Henry, Anfang 40, muss einfach mal raus, braucht einen Tapetenwechsel. Den Grund dafür zu nennen, würde zu viel vom schönen Intro von »Firewatch« vorweg nehmen und wirklich wichtig ist es auch gar nicht. Für die Story wichtig ist eigentlich nur, dass Henry, ein Stadtmensch, spontan einen Sommerjob im Shoshone National Forest aufnimmt, um in der heißen Jahreszeit Feuer zu melden. Zu diesem Zweck wohnt er in einem ihm zugewiesenen Turm, einziger Kontakt ist seine Vorgesetzte Delilah, die ebenfalls einen Turm bemannt und mit ihm via Walkie Talkie spricht. Getroffen haben sich die beiden nicht, eine tiefe Schlucht trennt die jeweiligen Gebiete.
Henrys erster Tag verspricht direkt mehr Aufregung, als er sich hier erhofft hatte. Erst muss er zwei Mädels, die nackt im See baden, die Feuerwerksraketen wegnehmen. Und später begegnet ihm eine seltsame Gestalt in der Nähe seines Turms, den er zu guter Letzt noch verwüstet vorfindet. Da Henry und Delilah nicht viel zu tun haben – selbst wenn ein Feuer ausbräche, müssten sie es nur melden und beobachten – nutzen sie die freie Zeit, den Ereignissen auf den Grund zu gehen.
»Firewatch« sieht einfach so toll aus, dass ich zahllose Male inne halten und einen Screenshot machen musste
Es wäre übertrieben zu sagen, dass ab dem Zeitpunkt alles total mysteriös wäre. »Firewatch« ist kein solches Spiel. Auch im weiteren Spielverlauf steht die Natur, stehen die malerischen Hintergründe im Zentrum des Spielgeschehens. Diese waren tatsächlich auch der Hauptgrund, weshalb ich mir das Spiel geholt habe und da bin ich voll auf meine Kosten gekommen. »Firewatch« sieht einfach toll aus, so toll, dass ich zahllose Male (gelogen, es waren genau 93) inne halten und einen Screenshot machen musste. Trotzdem gibt es natürlich eine Story, die uns voran treibt, die Henry jeden Tag aus seinem Turm in die Wildnis wandern lässt. Damit die Wanderungen nicht so langweilig werden, gibt es immer mal wieder was zu entdecken, man kann Caches finden, in denen andere Ranger Karten, Notizen und sonstige Dinge verstaut haben, es gibt Höhlen, verlassene Pfadfinder-Camps und ganz, ganz selten sogar mal ein Tier zu sehen. Und wenn die Stille unerträglich wird, hat Delilah bestimmt wieder irgendetwas zu erzählen oder gibt uns einen Auftrag, den wir gewissenhaft befolgen.
Von vielen Seiten wurde »Firewatch« über alle Maße gelobt. Es sieht großartig aus, die Dialoge sind toll geschrieben und ebensogut eingesprochen und obwohl es keine wirklichen spielerischen Herausforderungen gibt, wird »Firewatch« nie langweilig. Oder nur dann, wenn man sich mal verlaufen hat. Das kommt selten vor, da Henry sich eigentlich nicht wirklich frei bewegen kann und die schönen Hintergründe und die Natur nur davon ablenken wollen, dass wir uns hier in einem sehr linearen Spiel befinden. Gestrüpp oder kniehohe Steine stellen oft eine nicht direkt offensichtliche Begrenzung dar, die Henry auf seinem festen Weg hält. Verlaufen kann man sich auf den Wegen aber schon, da Henry nur eine schnöde Karte aus Papier und einen Kompass hat, der Luxus einer Minimap oder Richtungsanzeige ist Henry und somit auch uns nicht gegönnt. Die Linearität kann man kritisieren, den Spielspaß mindert es kaum und meist fällt es einem gar nicht auf. Ein schwerwiegender Kritikpunkt ist die oft unlesbare Schrift. Dazu muss man erwähnen, dass neben “laufen” die Aktion “mit Delilah sprechen” den Hauptteil des Spiels ausmacht. Entweder funkt sie einen an oder man findet einen Gegenstand oder Ort, der die Gesprächsfunktion triggert. (Es ist übrigens nicht möglich, Delilah direkt anzufunken, wenn einem die Stille in der Wildnis zu viel wird. Gesprochen wird nur, wenn die Story es vorsieht.) Man hört, was beide sagen, ist man des Englischen mächtig, ist das also kein Problem. Allerdings muss oft – bei ablaufender Zeit – geantwortet werden. Da kommt einem die weiße Schrift auf oftmals knallgelbem Hintergrund eher ungelegen und das passiert wirklich häufig. Die Zeit läuft runter und man versucht mühsam, die drei Antwort-Optionen zu entziffern. Das hätte jedem Tester sofort auffallen müssen, deshalb könnte man eine Absicht dahinter vermuten, ein Grund dafür mag mir aber nicht einfallen.
