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Vom Würfelspiel bis zum Onlinepoker – Zu Gast im Casino der Geschichte

Das Glücksspiel ist fast so alt wie die Menschheit. Schon in der Antike riskierten Menschen ihr letztes Hemd für den Kick am Spieltisch. Q HISTORY zu Gast im Casino der Geschichte.

Q-History – Games und Geschichte – Teil 1 by zockwork

Reporterin: Ob in der bunten Glitzerwelt von Las Vegas oder im Kiosk um die Ecke – Glücksspiele gehören für viele Menschen auf der Welt zum Alltag. Da wird gewettet und getippt, gewürfelt und gezockt. Immer aber geht es um die Hoffnung auf den großen Gewinn. Dem schnellen Geld jagen aber nicht nur heute die Armen und Reichen nach. Ich möchte mit Ihnen eine Reise in die Vergangenheit machen. Woher kommt das Glücksspiel eigentlich und wie sind Könige, Adelige und das einfache Volk damit umgegangen? Um diesen Fragen nachzugehen spreche ich heute mit den Zeitzeugen höchst persönlich. Willkommen im Casino der Geschichte!

(Eine Tür öffnet sich, Stimmgewirr)

Reporterin: Ich bin jetzt hier auf dem roten Teppich, in der Eingangshalle. Vor mir stehen riesige Spieltische und Automaten. Bis jetzt sieht das alles nicht viel anders aus, als in jedem anderen Casino … Naja, bis auf die Gäste. Dort sehe ich beispielsweise einige Herren mit Mänteln aus kratziger Wolle und Schuhen aus hartem Leder … sie spielen Karten … Ich glaube diese Männer kommen aus dem Mittelalter – ich werde sie einmal ansprechen.

Entschuldigen Sie, meine Herren.

Mittelalterlicher Spieler: Wer da? Sei Ihr etwa ein Scherge des Stadtverwalters – oh, gut, Ihr seid nur ein Weibsbild. Was wollt Ihr hier?

Reporterin: Sie scheinen sich ja große Sorgen zu machen, erwischt zu werden. War in Ihrer Zeit das Glücksspiel verboten?

Viele mittelalterliche Städte haben Spielbanken eingerichtet

Mittelalterlicher Spieler: Verboten? Das kann man so nicht sagen. Es ist aber schon so, dass die Männer Gottes das Spiel als verderblich ansehen. Und wie heißt es in der Liedersammlung Carmina Burana gleich? – „Denn die Passion der Spieler sind Betrügerei und Raum …Wegen des Würfelspiels sind meine Gefährten oft nackt. Wenn ich dann hafte, wirft man das Los auch über mein Gewand …“

Reporterin: Aber wenn die Kirche das Glücksspiel ablehnt, warum gibt es dann überhaupt Spielhäuser?

Mittelalterlicher Spieler: Weil die Städte beim Glücksspiel hohe Gewinne machen! Unter dem Deckmantel der Redlichkeit haben viele Städte bereits Spielbanken eingerichtet.

Reporterin: Wissen Sie denn, wie das Glücksspiel entstanden ist?

Mittelalterlicher Spieler: Gute Frau – das dürft Ihr mich nicht fragen. Aber ich bin sicher, die Männer in den unziemlich kurzen weißen Gewändern dort drüben, mit den seltsam offenen Schuhen werden Euch sicher weiter helfen können.

Reporterin: Ja, ich bin sicher, die Menschen aus dem antiken Rom wissen vielleicht etwas mehr über die Ursprünge des Glücksspiels – ich werde einmal herüber gehen.

(Rollende Würfel, Gelächter)

Reporterin: Die Herren scheinen zu würfeln.

Antiker Zocker: Beim Jupiter – jetzt wartet doch einen Moment, junge Frau. Ich habe gerade eine Venus geworfen und wenn ich nicht aufpasse, bringen mich meine feinen Kollegen hier um den Sieg, nur weil ich meine Denare nicht rechtzeitig eingesammelt habe.

