Vrooom macht mein fliegendes Motorrad. Vrooooooom. Schon düst eine junge Hexe durch den blauen Nachthimmel, der sich über eine einfarbig grüne Bodentextur erstreckt, aufgelockert durch kantige Bäume im Low-Poly-Look. Mein innerer Botaniker frohlockt, denn ich erkenne das Gewächs: Es handelt sich eindeutig um Laubbäume vom Typ Copyus Pasteus, ein äußerst aggressives Pflänzchen, das, einmal ausgesäht, geschwind jede andere Fauna aus der Region vertreibt.
Ein Rennspiel…?
Aber was kümmert mich der Boden, was kümmert mich die Monokultur des Waldes, in »Vroom in the night sky« fliegt mein Motorrad! Meine Aufgabe als Hexe ist es, so erklärt ein Fliegevieh, Sternenstaub zu sammeln. Und jetzt wird mir auch klar, was das für ein Spiel ist: Ich muss durch Checkpoints fliegen, am oberen Bildschirmrand ist eine Stoppuhr – natürlich, dass hier ist ein Art Rennspiel. Nach erreichen aller Checkpoints öffnet sich ein Tor und ich kann den Level verlassen. Gleichzeitig verrät mir eine Benzinanzeige, dass ich meine Ressourcen im Blick behalten muss. Wenn ich zu wagemutig bin, stürze ich sicher ab.
Aber ääääh…. was war nochmal mit dem erwähnten Sternenstaub? Nach fünf durchflogenen Checkpoints endet der Level, egal, wie viel Staub ich eingesammelt habe. Und der Timer, der so gewissenhaft meine Zeit misst? Der vermerkt zwar artig, wie lange ich zum Beenden des Levels benötige, was allerdings ohne eine damit verknüpfte Bedingung wie “Sammle 75 Sternenstaub” irgendwie herrlich sinnlos ist.
Ein Arenashooter…?
Kurz zweifele ich: Trügt mein Eindruck? Ist das hier vielleicht gar kein Rennspiel?! Wie zum Beweis taucht plötzlich eine gegnerische Hexe auf, die mir den Sternenstaub wegsammeln will. Ha! Das ist ja wirklich kein Rennspiel. Das hier ist ein Arenashooter. Also stürze ich mich auf die Konkurrentin, die erratisch durch die Gegend fliegt wie nach durchzechter Walpurgisnacht. Meine magischen Lenkraketen zeichnen rose Leuchtspuren in den blauen Himmel, ganz klar: Arenashooter. Aber irgendwie wehrt sich meine Gegnerin nicht – vielleicht tatsächlich zuviel Krötenaugenschnaps?!
Nach ein paar Salven magischer Geschosse verkrümelt sich die Hexe und ich habe erneut den Nachthimmel für mich alleine – sowie all die stellaren Mikropartikel, die zur Lösung des Levels immer noch keinerlei Relevanz haben. Ein weiterer Gegner taucht auch nicht mehr auf. Also gut, dann probiere ich was neues: Was passiert eigentlich, wenn mir das Benzin ausgeht? Erste Erkenntnis: Für ein Spiel, dessen Level sich in 60 Sekunden beenden lassen, habe ich erstaunlich viel Treibstoff mit an Bord. Ganze zehn Minuten zielloses umherfliegen dauert es, bis die Tanknadel endlich auf “Leer” steht. Zweite Erkenntnis: Wenn der Tank leer ist, fährt das Motorrad zwar nur noch am Boden, aber es fährt.
Eine Sportsimulation…?
Plötzlich fällt mir ein weiteres Element am Spiel auf. Jetzt hab ich es endlich verstanden, »Vroom in the night sky« ist eine Art Sportsimulation, wie Tony Hawk’s Skateboarding. Mit waghalsigen Manövern, die alle irgendwie das Wort “Magical” in sich tragen lassen sich Punkte gewinnen: Magical Turning: 300 Punkte. Magical Thrilling: 250 Punkte. Magical Failure (ich bin mit einem Fels kollidiert): -150 Punkte. Aber müsste für die Highscore-Jagd nicht irgendeine Form von Abbruchbedingung existieren? Ohne Zeit- oder Ressourcenlimit kann ich schließlich beliebig viele Punkte sammeln. Also auch kein Sportspiel….
Vroooooom
Klartext: Ich habe keine Ahnung, was »Vroom in the night sky« für ein Spiel sein will. Es ist kein Rennspiel, es ist kein Arenashooter und auch kein Sportspiel. Es geht nicht ums sammeln von Ressourcen (die mir eh niemand strittig macht), obwohl das Spiel es behauptet. Es hat auch keine Siegbedingung und keine für die Niederlage. Der Timer hat keine Auswirkungen, der jeweils eine Gegner pro Level wehrt sich nicht und wenn mir das Benzin ausgeht, was sowieso nur passieren kann, wenn ich es drauf anlege, kann ich ohne Benzin zur Tankstelle fahren, um den Treibstoff wieder aufzufüllen. Auch die Punkte spielen keine Rolle, können sie gar nicht, denn es gibt keine Form von Zeitbegrenzung, die mich unter Druck setzen würde.
Das irritierendste am Spiel ist allerdings, dass es tadellos funktioniert. Natürlich, es sieht aus als hätte jemand ein Unity-Tutorial mit Gratisassets nachgebaut und das Spieldesign ist aus der Hölle, aber aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund funktioniert »Vroom in the night sky« auf einer technischen Ebene. Es gibt keine Abstürze, keine Bugs, keine Grafikfehler, keine Ruckler und Steuerung sowie Menüs funktionieren zuverlässig. Warum allerdings jemand genügend Kompetenz besitzt, um eine Qualitätssicherung seines Spiels durchzuführen, aber nicht genügend Kompetenz, um zu erkennen, dass sein Spieldesign Schrott ist, übersteigt mein Verständnis. Die einzige sinnvolle Erklärung, die mir einfällt, lautet: »Vroom in the Night Sky« ist kein Unfall, sondern Vorsatz. Irgendjemand versucht hier, Nintendos Qualitätssicherungsstandards zu entblößen. Anders kann ich mir das nicht erklären. Vrooooooom.