Der Hype vor dem vermeintlichen Spiel des Jahrzehnts war groß. Als Deus Ex: Human Revolution dann schließlich erschien, ebbte dieser Hype erstaunlich schnell wieder ab. Dann kam der DLC Deus Ex: The Missing Link und irgendwie interessierte es niemanden in meinem Umfeld. Ob das nur am Preis von sage und schreibe 1200 Microsoft Points/15 Euro liegt? Oder kauft überhaupt jemand Spiel-Erweiterungen für eine Summe, für die man zum Beispiel ein gesamtes Spiel wie Portal kaufen kann? Zugegriffen haben scheinbar nur wenige, sonst hätte man in der Blogosphäre mal was zu The Missing Link gelesen.
The Missing Link erzählt eine Geschichte, die eigentlich niemanden interessiert, denn das Hauptspiel Deus Ex: Human Revolution hatte keinerlei Story-Lücken und warf niemals die Frage auf, ob der Spieler irgendwo auch nur das kleinste bisschen Geschichte verpasst haben könnte. Simpel: Adam Jensen stieg an einer Stelle in eine Stasis-Kapsel und an einer anderen wieder aus. Fehlte irgendwas? Hat man als Spieler das dringende Bedürfnis, die Ereignisse der Tage dazwischen zu erfahren? Nö, denn die Story sagt, Jensen sei in Stase gewesen, habe geschlafen wie ein Murmeltier und sei glücklich wieder erwacht. Jetzt kommt der DLC daher und will uns erzählen, dass da doch ganz viel passiert sei – was doof ist, denn so wirkt die Story, als sei sie mit dem Hammer irgendwo zwischen geklopft worden.
Und nicht nur die Story wirkt so: der DLC versucht gar nicht erst, sich ins restliche Spiel zu integrieren. Das fängt damit an, dass der DLC zwar einen Teil der Story erzählt, der kurz vor Schluss vorkommt, im Hauptspiel aber gar nicht spielbar ist. Wenn ich mir heute den DLC lade und morgen das Game von vorne beginne, kommt der DLC-Teil nicht im Spiel vor. Stattdessen wählt man ihn aus dem Menü und startet dort einen neuen Spielstand. Das ist besonders ungünstig bei einem Spiel wie Deus Ex, wo der Spieler das Gefühl haben soll, jede Entscheidung beeinflusse das Spiel. Beim DLC startet jeder mit dem gleichen Adam Jensen. Keine Augs, keine Waffen, alles weg. Factory Zero. Werkseinstellung.
Das wird damit erklärt, dass Jensen auf dem Schiff, auf dem seine Kapsel war, entdeckt und gefangen genommen wurde – natürlich wurde ihm alles abgenommen. Die erste Aufgabe ist also, die beschlagnahmten Waffen und Augs wieder zu beschaffen. Schön und gut, aber das passt hinten und vorne nicht. Da liegen zwar ein paar Praxis-Kits, aber damit kann ich den Jensen, wie ich ihn vor Eintritt in die Stasiskapsel hatte, nicht “nachbauen”. Wie ist das erklärt? Jensen geht mit voll augmentierten Beinen in die Kapsel, kommt mit voll augmentierten Beinen raus, dazwischen sind seine Beine nicht augmentiert, weil ich für den DLC lieber die Hacking-Skills aufleveln wollte?
Und dann liegen da neben den Praxis-Kits auch ein paar Waffen, die Jensen abgenommen wurden. Meinem Jensen konnte man keine Stun-Gun abnehmen, mein Jensen war ein Long-Range-Betäubgungsgewehr-Guy. Dennoch liegt da eine Stun-Gun und sonst nix. Das Ding habe ich noch nie benutzt, warum sollte ich jetzt damit anfangen? Und meine Praxis-Kits reichen niemals, um sowohl Hacken, Schleichen als auch noch das Unsichtbar-Dingens zu augmentieren, obwohl ich all das hatte, als ich mich in die Kapsel legte.
Auch wenn der Begriff das nicht beinhaltet, ist für mich ein DLC immer eine Erweiterung, ein Zusatzcontent. Deus Ex: The Missing Link ist eher ein eigenes Spiel, das man spielen kann ohne DX:HR je angerührt zu haben. Und genau da macht The Missing Link auch wieder vieles richtig. Für 15 Euro bekommt man mindestens 5 Stunden Content, der in sich geschlossen eine interessante Story erzählt, auch wenn sie für die Rahmenhandlung des Hauptspiels nahezu irrelevant ist. Man startet ohne Fähigkeiten, kann upgraden, erfährt von Verschwörungstheorien, lernt Menschen kennen, erlebt den Verlust dieser Menschen, rettet andere und besiegt zum Schluss einen Endgegner; das volle Paket.
Und wer richtig viel aus The Missing Link rausholen will, nimmt sich das Factory Zero-Achievement als ultimative Challenge vor: den gesamten DLC spielen, ohne eine (Betäubungs-)Waffe abzufeuern, ohne eine Granate zu werfen und ohne eine Augmentierung upgraden zu dürfen. Keine Augmentierungen nutzen zu dürfen widerspricht zwar komplett der Grundidee von Deus Ex, fügt dem ganzen aber eine riesige Herausforderung hinzu, die auch die Spielzeit enorm in die Höhe treibt. Wenn man dann aber die Gefangenen vor dem tödlichen Neurotoxin gerettet hat, den Whistleblower sicher von der Station eskortiert hat, an sämtlichen Turrets und Mechs vorbei geschlichen ist und den Endboss per Sneakattack ins Reich der Träume befördert hat, stellt sich ein ungemein befriedigendes Gefühl ein, begleitet von der unvermeidlichen Frage: warum war das ganze Spiel nicht so?
Auch wenn die Endgegner im Hauptspiel auf der höchsten Schwierigkeitsstufe letztendlich doch lächerlich einfach waren, sobald man denn die Taifun-Augmentierung hatte, die man als Stealth-Spieler eigentlich nie upgraden wollte; den Zwang, jeden Endboss im offenen Kampf begegnen zu müssen, hat doch jeder als massiven Stilbruch empfunden. Dass es im DLC besser gemacht wurde, ist nur ein schwacher Trost, vielmehr fällt dadurch noch stärker auf, wie falsch die Endkämpfe im Hauptspiel wirken. Allerdings handelte es sich bei diesen Bosskämpfen glücklicherweise nur um unbalancierte Ausnahmen, und nach anfänglichen Schwierigkeiten fand ich DX:HR dann doch ziemlich gut. Und wenn man den DLC als separates Spiel und weniger als DLC betrachtet, lohnen sich die zusätzlichen Stunden mit Adam Jensen eben doch.