Die Germanen betreiben das Glücksspiel auch nüchtern wie ein ernstes Geschäft

(Geldgeklimper)

Reporterin: Ich möchte Sie ja eigentlich gar nicht von Ihrem Spiel abhalten. Aber sagen Sie, was spielen Sie da eigentlich überhaupt?

Antiker Zocker: Wir würfeln hier mit Astragalen – das Spiel kennt doch jedes Kind.

Reporterin: Astra – was?

Antiker Zocker: Astragalen sind Sprunggelenkknochen aus den Hinterbeinen von Schafen, Ziegen oder Rindern. Sie haben genau vier Seiten – zwei breite,und zwei schmale. Aber sagt … seid ihr nicht Germanin?

Reporterin: Also wenn Sie so wollen, aber ich weiß wirklich nicht, ob…

Antiker Zocker: Also dann muss ich mich doch sehr wundern, dass Ihr dieses Spiel nicht kennt. Schließlich hat schon Tacitus in seiner Germania berichtet, dass die Germanen das Glücksspiel auch im nüchternen Zustand wie ein ernstes Geschäft betreiben. Nur nüchtern sind sie gar nicht so oft. Sie verspielen sogar ihre eigene Freiheit und lassen sich gegebenenfalls als Sklaven wegführen – diese Barbaren!

Reporterin: Naja, mich würde viel mehr interessieren, ob Sie eigentlich wissen, wer das Glücksspiel erfunden hat?

Antiker Zocker: Nun, Platon und Plutarch haben den ägytischen Gott Theut als Erfinder von Würfel- und Brettspielen betrachtet. Aber verbreiteter ist natürlich die Ansicht, dass Palademes das Glücksspiel erfunden hat, um den Griechen während der 10jährigen Belagerung von Troja die Zeit zu verkürzen.

Reporterin: Das klingt ja so, als sei man sich nicht einig.

Gemälde von Michelangelo Merisi da Caravaggio, 1594

Giacomo Casanova – es ist mir eine Ehre euch hier zu treffen

(Geschrei, zerbrechende Gläser)

Reporterin: Oh, hier scheint es ja um alles oder nichts zu gehen – ich beeile mich lieber, an den nächsten Tisch zu kommen … Hier scheint es etwas gesitteter zuzugehen. Die Leute tragen feine, kostbare Kleidung und Schnallenschuhe – und es sind sogar Damen zugegen. Naja – kein Wunder, wenn man bedenkt wer dort sitzt: … Giacomo Casanova – es ist mir eine Ehre euch hier zu treffen!

Casanova: Die Ehre ist ganz meinerseits. Gesellt Euch doch zu uns, meine Liebe.

Reporterin: Sagen Sie, wie kommt es denn, dass einige von Ihnen in edler Kleidung und mit hohen Perücken hier sitzt, während die anderen eine Maske tragen müssen?

Casanova: Das ist ganz zu ihrem eigenen Schutz. … Wir spielen „Pharao“ – ein Kartenspiel, das besonders bei den Reichen und Adeligen in Venedig sehr beliebt ist. Wenn bürgerliche Spieler teilnehmen möchten, müssen sie sich maskieren. So bleibt bei einem glücklosen Spieler die Anonymität bewahrt.

Reporterin: Aber ich dachte, Sie selber seid nur der Sohn von zwei Schauspielern? Müssten Sie dann nicht auch eine Maske tragen?

Casanova: Aber ich bitte Sie, meine Liebe. Wie Ihr sicher wisst, hat mir der Papst vor einigen Jahren den Titel des „Ritters zum goldenen Sporn“ verliehen – und meine Bekanntschaften in den höchsten Kreisen tun ihr Übriges …

Reporterin: Sie meinen wohl Ihre Bett-Bekanntschaften … Aber zurück zur Sache: Das heißt das Glücksspiel ist bei Adeligen ein beliebter Zeitvertreib?

Casanova: Oh ja – abgesehen davon, dass es für mich eine gute Gelegenheit ist, schöne Frauen kennen zu lernen. Dass Glücksspiel ein wichtiges Merkmal des adeligen Lebensstils – gleich nach der Jagd und dem Theater. Und es ist für die Herrscher ein gutes Mittel, ihren Hof in Schach zu halten …

Reporterin: Wie kann das sein?

