Ein neues Spiel aus dem Hause Daedalic steht in den Regalen: »The Night of the Rabbit«. Da muss natürlich geschaut werden, ob die hohen Erwartungen, die mittlerweile wie von selbst an die Titel der deutschen Adventure-Schmiede gestellt werden, auch erfüllt werden können.
Bei einem Daedalic-Titel erwarte ich folgendes: eine originelle Story (das „Ahh“), wunderschöne Bilder (das „Ohh“), guten Humor (das „Uiuiui“) und teilweise wirklich fast unlösbare Rätsel (das „Nicht wirklich, oder?!“). Also Punkt für Punkt.
Ahh: Wir spielen Jerry, einen kleinen Jungen, dessen größter Wunsch es ist, Zauberer zu werden. Die Schulferien neigen sich dem Ende zu, und Jerry ist auf Abenteuer aus. Was es mit dem merkwürdig gekleideten Hasen mit den unheimlichen roten Augen auf sich hat, der in der Eingangssequenz erscheint, erfahren wir bald. Denn ja, unsere Zaubererausbildung beginnt nach Beendigung des kurzen Tutorials, welches nahtlos in den Spielbeginn eingepasst ist und uns mit den grundlegenden Spielprinzipien vertraut macht. Hier ist alles eigentlich beim Alten geblieben, einzig ein Tagebuch ist bei den Funktionen hinzugekommen, in dem wir nachlesen können, was für Aufgaben wir bereits erledigt haben, und welche noch ausstehen. Ansonsten muss die Steuerung eines Point-and-Click-Adventures sicherlich nicht eigens erklärt werden. Wirklich nett ist die Retro-Code-Abfrage, die mich an die Drehscheibe von »Monkey Island« zurückdenken ließ. Als „Kopierschutz“ gibt es im Handbuch kleine Bildchen, die man nur mithilfe einer beiliegenden „Zaubermünze“ richtig sehen kann. Die Kombination aus zwei dieser Bilder von zwei zufällig ausgewählten Seiten gibt uns erst den Weg ins weitere Spiel frei.
Der merkwürdige Hase, der plötzlich auftaucht und ab jetzt unser Lehrmeister ist, spricht Kryptisches: Wir sollen ihm folgen, durch Portale in andere Welten, wir sollen etwas wiederfinden, was wir verloren haben, woran wir uns aber nicht erinnern können, und wir sollen die Welten hinter den Portalen und unsere eigene vor einer Bedrohung retten, die noch niemand kommen sieht. In erster Linie sollen wir aber erst einmal Zauberer werden. Juhu!
Auf unserem Weg begegnen uns sympathische, kauzige, magische und verdächtige Figuren, liebevoll ausgestaltet und wie immer mit ganz eigenem Charakter. Nach und nach erschließen wir uns mit ihrer Hilfe – mal freiwillig gewehrt, mal erpresst, mal bestochen – die verschiedenen Portalwelten, finden am Ende wieder, was verloren ging, und retten die liebgewonnenen Bewohner vor ihren eigenen Träumen. Schön, sehr menschelnd, bisweilen sogar ein wenig ergreifend. Alles in allem eine sehr magische, märchenhafte, sehr kindgerechte Story, die hier und da auch ein paar Weisheiten fürs Leben in puncto Freundschaft und Hilfsbereitschaft bietet. Der Fokus auf Kinder ist bei diesem Titel deutlich wahrzunehmen, was aber nicht bedeutet, dass Junggebliebene daran nicht ihre Freude haben könnten.
Ohh: Kurz und gut: Die Bilder sind wieder einmal fantastisch. Wir haben sehr viel Natur (was nach Deponia I und II ja wirklich ganz nett ist), die eine verwunschene Atmosphäre erzeugt, und endlose Liebe zum Detail.
Uiuiui: Worauf bei »The Night of the Rabbit« verzichtet wurde ist der zum Teil sarkastische Witz, den man von »Edna« oder »Deponia« kennt. Zweideutigkeiten haben hier keinen Platz. Die deutlichere Ausrichtung auf Kinder als Zielgruppe wird hierfür wohl verantwortlich sein. Der Grundton der Dialoge ist eher herzlich und warm, nicht spöttelnd. Das ist zugegebenermaßen ein bisschen schade, aber passend zum Konzept. Es ist kein lustiges, sondern eher ein märchenhaftes Spiel geboren aus der zauberhaften Fantasie eines kleinen Jungen. Da haben Sticheleien mit der ketterauchenden Exfreundin oder makabere Todesfälle nichts zu suchen. Auch sind die Dialoge häufig zu lang und für das Fortkommen in der Handlung nebensächlich, so dass man öfters geneigt ist, seinem Gegenüber mit einem beherzten Drücken der ESC-Taste das Wort abzuschneiden.
Nicht wirklich, oder?!: Ja, ich gebe es zu, an der ein oder anderen Stelle bin ich nicht weitergekommen. Zum Glück gab es schon am Erscheinungstag Komplettlösungen von irgendwelchen vollkommen Irren, die schneller durch das Spiel waren, als ich es installieren konnte. Aber generell war »The Night of the Rabbit« gefühlt leichter als die anderen Daedalic-Titel. An den Punkten, wo ein beschämter Blick ins Internet geworfen wurde, erzeugten die Lösungen kein Gefühl von „Wer soll denn da jetzt bitte drauf kommen?!“, sondern eher eines von „Ah ja ok, das macht Sinn“.
Fazit: Einfach ein wirklich gutes Spiel für alle Adventure-Fans, Freunde von verzauberten Welten und schönen, detailverliebten Bildern im Comic-Stil, Erwachsene, die das Kind in sich noch nicht begraben haben und Kinder, die sich für solch eine Story ohne Schusswaffen und Zombies noch öffnen können. Das Happy End lässt keine Wünsche offen, auch wenn die „Moral von der Geschichte“ kurz vor Schluss vielleicht doch etwas zu überbetont ist. Ich hätte nur gehofft, Jerry würde vielleicht noch seinen ersten Kuss… aber gut, für die Romantik ist dann doch eben wohl nach wie vor Rufus zuständig.
Gastautorin: Mirka
Spielt Computer, weil ihre Hand-Augen-Koordination viel zu schlecht ist für eine Konsole. Und ihr Fernseher auch. Flucht dabei wie ein betrunkener Matrose. Ist vielleicht in Wirklichkeit auch einer. Angefixt durch King’s Quest VI. Damals. Mit 6.
Da gab es noch Disketten.
Was ich bei Daedalic etwas schade/seltsam finde: sie hauen in einem erstaunlichen Tempo Spiele raus. Nur der Innovationsfaktor bleibt etwas auf der Strecke. Ich bin eigentlich ein riesen Fan von Adventures, hab mir immer ein Monkey Island 4 in der Grafik von 3 gewünscht, aber mit den Spielen bin ich nie warm geworden.
Letztens war der Lead-Designer von The night of the rabbit bei uns an der Uni. Hätte mal hingehen sollen.