Zockwork Orange

Review: Mass Effect 2

Commander Shepard ist eine arme Sau: Nachdem er 2007 bereits von Bioware gezwungen worden ist den Helden zu spielen, wird er im Jahre 2010 erneut verpflichtet die Galaxis zu retten. Da das Leben als Held durchaus spannend ist, sind wir aber glücklicherweise in der Lage diese Abenteuer in MASS EFFECT 2, dem Nachfolger zu Mass Effect, nachzustellen.

Das neueste Werk aus der Schmiede der Kanadier Bioware, verantwortlich für meinen persönlichen Zeitfresser des Jahres 2009, Dragon Age: Origins, ist ein Science Fiction Action-RPG. Ob es MASS EFFECT 2 schafft seinen herausragenden Vorgänger noch zu übertreffen oder ihr das Spiel besser ignorieren solltet, lest ihr im folgenden Artikel. Getestet wurde die ungepatchte, englische PC-Version des Spieles.

(An dieser Stelle werde ich, wie üblich, ein paar Worte zu der Story verlieren. Da ich diese jedoch nicht ohne ein paar wenige Spoiler beschreiben kann, gebe ich für den diesen Absatz eine deutliche SPOILER-WARNUNG aus. Wer von der Story nicht zu viel wissen will, sollte beim nächsten Absatz weiterlesen!) Nach dem Angriff der Geth auf die Raumstation Citadel begibt sich der frischgebackene Held der Galaxis auf die Suche nach übrig gebliebenen Feinden. Als bei einer dieser Reisen Shepard durch den Angriff eines unbekannten Schiffes getötet wird, zerfällt die zuvor erlangte Einigkeit in der Galaxis gegen die Reaper, welche die Urheber für den Angriff der Geth sind. 2 Jahre später gelingt es der terroristisch geltenden, pro-menschlichen Gruppierung Cerberus, Shepard wiederzubeleben, damit dieser das rätselhafte Verschwinden von menschlichen Kolonisten aus verschiedenen Siedlungen aufklärt. Warum investiert das vormals eher feindlich gesinnte Cerberus so viel Geld in ein eher überflüssig erscheinendes Projekt und wer oder was steckt hinter diesen mysteriösen Entführungen? Und wer ist eigentlich “Der Unbekannte”, dessen Beweggründe, Shepard zu helfen, mehr als fragwürdig sind? Das sind Fragen mit denen man sich in MASS EFFECT 2 herumschlagen muss.

Die Geschichte spannt sich über eine Spielzeit von 20-30 Stunden und bleibt dabei sehr kurzweilig. Neben der gut erzählten Hauptgeschichte werden in klassischer RPG-Manier auch zahlreiche Nebengeschichten vorgestellt. So hat jeder einzelne Begleiter ein Problem, mit dem er sich an den Spieler wendet. Wird dieses Problem zur Zufriedenheit des jeweiligen Betroffenen erledigt, so gewinnt man dessen Loyalität und eine Spezial-Fertigkeit wird freigeschaltet. Doch sollte man diese Nebenstränge nicht nur um der Loyalität willen verfolgen, schließlich erhält man über diese kleinen Geschichten einen sehr viel tieferen Einblick in das Universum, in dem das Spiel stattfindet. Spieler welche den Vorgänger nicht gespielt haben, müssen sich übrigens nicht zieren: Dank eines eingebauten Lexikons im Spiel kann man sich unbekannte Begrifflichkeiten erklären lassen. Zwar baut die Geschichte auf den Vorgänger auf, aber die Geschehnisse werden immer wieder erläutert und auch in den Gesprächen ist es möglich an entscheidenden Stellen nachzufragen.

Die Atmosphäre ist ähnlich der von Dragon Age: Origins sehr dicht: Die Bedrohung durch die Collector ist allgegenwärtig und die Hilflosigkeit derer, die sich der Bedrohung bewusst sind, sehr glaubwürdig gestaltet. Erreicht wird dies durch die wieder mal sehr lebendige Gestaltung der Figuren, denen der Spieler über den Weg läuft. Es fällt leicht die eigenen Mitstreiter entweder ins Herz zu schließen oder deren Absichten abzulehnen, auch wenn man immer wieder vor moralische Dilemma gestellt wird. Dieses Konfrontieren mit moralischen Dilemma scheint zu einer wirklichen Stärke von Bioware zu werden, denn wie auch in Dragon Age: Origins, trägt dies sehr stark zur Identifikation mit der eigenen Spielfigur bei. Wer übrigens vorausschauend genug war und seinen Spielstand aus Mass Effect gesichert hat, der kommt in das Vergnügen, dass sich alle Entscheidungen im Vorgänger auf das neue Spiel auswirken – Ein wirklich gelungenes und spannendes Feature!

