Zockwork Orange

The Dark Side of the Tomb

Was soll ich über Uncharted 3: Drake’s Deception schreiben? Dass es technisch der Wahnsinn ist, dass man es einfach erlebt haben muss, dass sich spätestens jetzt jeder verdammt nochmal eine PS3 kaufen muss? (Was? Das habt ihr nach Teil 2 noch nicht getan?) Braucht es dafür wirklich einen weiteren Blogpost? Ich wüsste nicht mal, wie ich das Spiel inhaltlich beschreiben soll, ohne es in dem ersten Satz zu spoilern. Spoilern bedeutet ja in dem Fall nicht bloß, Einzelheiten der Story offenzulegen, sondern auch Leveldetails zu verraten. Schließlich macht es bei Uncharted ja den größten Reiz aus, zu entdecken, an was für abgefahrene Orte die Reise so geht. Die eigentliche Frage, die sich jeder sowohl vor, als auch vor allem nach dem Durchspielen stellt: Konnte Uncharted 2 noch verbessert werden? Ja, das konnte es an einigen Stellen – in Maßen zwar, aber deutlich sichtbar. Jedoch: Drake’s Deception macht auch einige Dinge schlechter und genau das schmerzt bei aller More-of-the-same-Begeisterung.

Darum der Disclaimer vorab: Ich muss euch nicht erzählen, wie sehr ich Uncharted 1-3 liebe. Wenn ihr eine PS3 habt, tut ihr das nämlich selbst. Wenn ihr keine habt, ist euch Uncharted sowieso egal. Stattdessen möchte ich nitpicken und auch auf höchstem Niveau ein wenig über Details meckern, wie sich das für einen Fanboy mit übermäßigen Erwartungen gehört – und gleichzeitig ein wenig Besorgnis darüber ausdrücken, wohin die Serie laufen wird.

Fangen wir aber mit dem Positiven an: Ja, es ist unfassbar, doch die Grafik sieht nochmal eine Ecke geiler aus. Ich erzähle ja immer gern die Anekdote von der gamescom, wo ich Arne Meyer, den Community-Dude von Naughty Dog, gefragt habe, ob Elena eine neue Schauspielerin hat, weil das Gesicht so viel anders/besser aussieht. Models, Beleuchtung, Physik, alles nochmal bombiger als in Teil 2, duh! Auch erzählerisch gefallen mir die etwas experimentelleren Passagen aus Uncharted 3 extrem gut. Nathan Drakes kräftezehrender Marsch durch die Wüste ist eines der intensivsten Spielerlebnisse, die ich seit langem hatte: träge, hoffnungslos, vor sich hin fantasierend. Jaja, jetzt spoilere ich selbst, aber dass Uncharted 3 irgendwas mit “Flugzeugabsturz mitten in einer Wüste” zu tun hat, sieht man ja bereits auf dem Cover der Blu-Ray-Hülle. Auch die wie immer recht intuitiven Rätsel machen sehr viel Spaß und an der einen oder anderen Stelle musste ich auch eine Weile rumknobeln (Stichwort: Körperteile).

Allgemein muss man aber damit leben, dass viele Einzelheiten der Story nur angerissen und nicht zuende gesponnen werden. Für mich ist das okay, ich muss nicht alles auf dem Silbertablett präsentiert bekommen. Wenn ich mir aber ansehe, wie manche Leute beispielsweise nach Abschluss der TV-Serie LOST ausgeflippt sind, ist eine kleine Warnung hier vielleicht ganz angebracht. Je mehr ich darüber nachdenke: Uncharted 3 ist LOST in manchen Punkten gar nicht so unähnlich. Huh!

