Das Leben eines Gaming-Bloggers ist voller First World Problems. Testmuster sind da ein Punkt davon, denn bekommt man eines, so fühlt man sich verpflichtet, diesem auch einen Artikel zu spendieren. Ist das Spiel gut, so macht man das natürlich gerne – so auch in diesem Fall. Als Blogger kommt aber noch hinzu, dass man nebenbei andere Verpflichtungen abseits des Spielens hat, wie zum Beispiel eine wichtige Prüfung, die zwei Wochen später ansteht – so auch in diesem Fall. Kommen also beide Fälle zusammen, so ist die Katastrophe, der man sich gerne widmet, vorprogrammiert. Dass ich den ersten Teil meiner Prüfung geschafft habe, liegt also nicht an »Risen 3 – Titan Lords«, sondern daran, dass ich mich immer wieder losreißen konnte, um nicht doch wieder einen ganzen Tag zu versenken. Um »Risen 3« geht es heute also.
Nachdem ich wieder mal bewiesen habe, dass ich nur umständliche Einleitungstexte hinkriege, kann ich ja mal über das Spiel reden: »Risen 3« ist das Sequel zum Sequel zum inoffiziellen Sequel zum Sequel zum Sequel eines der bekanntesten und beliebtesten Spiele deutscher Herkunft: »Gothic«. Über die Originalreihe will ich an dieser Stelle nicht viele Worte verlieren, aber über die Reihe seit Risen. Den ersten Teil habe ich damals mit Spannung erwartet und wurde auf einem recht hohen Niveau enttäuscht: Zu wenig hat sich getan, zu wenig hat sich das Spiel angefühlt, als hätte es in den 10 Jahren zuvor irgendwelche Neuerungen gegeben. »Risen 2 – Dark Waters« hat versucht einiges zu ändern, verlor sich aber in den Schläuchen seines Designs und seiner Geschichte.
Serientypisch startet »Risen 3« mit der Einführung eines namenlosen Helden, der all seine Fähigkeiten verliert. War es im zweiten Teil noch der Suff und das Lotterleben, was den Protagonisten schwach gemacht hat, so wird jetzt zu radikaleren Methoden gegriffen, indem man ihn einfach tötet, als er zusammen mit seiner „talentierten“ Schwester Patty eine alte Ruine nach Schätzen durchsucht. Vergraben zurückgelassen, wird Mr. Namenlos kurze Zeit später durch einen Voodoo-Zauber wiederbelebt, wenn auch nur zum Teil, denn bei dieser Prozedur erlangte er nicht seine Seele zurück, die ihm beim Tod von den „dunklen Schatten“ geraubt wurde. Diese gilt es nun also mithilfe der Wächter, der Eingeborenen Kilas oder den Dämonenjägern zurückzuholen und nebenbei natürlich die Welt vor dem Untergang zu retten. Der Zustand der eigenen Seele stellt dabei ein interessantes Moral-Konzept dar: Verhält man sich böse, so verliert man Seelenpunkte, die nicht nur auf das Ende Einfluss nehmen, sondern auch darüber entscheiden, welche Begleiter man mitnehmen kann, also ähnlich wie in RGPs der D&D-Tradition, wo ein rechtschaffen-guter Charakter sehr wahrscheinlich nicht mit einem chaotisch-bösen Protagonisten mitgeht. Die Story liefert also einen Aufhänger für ein interessantes Moral-Konzept.
Die Welt ist wie gewohnt rau und unbarmherzig. Das Markenzeichen der Gothic- und Risen-Spiele war schon immer, dass es keine Welt liefert, in der fröhlich alle nebeneinander leben, sondern jeder grundsätzlich egoistisch ist. Daran ändert sich auch in »Risen 3« nichts und es ist immer noch erfrischend, dass man nicht permanent mit fröhlich tanzenden Elfen konfrontiert wird. Geografisch wird eine Mischung der Welten der Vorgänger zur Verfügung gestellt, sodass man zwischen karibischen Träumen und mittelalterlichen Festungen hin und her wechselt, was sehr angenehm ist, denn beides kann auf Dauer eintönig werden. Dabei empfand ich es wiederum als sehr positiven Schritt nicht mehr für mehrere Stunden in einer Gegend gefangen zu sein, nachdem man sie betreten hatte, wie es in »Risen 2« der Fall war. Hat man die einleitenden Ereignisse nach ein paar Minuten überstanden, so steht es dem Spieler frei, wieder abzuhauen.