In Sachen Spielmechanik lässt sich MASS EFFECT 2 am ehesten als Shooter mit starken RPG-Anteilen bezeichnen. In der Third-Person-Perspektive schießt sich der Spieler durch die diversen Welten und wird dabei von diversen Fähigkeiten begleitet. So ist es Jedis, ähhh… biotisch begabten Charakteren möglich, den Gegner mit der Fähigkeit “Lift” in die Luft zu heben und damit wehrlos zu machen. Dabei lassen sich verschiedene Fähigkeiten miteinander kombinieren, um besonders effektiv zu sein. Dieses Fähigkeiten-System verleiht MASS EFFECT 2 leicht taktische Elemente, da der Spieler nicht nur dem eigenen Charakter, sondern den zwei Begleitern sagen kann, was diese tun sollen. Das geschieht über das Taktik-Menü, welches das Spiel pausiert, für PC-Spieler aber leider unnötig schwerfällig zu bedienen ist, oder in Echtzeit, mit der Verwendung von Hotkeys, was in Hektik ausarten kann. Insgesamt hätte die Steuerung ein bisschen durchdachter sein können, auch wenn man sich recht schnell daran gewöhnt. Die Kämpfe fühlen sich sehr dynamisch und abwechslungsreich an, auch wenn sie eine Spur schwerer hätten sein dürfen. Besonders zum Ende des Spieles lässt MASS EFFECT 2 etwas Biss vermissen, was aber auch an der Gewöhnung an die Steuerung liegen kann.

Von einer weiteren Schokoladenseite zeigt sich das Spiel bei der Grafik. Die Exotik der Planeten und der verschiedenen Rassen wird sehr glaubwürdig und schön herübergebracht und schwächelt eigentlich nur bei der Darstellung von Innenräumen, die sich stellenweise wiederholt. Aber auch hier wurde sehr viel wert darauf die Unterschiede der einzelnen Rassen einzufangen: Ob auf einem insektoiden Raumschiff, in einem Gefängnis oder einer vom Atomkrieg gezeichneten Welt, man merkt sofort, wie die Bewohner auf einen reagieren werden und wie diese gestaltet sind. Diese Detailverliebtheit zeigt sich auch in der Darstellung der Gesichts-Animationen: Der Spieler merkt allein schon am Gesicht, ob der Gesprächspartner verärgert, traurig oder fröhlich ist. Es ist wirklich erstaunlich, was Bioware aus der, inzwischen in die Tage gekommenen, Unreal Engine 3 herausholt.

Es gibt dennoch ein paar Punkte, die ich beim besten Willen nicht übersehen kann. Da wären zum einen die Minispiele: Beim Abbau von seltenen Rohstoffen für die Forschung, beim Knacken von Türen und beim Hacken von Computerterminals taucht jeweils ein eigenes Minispiel auf, welches aber auch jeweils spätestens nach dem zweiten Versuch einfach keinen Spaß mehr macht. Da hätte sich doch bestimmt auch eine andere Lösung finden lassen – Selbst das Auslassen wäre besser gewesen. Der Abbau von Rohstoffen hat aber noch einen gewissen Reiz, da sich hier ab und zu Bonus-Missionen finden lassen. Diese sind aber leider auch zu kurz und viel zu selten um echte Begeisterung aufkommen zu lassen. Auch die KI wird keinen Blumentopf gewinnen: Wer beispielsweise auf einen Gegner schießt, der weit genug von einem entfernt steht, der darf keinerlei Reaktion erwarten. Noch absurder wird es jedoch, wenn sich die eigenen Gefährten dazu entschließen, jegliche Befehle zu ignorieren und Selbstmord zu begehen, indem sie sich mitten ins Feuergefecht stellen.

Mass Effect 2 (Xbox 360, PC)
Entwickler: Bioware
Publisher: EA
Erscheinungsdatum: bereits erschienen
USK-Einstufung: ab 16 freigegeben

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Wieder einmal beweist Bioware mit MASS EFFECT 2 seine Stärke in dem Erzählen spannender Geschichten. Hier stimmt einfach alles: Story, Atmosphäre, Gruppenverhalten und Grafik. Wie auch bei Dragon Age: Origins habe ich mich erst nach Stunden wieder vom PC lösen können, so sehr hat mich dieses Science-Fiction-Epos gepackt. Für mich persönlich hätte es jedoch ein Hauch mehr RPG sein können: Die Entwicklung des Charakters sowie die Taktik in den Kämpfen kam mir persönlich einfach zu kurz. Insgesamt jedoch hat mich das neue Werk der Kanadier sehr viel stärker gefesselt als sein Vorgänger. Ich war begeistert von diesem kurzweiligen Werk und denke, ich kann MASS EFFECT 2 ohne Bedenken weiterempfehlen.

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