Kennt ihr das auch, dass ihr eine Spiele-Reihe habt, die ihr unheimlich gerne spielt, die aber irgendwie immer unter dem Radar läuft? Und plötzlich wird für euch überraschend ein neuer Teil veröffentlicht und es fühlt sich an wie Geburtstag und Weihnachten zusammen? So ist es mir mit »Sniper Elite 5« gegangen. Erst mit dem offiziellen Ankündigungstrailer habe ich mitbekommen, dass Rebellion die Sniper-Legende Karl Fairburne erneut auf die Reise schickt. Und zack, ein paar Tage nach dem Release hatte ich dann das Spiel auch schon installiert.
Mit der Sniper-Elite-Reihe verbinde ich ganz besondere Erinnerungen. Das Review zu »Sniper Elite 3« war nämlich das erste, das ich für Zockwork Orange schreiben durfte. Das ist schon eine Weile her, aber der Reihe bin ich bis heute treu geblieben. Teil 1 und 2 habe ich später nachgeholt und »Sniper Elite 4« wurde ebenfalls gleich nach dem Release gespielt.
Keine Überraschungen
Mit »Sniper Elite 5« geht es ins schöne Frankreich und wir schreiben das Jahr 1944. Außer dem Spielort ändert sich zu seinen Vorgängern eigentlich nicht viel. Ich knipse in den einzelnen Missionen einen Nazi nach dem anderen und später den Ober-Bösewicht aus, schleiche mich durch Gebäude auf der Suche nach Informationen, belausche Gespräche für lustige Nebenaufgaben und decke natürlich wieder Pläne zu einer Superwaffe auf.
Eigentlich müsste ich enttäuscht sein, dass kaum etwas Neues ins Spiel Einzug gefunden hat. Bin ich aber nicht. Ich freue mich einfach, wieder einmal mit Karl Fairburne kniffelige Missionen durchleben zu dürfen. Für mich ist jeder Teil der Reihe auf seine Art interessant und ich habe auch Spaß daran, wenn es nur darum geht, neue Gegenden erkunden zu dürfen. Natürlich gibt es auch wieder eine lose Hintergrundstory, die ist aber wie immer eigentlich Nebensache.
Ein paar neue Kleinigkeiten haben natürlich schon Einzug erhalten. Es gibt jetzt Seilrutschen, mit denen ich schnell von einem Abschnitt in den anderen komme, bewusstlose oder tote Gegner lassen sich in Kisten verstecken und Karl Fairburne kann etwas geschickter klettern. Das war’s dann aber auch fast schon… und wie schon erwähnt ist es mir eigentlich auch nicht wichtig. Hauptsache, das Game spielt sich solide und ich habe meinen Spaß. Ich nehme an, das werden viele Fans der Reihe ebenso sehen.
Wenn das WW2-Setting einigermaßen realistisch erhalten bleiben soll, bleibt zugegebenermaßen auch nicht viel Spielraum für Neuerungen. Fancy Waffen oder coole elektronische Gadgets verbieten sich da von selbst. Allerdings könnte natürlich an der Story gedreht und hier und da ein paar Entscheidungen eingeflochten werden, die das Spielgeschehen beeinflussen. Aber das wäre dann vielleicht doch eine zu große Änderung des Gameplays an sich.
Wer übrigens nicht alleine spielen will, dem bietet das Game wie bisher auch einige Funktionen für Koop oder PvP. Neu ist hier ein Invasionsmodus, mit dem man Spieler in ihren Spielwelten “überfallen” kann. Das habe ich allerdings nicht ausprobiert.
Langer Atem ist gefragt
Was mir allerdings nach ein paar Stunden im Spiel schon auffällt, ist die Größe der Missionskarten. Waren diese in den Vorgängern noch relativ übersichtlich und an einem kuscheligen Spieleabend gut zu erkunden, sind sie in »Sniper Elite 5« teilweise riesig. Da werden mitunter halbe Städte mit unzähligen Gebäuden in Szene gesetzt, die sich über unglaublich viele Ebenen erstrecken. Schnell verliere ich mich in diesen Labyrinthen und meine bisherige Vorgehensweise, alle Gegner erst einmal schlafen zu legen, damit ich in Ruhe alles inspizieren kann, muss ich mehr als einmal überdenken.
Leider bin ich ja auch so der Sammeltyp und möchte deshalb gerne alles entdecken, was es in einer Mission zu finden gibt. Das können Briefe in die Heimat, wichtige Befehlsdokumente, abzuschießende Steinadler, Gartenzwerge (fragt nicht …) oder auch Werkbänke sein, an denen ich meine Waffen verbessern kann. Das verleitet mich natürlich zum intensiven Erforschen der Umgebung, weswegen ich für viele Missionen wahrscheinlich etliche Stunden mehr brauche als Otto-Normalspieler. Danach habe ich selbstverständlich immer noch nicht alles gefunden …
Immer wieder stehe ich auch vor verschlossenen Türen, die sich nur von der anderen Seite öffnen lassen. Wieder eine kleine Neuerung, die mich nach unbekannten Wegen forschen lässt. Zwar sind die Abkürzungen, die man mit dem Öffnen der Türen freischaltet, nicht unbedingt kriegsentscheidend, doch tüftle ich mehr als einmal etwas länger, um rauszufinden, wie ich auf die andere Seite gelange.
