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Review: Gran Turismo 5

Gran Turismo 5: PackshotDer folgende Artikel fällt für mich eindeutig in die Kategorie ‘Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Artikel jemals schreiben werde‘. Denn: Am 24.11.2010 ist tatsächlich Gran Turismo 5 erschienen. Sony hat uns ja wirklich lange genug zappeln lassen, um den angestammten Thron der Rennspielserien neu besetzen zu wollen. Nun ist es endlich so weit. Also ab ans virtuelle Steuer, um zu testen ob Gran Turismo dem Rennspielgenre wirklich neue Maßstäbe verpassen kann.

Erster Eindruck

Nachdem man mit zitterigen Händen ehrfürchtig die Blu-ray in das dankbar grinsende Laufwerk geschoben hat, wird man wahrlich nicht enttäuscht. Ein Intro in Spitzengrafik erzählt, untermalt von einem herrlichen Soundtrack, zunächst einmal die Geschichte des Autos von der Fertigung bis zum Rennen auf dem heißen Asphalt. Da heißt es erst einmal: Zurücklehnen und dieses (ungewohnt lange) phänomenale Intro genießen. Dieses kann man im Fall eines dringend notwendigen weiteren Spielstarts aber natürlich auch wegklicken.

Das folgende Hauptmenü ist gegenüber der gewohnten Spielmechanik der Vorgänger von Grund auf neu organisiert, weiß aber den Charme der Serie sowohl optisch als auch vor allem akustisch aufzufangen. Wenn man die ganzen Optionen durchgeht, weiß man allein durch den Auswahlsound ganz genau, welches Spiel man gerade spielt.

Vielfältiger als je zuvor

Allein die ganzen Möglichkeiten im Hauptmenü könnten besonders Anfänger zu beginn etwas verschrecken. Alte GT-Füchse kommen mit dem altbewährten Vorgehen aber noch immer weiter: Zum Autohändler gehen und das anfänglich spärlich vorhandene Geld in einen amtlichen (Gebraucht-)wagen investieren, um erste Rennerfahrungen machen zu können. Hierbei hat man die Auswahl aus über 1000 Autos, welche jeweils lizenziert ihrem realen Vorbild nachempfunden sind. Das Tutorial kommt wie in dieser Serie üblich als Führerscheinprüfung in vielen kleinen Akten daher. In den Prüfungen der A-Lizenz lernt man grundlegende Fertigkeiten wie Beschleunigung, Bremsen sowie das Fahrverhalten an sich kennen.

Eine wichtige Neuerung sollte spätestens hier auffallen: Für bestandene Prüfungen, bestrittene Rennen und gewonnene Turniere erhält man nun Erfahrungspunkte. Das eigene Können wird somit erstmals in einem Level festgehalten. Dies führt zum Beispiel dazu, dass selbst wenn man genug Geld hätte, nicht jeden Traumwagen von Anfang an fahren kann, sondern zunächst den freischaltenden Level erreichen muss. Der eigene Level ist zudem in Multiplayer-Partien vonnöten um größere Rennen mit erfahreneren Gleichgesinnten zu bestreiten.

Wetter, Schäden und Spielmodi

Wichtig sind natürlich die versprochenen neuen Features. Endlich gibt das Spiel ein wenig mehr Eigendynamik her, denn wechselndes Wetter kann das Klassement während eines Rennens ordentlich durcheinanderwirbeln. Mit den Nachtfahrten hat man so deutlich mehr Abwechslung in den einzelnen Rennen. Groß angekündigt wurde auch das Schadensmodell, ein wesentliches Feature auf welches ich mich wirklich gefreut habe. Die Umsetzung scheint doch leider ein schlechter Scherz zu sein. Schäden werden bei der Kollision kurz in einem skizzierten Grundriss des Wagens am unteren linken Bildschirmrand durch rotes Aufleuchten angezeigt, ohne jedoch einen Effekt zu haben. Das Fahrverhalten ändert sich auch nach dem 5. Frontalzusammenstoß und dem 3. Überschlag (was jetzt immerhin möglich ist) nicht. Rein optisch sind die Schäden auch erst ab Level 20 zu sehen – aber noch immer ohne Effekt. So ist es nach wie vor möglich, Rennen durch besonders rücksichtslosen, nicht aber durch besonders guten Fahrstil für sich zu entscheiden. Schade.