Allgemein steht sehr viel im Zeichen der Freiheit: Jede Gegend ist groß genug um mehrere Stunden zu begeistern und die Quests sind so aufgebaut, dass man sich fast immer frei entscheiden kann, was man als Nächstes angeht. Dass man dabei zwischenzeitlich in kleinen Aufgaben fast begraben wird ist dann ein Nebeneffekt, der mich persönlich aber motiviert hat, denn ich hatte immer genug Möglichkeiten meine nächste Zeit zu planen. Dass man mal gar nicht weiß, was zu tun ist, kommt wirklich selten vor. Es ist also ein gelungener Spagat aus Freiheit – welche sich auch in der von Anfang komplett frei begehbaren Gegend äußert, wenn man mal von den Gegnern absieht, die einen immer die eigenen Grenzen aufzeigen – und einem System, welches den Spieler stets an die Hand nimmt. Sehr, sehr schön gemacht!
Ein großes Problem der Spiele der Essener Schmiede waren stets die Kämpfe. Entweder sie waren zu schwer, oder durch eine simple Klick-Klick-Klick-Taktik zu lösen. Besonders »Risen 2« führte den Kampf ad absurdum, denn nahezu jeder Gegner war einfach zu bekämpfen, wenn man nur ausdauernd genug die linke Maustaste bearbeitet hat. Ich weiß nicht, was genau es ist, aber Piranha Bytes haben es geschafft, diesem ein Ende zu setzen und als ich anfangs wie gewohnt mutig vorpreschte, war dem Halbleben meines Protagonisten schnell ein Ende gesetzt. Hat man aber erst mal den Dreh raus und lässt sich auf den Parieren-Konter-Angriff-Tanz ein, so bekommt man fordernde, aber selten unfaire Kämpfe. Hinzu kommt auch noch, dass Monsieur Namenlos sich nun wegrollen kann, um einem Angriff auszuweichen und den Gegner von hinten zu bearbeiten. All das sorgt für unglaublich dynamische Kämpfe, vor allem wenn die Gegner, wie sie es sehr häufig tun, im Doppel- oder Dreier-Paket kommen. Einzig gelegentliche KI-Aussetzer trüben diesen Eindruck, die zum Beispiel dafür sorgen, dass der Feind einen Schritt zurück macht um dann die Schläge gelassen und ohne Reaktion einzustecken.
Etwas mühsam hingegen fand ich die Implementierung des Magie-Systems: Wie eine Waffe wählt man einige Zauber aus der Quickslot-Leiste aus, um dann den Prozess zu starten. Wenn man sich in Ruhe auf den Gegner vorbereiten kann, funktioniert das sehr gut, aber im Eifer des Gefechts hatte ich fast immer den Heilzauber parat, obwohl ich dem Gegner eigentlich nur mit einem Blitz das letzte Fitzelchen Leben klauen wollte, nur um dann auf die Fresse zu kriegen, weil ich mich kurz nicht wehren konnte. So gibt es zwar auch Sekundärzauber, die nebenbei gestartet werden können, aber die waren mir dann die Mühe des Trainierens nicht wert. Im Endeffekt habe ich mich dann auf den Nahkampf konzentriert, der kein umständliches Wechseln erforderte. »Skyrim« hat vor drei Jahren gezeigt, wie es besser geht und ein ähnliches System hätte in »Risen 3« vielleicht auch besser funktioniert. Insgesamt machen Kämpfe aber deutlich mehr Spaß und die Tatsache, dass Señor Namenlos sofort fertiggemacht wird, wenn man nicht aufpasst, hat einen großen Anteil daran.
httpv://www.youtube.com/watch?v=ZGllFugJaMg&feature=youtu.be
Als ich Anfang Juli Piranha Bytes einen Besuch abstatten durfte und nach Gesprächen mit Entwicklern, leckerem Grillfleisch und ein paar Bieren endlich Hand an das Spiel legte, war jeglicher Zweifel verflogen: Die Essener haben es geschafft mit »Risen 3« endlich das Spiel vorzulegen, das wir uns seit »Gothic 2« gewünscht haben. Zwar wurde mir damals nur ein kurzer Ausschnitt gezeigt – Hey, in einer Stunde Spielzeit kann man ein RPG einfach nicht beurteilen – aber das fertige Produkt zeigt, dass mein damaliger Eindruck nicht verkehrt war. »Risen 3« ist ein rundum gelungenes Spiel, das mit seiner kantigen Art zwar hin und wieder etwas altbacken, dafür aber auch unglaublich charmant rüberkommt. Ich hatte mächtig Spaß beim Spielen und musste mich immer wieder zwingen, dass aus meinem 1-stündigen Anspielen, das ich mir während der Lernphase pro Tag erlaubt hatte, nicht ein abendfüllender Marathon wurde. Hätte ich nach meiner großen Enttäuschung von »Risen 2« nicht erwartet. Wer ein gut gemachtes Action-RPG sucht, der sollte sich »Risen 3 – Titan Lords« auf jeden Fall anschauen!