Was macht ein Spiel “gut”? Die Länge? Die Grafik? Die Story? Eine Kombination aus allem? Oder etwas ganz anderes?
Das sind Fragen, die seit dem Release von »The Order: 1886« vermehrt in meiner Social-Media-Bubble von vermeintlichen Experten beantwortet werden wollten und wurden. Was dabei in den seltensten Fällen beachtet wurde: Ein Spiel kann nicht “gut” sein. Zumindest nicht als allgemeingültiger Fakt. Genau, wie ein Spiel nicht grundlegend “schlecht” sein kann. Auch wenn ein Titel keine kreative Meisterleistung ist und Mechaniken aus dem letzten Jahrtausend liefert, wird es dennoch Menschen geben, die große Fans dieser Sache werden. Ich spreche das aus eigener Erfahrung. Hauptkritikpunkt der Infragestellung ist die Spielzeitlänge von »The Order: 1886«. Mit ungefähr fünf Stunden Brutto- und 1.5 Stunden Nettospielzeit ist das Spielerlebnis tatsächlich etwas knapp bemessen aber alleinstehend noch lange kein Grund, zu meckern. Ich möchte diesen Faktor erst wieder herauskramen, wenn ich mit der restlichen Besprechung durch bin, aber keine Sorge – ich komme noch darauf zurück.
Mit Schirm, Charme und Mustache
Im Mittelpunkt der Geschehnisse im PS4-Exklusivtitel der Kalifornier Ready at Dawn, steht Sir Galahad. Ein Ritter der Tafelrunde, der im neo-viktorianischen London des späten 19. Jahrhunderts mit Flinte und prächtigem Schnauzbart Jagd auf Werwölfe macht. Klingt nicht sonderlich spannend und verleitet in erster Instanz auch eher nicht zum Spielen-Wollen. Und wenn man ehrlich ist, ändert sich auch später nichts daran. Die Story ist so blöd, die schwimmt sogar in Milch. Daran können auch die späteren Twists aus der Plot-Wundertüte nichts ändern. Zwar schimmern an wenigen Stellen ein oder zwei gute Ideen durch, die das Ruder schlagartig hätten herumreißen können, grundsätzlich bleibt die Spannung aber auf Halbmast und der Spieler wird mit der Frage allein gelassen, warum er denn jetzt weiterspielen muss. Denn eine wirkliche Motivation wird hier nicht geboten. Die Geschichte scheint zum notwendigen Übel verkümmert mitgeschleift worden zu sein und lässt darauf hoffen, dass wenigstens das Gameplay den Karren aus dem Dreck ziehen kann.
Moorhuhn 2015
Um es kurz zu machen: Kann es nicht. Die immense Masse an Zwischensequenzen ist durch immer wieder auftauchende Quick-Time-Events derart fest mit dem eigentlichen Spiel verwachsen, dass ein Überspringen jener Story-Abschnitte zu einer Unmöglichkeit gemacht wird. Nein, ernsthaft: Es geht nicht. Hier ist ordentliches Sitzfleisch gefragt, denn wirkliche Action und kommt viel zu selten vor. Statt dessen wird der Spieler durch Schlauchlevel von einem Filmchen zum nächsten geschickt und darf von Entscheidungsfreiheit nur träumen. Zu linear verläuft die Story, so dass der Vergleich zu einem Film nicht hinkt. Ich vermeide hier bewusst den Terminus “interaktiver Film”. Die Teile des Spiels, in denen man wirklich mal die Schrotflinte schwingen darf, machen nicht wirklich Spaß – Wie Moorhühner springen generische Gegnerklone aus Türen und Fenstern einer nichtssagenden Hausfront und nur der liebe Gott weiß, wann endlich der letzte Scherge das Zeitliche segnet. Dabei ist das Gunplay nur mittelmäßig, was aber daran liegen kann, dass sich im Entwicklerteam wohl niemand darauf einigen konnte, ob das Spiel nun First- oder Third-Person werden sollte. Man hat sich dann offenbar irgendwo in der Mitte getroffen, so dass die Kamera konstant viel zu nah am Rücken Galahads klebt und somit knapp ein Drittel des sichtbaren Bildschirms einnimmt, der ohnehin bereits durch übergroße Schwarzbalken um ca 25% beschnitten ist. Dies wurde wohl einerseits angewandt, um den Look eines Films zu imitieren, andererseits – nehme ich an – um die PlayStation 4 die traumhaften Bilder zaubern lassen zu können.
