie Als ich noch ein junger Mann war, habe ich im großen Battlefield noch richtige Kriege erlebt. werden fallen.
Ich bin dabei!