Kommen wir nun zum unangenehmeren Teil, der Spielmechanik: Die sehr kontextsensitive Steuerung war – seien wir ehrlich – noch nie die Stärke von Uncharted. Speziell wenn es hektisch wurde, konnte man nur hoffen, dass sich Nate bei einem Druck auf den Kreis-Button für die richtige Handlung zwischen a) Rollen, b) hinter einer Barriere in Deckung gehen, c) sich an die Wand drücken und d) sich einen Vorsprung runterhangeln entschied. Ich nenne dieses Verfahren schon seit Teil 2 die “Bitte, bitte, lieber Nathan Drake, tu jetzt das, was ich eigentlich von dir will oder zumindest etwas, das mich nicht sterben lässt, ach und wenn doch, ist es auch egal, du bist ja selbst voll am Arsch und sagst dabei noch so lustige Sprüche, also verzeihe ich dir und versuche es halt nochmal“-Engine. Diese Engine funktioniert am besten auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, da hier Nate ausreichend Treffer einstecken kann, um auch den einen oder anderen Fehler zu dämpfen (dadurch die Betonung auf “zumindest etwas, das mich nicht sterben lässt“). Aber spätestens auf Schwierigkeitsgrad Crushing (zu deutsch: “Sehr schwer“) gibt es hier kaum noch Toleranzen.

Biss man deswegen schon in Teil 2 häufiger in den Controller, weil einfach nicht das passierte, was man geplant hatte, treibt Uncharted 3 dieses Kokettieren zwischen Schönheit und Schlampigkeit in sehr grenzwertige Regionen. Da muss man gar nicht so nerdy sein und sich über Dinge wie die veränderte Sensitivität / Auto-Aiming aufregen. Schon das Überladen von Aktionen auf die Buttons geht hier fröhlich weiter, jetzt kommen noch neue Dinge dazu wie das Zurückwerfen von gegnerischen Handgranaten. Das liegt auf derselbe Taste wie “Waffe nehmen” und jetzt ratet mal, was passiert, wenn eine Waffe neben so einer Granate liegt, die gleich explodiert. Kleiner Tipp: Die Granate hat bei allem “Oh, no no no no!“-Gefluche für Nate nicht gerade höchste Priorität.

Liebe Naughty Dogs, verratet mir doch mal: Wie soll es denn damit in Teil 4 weitergehen, wenn neue Ideen eingebaut werden sollen? Wenn Nate bei demselben Tastendruck nicht nur Waffen nehmen und Granaten zurückschleudern, sondern sich je nach Situation auch noch am Hintern kratzen und Elena eine Kusshand zuwerfen soll? Wieviel Kontextabhängigkeit verkraftet Streamlining und wieviel Freiheit wollt ihr euch denn überhaupt erlauben? Wollt ihr noch mehr Stuff in eure völlig überlastete Mechanik quetschen und als Ausgleich Nate beim Laufen noch besoffener rumtorkeln lassen? Oder solltet ihr nicht einfach mal den ganzen Kram entschlacken und auf etwas reduzieren, das wieder sauber funktioniert – auf so eine Art verbesserten Teil 2? Oder einfach mal alles wegwerfen und einen Clean Slate-Ansatz fahren, was in Teil 4 einer Serie jetzt auch nicht das abwegigste wäre? Aber hier muss etwas passieren, da der bröckelnde Putz sich nicht ewig mit Krachbummpeng kaschieren lässt.

Die Stealth-Passagen zum Beispiel. Die funktionieren doch auch hinten und vorne nicht, aber machen einen großen Teil des Spiels aus, beziehungsweise werden sie als optimale Lösung angedeutet (“We should do this quietly!“). Ballern geht natürlich immer, wird aber auch irgendwann echt knackig schwer, wenn man nicht vorher entsprechend die Reihen ausgedünnt hat. Und das kann nicht befriedigend funktionieren, wenn ich jedes Mal beten muss, dass Nate bei einem Druck auf Quadrat auch wirklich den Stealth-Instakill ausführt und nicht einfach den Gegner in einen normalen Faustkampf verwickelt. Das macht er nämlich viel zu häufig, wenn man vom Winkel her nicht exakt steht. Bei möglichen Sprüngen auf den Gegner wird zumindest noch das Quadrat-Icon eingeblendet, aber auch das funktioniert nur sehr ungenau: Wenn man gerade an der Grenze der Erfassung steht, ist vielleicht das Icon da und Nate springt trotzdem daneben. Der daraus resultierende Faustkampf löst dann vielleicht den Alarm aus, vielleicht aber auch nicht. Alles wirkt extrem indeterministisch. Und überhaupt: Die Gegner reagieren auf herumliegende Körper und schlagen Alarm, aber ich kann niemanden wegtragen? Das würde man heute keinem anderen Spiel mehr verzeihen und irgendwo weinen Sam Fisher, Adam Jensen und Solid Snake gemeinsam in ihr Bier. Versteht mich nicht falsch, liebe Naughty Dogs: Ich will gar nicht, dass Uncharted ein Stealth-Spiel wird. Ihr habt doch damit angefangen!