Die Karten sind aber allesamt wirklich detailliert und schön ausgearbeitet und an jeder Ecke bieten sich neue, teils grandiose Ausblicke auf die Landschaft oder das Meer. War früher bei Shootern eine hübsche Grafik eher Nebensache, sind in den letzten Jahren die Ansprüche aber auch hier gestiegen. Viele Entwickler nehmen sich das heute zu Herzen und »Sniper Elite 5« kann sich da ebenfalls sehen lassen. Da kommt mir der integrierte Fotomodus gerade recht. Der kann übrigens auch dazu verwendet werden, schwer einsehbare Ecken auszukundschaften … Profitipp!
Allerdings darf man keine Next-Gen-Grafik erwarten. Gegenüber »Sniper Elite 3 und 4« hat sich hier nicht viel geändert. Ich spiele auf der PlayStation 5 und auch hier gibt es manchmal kantige und verwaschene Renderings. Das tut dem Spielspaß aber keinen Abbruch.
Leisetreten leicht gemacht
Da mein guter Karl den Gegnern mengenmäßig unterlegen ist, bewege ich mich möglichst außerhalb des Sichtfelds des Feindes. Dazu bietet mir das Spiel genug Gelegenheit. Hohes Gras oder umherstehende Kisten bieten guten Sichtschutz und aus sicherer Deckung kann ich Gegner anlocken und sie lautlos ausschalten. Praktisch, dass auch bei mehreren Gegnern immer nur einer angelaufen kommt, wenn ich pfeife oder einen Gegenstand werfe.
Allerdings hätte ich mir mehr Wege gewünscht, auf denen ich die Feinde ganz umgehen kann. Im Ansatz ergeben sich leider nur hier und da ein paar Möglichkeiten, aber »Sniper Elite 5« ist natürlich auch kein »Deus Ex«. Die Kontrahenten sind nämlich auch im mittleren Schwierigkeitsgrad äußerst aufmerksam und zucken schon beim kleinsten Geräusch zusammen. Gut, dass ich auf meinem Mini-Radar sehen kann, wie weit ich zu hören bin. Gegner, die ich noch nicht mit meinem Fernglas markiert habe, erscheinen hier übrigens als verwaschener Fleck. So kann ich die Positionen zumindest etwas erahnen.
Als Neuerung und als Tribut an diejenigen, die nicht-tödlich vorgehen wollen, kann ich meine Waffen jetzt auch mit Holzmunition laden. Dadurch werden meine Opfer nur betäubt und nicht getötet. Tjanun … nicht wirklich realistisch, aber wer fragt da schon nach.
Irgendwie habe ich allerdings bis jetzt (ich habe das Spiel etwa halb durch) das Gefühl, dass ich mit nicht-tödlichen Nahkampfattacken besser vorankomme als mit dem snipern, was ich schade finde. Das liegt zum einen daran, dass ich oft keine geeigneten Punkte finde, an denen ich einen guten Überblick über die Lage habe und mehr als 2-3 Gegner sehe. Vielleicht stelle ich mich hier aber auch nur dumm an. Zum anderen erhalte ich auch erst später im Spiel einen geeigneten Schalldämpfer, mit dem ich meinen Standort nicht preisgebe.
Zugegeben, es gibt leisere Munition, die aber auch erst einmal gefunden werden muss. Außerdem kann ich wieder diverse Gerätschaften manipulieren, damit sie mit lauten Geräuschen meine Schüsse übertönen. Sehr praktisch. Übrigens ist die Kill-Cam auch wieder am Start, was aber nicht verwundert, denn das ist ja schon ein Markenzeichen der Reihe. Wer aber keine platzenden Gehirne oder durchlöcherte Nieren sehen möchte, kann dieses Feature natürlich auch abschalten.
Die Stärke der Gegner nimmt mit dem Vorankommen auch etwas zu. Plötzlich habe ich es nicht mehr mit Hans-Guck-in-die-Luft zu tun (manche Gegner haben ihre AI wirklich auf der Festplatte vergessen …) sondern mit starken Jägern, die sogar meine heimlichen Nahkampfattacken geschickt abwehren. Da muss ich mich dann doch auf mein gutes altes Gewehr verlassen oder ein paar Minen legen. Das Spiel lässt mir hier jedenfalls jede Menge Freiheiten und zwingt mich zur etwas genaueren Planung, was ich sehr schätze.