Für die Augen, nicht für’s Hirn
Womit wir beim Kaufgrund des Spiels angelangt wären. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Wow! Zweifelsohne ist »The Order: 1886« wohl das zur Zeit hübscheste Spiel der Next-Gen-Konsolen. Ob das jetzt wirklich daran liegt, dass dargestellte Bereiche derart eingeschränkt wurden, dass die eingesparte Rechenleistung an anderer Stelle eingesetzt werden konnte, liegt im Rahmen des Denkbaren. Eine Sache jedenfalls, die seinerzeit der Grusel-Gore-Metzger-Alptraum-Titel »The Evil Within«, nicht schaffte. Was aber wahrscheinlich an der Cross-Plattform-Umsetzung lag. Egal. »The Order: 1886« ist wirklich feinster Eye-Candy aus dem heiligen Zuckergebirge.
Selbstverständlich werden jetzt die Menschen wach, die sich fragen, ob sich das wiederholte Spielen bei einer derart kurzen Spielzeit und ohne Multiplayer überhaupt lohnt. Ein Entwickler selbst sagt dazu in einem Interview, dass der Wiederspielwert immens sei, durch die versteckten Objekte, die mehr von der Story preisgeben. Sofort klingeln bei mir sämtliche Alarmglocken. Collectibles – Die Geißel der Menschheit! Künstliche Spielzeitstreckung, unnötiges Aufblähen von vorgegaukeltem Spielinhalt und vermeintlicher Wiederspielwert. Was hier als wunderbare Chance verkauft wird, »The Order: 1886« mindestens zwei Mal zu spielen, ist eigentlich totaler Murks. Weder macht das Suchen der versteckten Objekte Spaß, noch erfährt man etwas über die Story. Schade.
Ab hier wieder “Spielzeit”
Und wer meinen Bericht bis hierher ausgehalten hat, der wird jetzt auch mit der Konklusion zum Thema “Spielzeit” belohnt. Sicher sind fünf Stunden nicht besonders viel, wenn man allerdings die eigentlichen Spielsequenzen abzieht und sich das Ganze tatsächlich als Film vorstellt, geht das Konzept auf. Auch das mit dem erneuten Spielen stimmt dann – Denn einen Film schaue ich in den seltensten Fällen nach der ersten Sichtung erneut an. Damit warte ich eine Weile und genieße dann das Geschehen im wohlig-warmen Wissen, was geschehen wird. Bis dahin habe ich dann auch die blöden Ballerabschnitte verdrängt, die mich dann aufs Neue frustig Schimpfworte in meinen Bart murmeln lassen. Allerdings sind 70 Euro Releasepreis dann doch ein bisschen viel für einen 3.5-stündigen Blockbuster mit durchschnittlicher Story und blöden Twists. Für das was es sein will, reichen »The Order: 1886« dann aber die fünf Stunden. Alles andere wäre zu viel gewesen und hätte mich nur unnötig gequält.
Zu wenig Film für’s Geld und zu viel Spiel für einen Film. Dafür sieht’s echt granatenstark aus.
Was Joe sagt.
Grafisch mit das Beste, was mir je in die Finger kam.
Ein Setting, aus dem man locker ein “Marcs Spiel des Jahres” bauen kann. Und dann das eigentliche Spiel. Meh.
Was ich ja gar nicht leiden kann ist es, wenn ein Spiel dadurch an Schwierigkeit gewinnt, dass spielerische Unzulänglichkeiten den Spieler beim Lösen des Problems behindern. Bei einem Schusswechsel (Als Galahad erstmals auf Rampage Tour geht) musste ich gefühlt 40x neu laden, weil das Spiel einfach entschieden hat, mich – egal ob in Deckung oder nicht – mit der im Encounter fest installierten Superwaffe zu oneshotten (dauerte dann keine 2 Sekunden, egal wo ich mich in Deckung schmeißen wollte). Dazu brauchte es lediglich ein hervorblinzelndes Haar. Habs dann nur mit Glück lösen können. Genauso die ganzen Supereinheiten in Rüstung und mit Shotgun: Wenn ein Kampf schwierig sein soll, spawnt man einfach noch mehr strunzdumme Rüstungsheinis, die einfach wie blöd auf das eigene Pixel-Ich gerouted sind. Taktik? Ach, geh doch weg..
Dazu eine Story, die soo viel mehr sein könnte. Leider hat sie nur die Tiefe eines Planschbeckens. Und meine Quote bei der Vorhersehbarkeit von Ereignissen lag dadurch auch bei ~100%. Schade. Wieder einmal verpufft großes Potenzial ungenutzt..
Mangels PS4 habe ich mir Yogscast Hannah’s Letsplay auf YT reingezogen. Man hat teilweise das Gefühl das sollte Sony’s Ryse werden, also die grafische Power der Next-Gen beweisen. Was es ja auch tut, allerdings auf Kosten des eigentlich Spiels. Ich hoffe daß die Reihe fortgestzt wird denn die Welt und die Charaktere ist wirklich interessant gemacht. Hoffentlich lernen sie aus den Fehlern und machen mehr Spiel als Film im Nachfolger.