Doch noch mal zur Story: den Mystery-Plot fand ich, so wie er präsentiert wurde, unnötig. Zu Beginn fand ich ihn großartig, hatte alle möglichen LOST-Gefühle oder zumindest Erwartungen. Am Ende war er mir zu unausgegoren, zu simpel. Vielleicht war er mir einfach zu realistisch, trotz allem hätte es mir gereicht, wenn das gesamte Spiel nur aus Henry, Delilah, der Natur und der daraus entstehenden Dynamik bestanden hätte. Henry und Delilah funktionieren zusammen einfach perfekt und jede Ablenkung von den beiden habe ich fast als Störung empfunden. Ich hätte noch stundenlang mit Henry die Natur erkunden oder nachts Feuer beobachten und dabei unbeholfen mit Delilah flirten können. Umherlaufen, Notizen und Details der Ranger von vergangenen Sommern sammeln, die unbekannte Natur erkunden, die ganzen Easter Eggs entdecken – darauf werde ich mich in meinem zweiten Durchlauf konzentrieren. Sofern Delilah mich lässt.
Mal schauen ob ich mir das Game noch hole… Irgend wie lese ich nicht so viel Positives darüber… aber Es würde mcih schon mal Reizen das Game mal zu Zocken :D
Hey Oli,
mir ging es ähnlich. Ich hab sogar – was ich sonst nie mache – ein Let’s Play geschaut. Nach 2 Folgen habe ich abgebrochen und beschlossen, dass ich Firewatch unbedingt selbst spielen muss. Ich hab es nicht bereut. Man bekommt vielleicht nicht viel Spielzeit fürs Geld, aber das kümmert mich in der Regel nicht.
Dieser Beitrag hat mich vor ein paar Wochen überzeugt das Spiel zu holen. Ich finde das Spiel einfach nur super.
Sehr schön geschriebene Review! Ich kenne das Spiel noch nicht, aber so wie Du es beschreibst interessiert es mich. Aufgaben lösen ist eine Sache, aber ich kann mich auch ganz wunderbar einfach in Spielwelten verlieren. Und Firewatch scheint sich ebenfalls dafür zu eignen. Die Screenshots jedenfalls sprechen mich sehr an. Werde es mir anschauen… Danke David!
Ich hab es auch nur geholt, weil es schön aussah :) Tief im Herzen bin ich ja Casual Gamer, einfach nur rumlaufen, gucken, keine Hektik, nicht sterben können – ein Traum.
Dieses Spiel ist einfach so liebevoll und genial!
Ich habe mir vor ein paar Monaten ein Gameplay von PewDiePie angesehen..
Es packt dich einfach so sehr und ist so liebevoll und charmant gestaltet!
Sehr sehr geiles Spiel.
Sollte es mal im Angebot sein, werde ich es mir bestimmt kaufen :)