Um meine Missionen erfolgreich abzuschließen, stehen mir wieder jede Menge Waffen zur Verfügung, die ich nach und nach freischalte. Wenn sich jemand dafür entscheidet, sich laut ballernd durch die Gegner zu schnetzeln, dann ist das mit dem gebotenen Arsenal ebenfalls möglich. Ich persönlich entscheide mich allerdings immer für die Waffen, die am wenigsten weit zu hören sind. Aber das ist ja immer etwas Geschmackssache. Jedenfalls sollte hier jeder, je nach gewählter Spielweise, etwas Passendes finden.
Gute Upgrades? Ja und nein.
Ich werfe vor jeder Mission einen Blick in die Waffenkammer, überprüfe die Ausrüstung und entscheide dann, was ich mitnehme. Manchmal wurden neue Verbesserungen für meine Waffen freigeschaltet, die ich dann gerne nutze. Größere Magazine oder ein Visier, das einen besseren Zoom verspricht, sind da schnell montiert. Sollte ich mich mal vertan haben, kann ich das aber an Werkbänken während den Missionen auch noch ändern. Wieder eine kleine Verbesserung gegenüber der älteren Teile.
Andere gute Waffen finde ich manchmal unterwegs, kann diese aber nur so lange nutzen, bis das Magazin leer ist. Trotzdem nehme ich die Gelegenheit gerne wahr, wenn ich z.B. ein cooles Schafschützengewehr mit einem Schalldämpfer finde. Und obwohl ich ja die leise Vorgehensweise bevorzuge, sind Panzerfäuste doch irgendwie ganz geil …
Ich kann nicht nur meine Waffen verbessern, auch Karl bekommt neue Eigenschaften verpasst, wenn ich genug Erfahrungspunkte gesammelt habe. Aber ganz ehrlich: Da ist nichts dabei, was mich wirklich vom Hocker gehauen hätte. Schon nach ein paar verteilten Pünktchen habe ich nichts mehr gefunden, was mich wirklich interessiert hätte. Das Levelsystem hätte man sich meiner Meinung nach deshalb auch sparen können oder mehr Phantasie reinstecken müssen.
Das Beste kommt zum Schluss
Was ebenfalls aus den Vorgängerteilen übernommen wurde, sind die verschiedenen Möglichkeiten, wie ich den Ober-Nazi in jeder Mission ausschalten kann. Einmal lege ich eine Mine, über die er dann mit seinem Auto holpert, ein anderes Mal manipuliere ich einen Kronleuchter, der mein ahnungsloses Opfer unter sich begräbt, oder ich sitze einfach weit entfernt in einem Versteck und lasse mein Sniper-Gewehr sprechen.
Auch hier ist wieder Einfallsreichtum und Beobachtungsgabe gefragt. Und natürlich will ich meiner Zielperson, wenn möglich, ein phantasievolles Ende bereiten. Hier kann ich den Entwicklern mein volles Lob aussprechen, denn manchmal kann ich mich wirklich kaum entscheiden, welche der reizvollen Möglichkeiten ich nutzen soll.
Mein Fazit
Am grundlegenden Spielprinzip der Sniper-Elite-Reihe hat »Sniper Elite 5« nicht gerüttelt und das finde ich gut. Meine Erwartungen übertrifft das Spiel zwar nicht, trotzdem habe ich jede Menge Spaß. Das mag jetzt mancher anders sehen, aber für mich passt das so.
Das Gameplay ist solide und spielt sich jedenfalls auf der PlayStation 5 ruckel- und fehlerfrei. Bei der Grafik darf man keine Meisterleistung erwarten, trotzdem sind die Umgebungen alle hübsch und detailreich gestaltet. Es macht jedenfalls Spaß die teils weitläufigen Gebiete zu durchstreifen und nach günstigen Gelegenheiten Ausschau zu halten, um das Missionsziel zu erreichen. Das Leveldesign ist dabei wieder außerordentlich gut gelungen, wenn nicht sogar noch ein wenig besser geworden.
Auch vom Umfang her muss sich »Sniper Elite 5« nicht verstecken. 9 Hauptmissionen und jede Menge zusätzliche Nebenmissionen sollen ca. 20 Stunden Spielspaß bieten, wobei das bei mir wahrscheinlich auf 30-40 Sunden hinauslaufen wird. Obwohl es keine Überraschungen oder großartige Neuerungen gibt, würde ich »Sniper Elite 5« allen Fans dieser Reihe uneingeschränkt empfehlen.
»Sniper Elite 5« wurde von mir selbst gekauft. Ich habe keinen kostenlosen Reviewcode für dieses Spiel erhalten.
Immer wieder erfrischend zu lesen wie du in die Spiele dieser Reihe eintauchst. Vielleicht sollte ich mal die immer wieder auftauchenden Humble Bundle ausnutzen und mir die Sniper Elite für meinen Pile of shame zulegen. 😉
Auf jeden Fall :D
Ich empfehle ab Teil 3 einzusteigen. Teil 1 und 2 sind zwar auch irgendwie toll, gehen mir aber teilweise zu sehr in Richtung Shooter.