Casanova: Nun, der Zugang zum Spieltisch des Herrschers bedeutet großes Ansehen und Erfolg. Andererseits ist das Glücksspiel so zu einer Verpflichtung geworden, die mit großem Geldaufwand verbunden ist. Der Herrscher hat die Adeligen durch Würfel und Spielkarten von sich abhängig gemacht und wer Pech im Spiel hat, kann schnell zu Hofdiensten verpflichtet werden.

Reporterin: Aber ich will Sie nicht länger von Ihrem Spiel abhalten …

Casanova: Keineswegs, keineswegs – das tut Ihr nicht. (mit raunender Stimme) Vielleicht wollt Ihr Francesca und mich nachher noch auf ein Glas Wein begleiten?

Reporterin: Äh … nein, ich denke nicht. Ich glaube ich sollte lieber noch mit dieser Frau dort drüben sprechen …

Raise!!!

Reporterin: Jetzt scheine ich in der Gegenwart angekommen zu sein – ein Computer, ein Internet-Router und statt dieser ganzen Machos endlich eine Frau. Schön Sie kennen zu lernen.

Pokerspielerin: Raise!!!

Reporterin: Raise? Was wollen Sie denn damit sagen?

Pokerspielerin: Das bedeutet, dass ich gehe mit. Ich habe ein gutes Blatt – einen straight flush – wie ich schätze das beste Blatt in der ganzen Runde, das muss ich ausnutzen.

Reporterin: Sie spielen also online mit anderen Leuten Poker? Fehlt da nicht der Nervenkitzel ohne andere Spieler?

Pokerspielerin: Nein, das ist doch gerade der Vorteil! Das Glücksspiel im Internet 24 Stunden und von fast überall erreichbar ist. Es gibt keine Anfahrtswege oder Kleiderordnungen – man bleibt vollkommen anonym. Und es gibt schnellere Spielabfolgen und man kann sogar an mehreren Pokertischen gleichzeitig spielen.

Reporterin: Da scheint mir die Suchtgefahr aber auch sehr groß. Ich könnte mir vorstellen, dass man sich schnell in dieser Kunstwelt verlieren kann – und natürlich auch sein Geld, wenn es an Stelle von Chips nur noch Kontobelastungen per Mausklick gibt.

Pokerspielerin: Sicher, man muss aufpassen. Kinder zum Beispiel sollten kein Glücksspiel spielen. Aber Online-Poker ist momentan unglaublich beliebt. Allein in Deutschland gibt es 2,9 Millionen Spieler und allein im Jahr 2006 wurden rund 15 Milliarden Dollar auf den virtuellen Spieltischen umgesetzt.

Reporterin: Das scheint mir die Gefahr aber nicht unbedingt zu begrenzen … Nach allem was ich heute gehört habe, bleibe ich glaube ich lieber beim heimischen Doppelkopf-Spiel – das geht es nicht um Geld, sondern nur um die Ehre.

Gastautor: Christine Krüger, Cornelia Pfeifer / Q History
Was haben Comics mit Geschichte zu tun? Erfährt man durch Fußball etwas über die Vergangenheit? Wie sah Sexualität in der Antike aus? Das studentische Radio/Online-Magazin Q History bringt mit untypischen Themen und Perspektiven Geschichte näher.

Literatur: Hattler, Claus: “…und es regiert der Würfelbecher” – Glücksspiel in der Antike. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, Karlsruhe 2008, S. 26 – 31. Schumacher, Dagmar Maria: Würfelglück im Mittelalter. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, Karlsruhe 2008, S. 42 – 46. Dieselbe: “Des Teufels Spiel” – Glücksspiel in Mittelalter und früher Neuzeit. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, Karlsruhe 2008, S. 85 – 89. Köger, Annette: Spielkarten und Glücksspiel. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, Karlsruhe 2008, S. 62 – 67. Hayer, Tobias und Meyer, Gerhard: Zocken im Internet – Online-Glücksspiele. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, Karlsruhe 2008, S. 271 – 273.
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