Apropos Faustkampf: Auch so ein neues Element, das recht billig gelöst ist – im Prinzip eine Abfolge immer gleicher Quick-Time-Events. So lange Buttonmashing auf Quadrat bis der Gegner angreift (dann ausweichen mit Dreieck), bei den “gleichberechtigten” Würge-/Armdrück-/Duellsequenzen zwischendurch auf Kreis hämmern, rinse and repeat. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad werden die Dreiecks-Einblendungen einfach weggelassen um das “Jetzt ausweichen!” zu melden. Das ist keine gute Lösung bei den teilweise stark geskripteten Kämpfen. Hier hofft man immer nur, dass man gerade keinen Fehler gemacht und den Rhythmus vergeigt hat. Stattdessen hätte man einfach schnellere Reaktionen einfordern können – und überhaupt: wenn schon geskriptet, warum dann dieses repetitive, immer gleiche Buttonmashing? Das nächste Mal bitte richtig bei God of War spicken, danke.

Last but not least zwei kleine Ärgerlichkeiten: Nachdem ich Uncharted 2 auf Crushing beendet hatte, hatte ich sicherlich noch 2-3 Stunden großen Spaß mit den Single-Player-Boni: alternative Spieler-Skins, freie Waffenauswahl, Rendermodi. Gibt es nicht mehr. Auch die Filmsequenzen kann man nicht mehr einzeln anwählen. Meine Freundin hat mit Videogames so überhaupt nichts am Hut, aber sie ist ein riesiger Uncharted-Fan, denn sie hat es als Film gesehen, den sie nebenbei mit angucken kann. Die Videoauswahl war immer sehr hilfreich um sie so “Previously on Uncharted“-mäßig auf den Stand der Dinge zu bringen, wenn ich in ihrer Abwesenheit mal weitergespielt habe. Geht also auch nicht mehr.

Fazit: Uncharted 3 hat sowohl die bekannten Stärken der Serie als auch die Schwächen in der Mechanik weiter ausgebaut. Ersteres hat man nach Teil 2 so erwartet und vorausgesetzt, letzteres schmerzt aber. Mir gefällt Uncharted 2 aus der Trilogie letztlich noch am besten, da hier der Wow-Effekt noch so unverhofft kam (Stichwort: Schnee!) und auch besagte Schwächen am geschicktesten kaschiert wurden. Trotz allem ist Uncharted 3 natürlich ein Freudenfest für jeden Fan, gerade die erzählerischen Experimente sind eine großartige Neuerung, die Rätsel sind besser und – ja, man glaubt es kaum – auch grafisch wurde noch einmal zugelegt. Was jetzt also nochmal gut gegangen ist, kann in zwei Jahren bei all der hochkarätigen Konkurrenz aber lahm und altbacken wirken. Für einen hoffentlich erscheinenden vierten Teil empfehle ich Naughty Dog daher, zwei Schritte zurück zu gehen und in aller Ruhe das Gesamtbild zu betrachten. Ihr könnt das, Jungs!

Gespielt wurde kein von Sony zur Verfügung gestelltes Testmuster, sondern ein in freudiger Fanboy-Erwartung vorbestelltes, selbst gekauftes Exemplar. Support the shit you love, guys!

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