Darüber mögen auch die eigentlich gut gemeinten Herausforderungen wie z.B. Rallye, Kart, NASCAR oder gar Formel 1 Fahrten nicht gänzlich hinweg trösten. Wer es gerne mag, kann nun auf einen mitgelieferten Streckeneditor zurückgreifen um eigene Strecken zu entwerfen und zu befahren. Leider ist das Bauen einer Rennstrecke mit einem Gamepad alles andere als komfortabel und ein solches Vorhaben will daher gut durchdacht sein. Dank der guten Anbindung an das Playstation Network wird man aber so mit Sicherheit an einige gute Strecken kommen, welche fleißige Fans zuhauf bereitstellen.

Eben jene Hardcore-Fans werden auch eher Gefallen an dem sogenannten B-Spec-Modus finden, in dem man im Prinzip wie in einem Managermodus einen virtuellen Fahrer erstellt und diesen durch eigene Anweisungen über die Strecke heizt.

Ein Augenmerk sei an dieser Stelle noch auf den wieder integrierten Photo Mode gelenkt, in dem wahre Autofetischisten ihr Gefährt aus allen möglichen Winkeln fotografieren können. Die Fotos werden vom Spiel anschließend noch grafisch etwas aufpoliert und können dann ins Familienalbum aufgenommen werden.

Tuning als Kulturgut der motorisierten Seele

Der letzte Schritt vor dem erfolgreichen Bestreiten einer Rennserie ist der wahrscheinlich wichtigste: Das richtige Setup finden. Allein zu diesem Zweck steht dem Spieler wieder einmal ein Shop für die Autoteile der besonderen Art zur Verfügung. Über neue Federungen, Sportreifen, Hochleistungsmotoren bis hin zur Motorwäsche und dem Tieferlegen des eigenen Wagens kann man mit erspielten Credits nahezu alles verbessern und einstellen. Diese Bastelei übt seit jeher den größten Reiz auf mich aus. Frei nach dem Prinzip: von der Schrottkarre zum Hochleistungsboliden.

Ab auf die Piste

Hat man dann alles zu seiner Zufriedenheit erledigt, kann man auch getrost mal den Kern des Spieles ausprobieren: Rennen fahren. Dieses macht nach wie vor einfach nur Spaß. Die Grafik sucht auf diesem hohen Niveau seinesgleichen und auch der vielfältige Soundtrack weiß über das gesamte Spiel mit einer Mischung aus Lounge, Jazz, Elektro und Rock durchaus zu überzeugen. Während dieses Sinnesrausches steuert man das Vehikel seiner Wahl über mehr als 27 mitgelieferte Rennstrecken, welche in verschiedenen Ausführungen befahrbar sind. Darunter auch die ordentlich abgebildeten Städtekurse von Madrid und Rom.

Das Verhalten des Wagens ist für ein Videospiel schon erstaunlich realistisch, auch wenn sich richtiges Autofahren natürlich noch immer ganz anders anfühlt. Aus diesem Grunde wird von der Seite des Herstellers ein Lenkrad anstelle eines Pads dringend empfohlen.

Der einzige leise Kritikpunkt an dieser Stelle: Das Auto, sowie die Strecke wirken teils (je nach Ansicht) so, als würde das Auto stillstehen und nur die Strecke bewegt werden. Dieses Problem habe ich gerade bei Rennspielen öfter und habe das auch schon einmal besser gelöst gesehen.

Gran Turismo 5 (Playstation 3)
Entwickler: Polyphony Digital
Publisher: Sony Computer Entertainment
Erscheinungsdatum: bereits erschienen
USK-Einstufung: ohne Altersbeschränkung

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Fazit: Unter dem Strich ist Gran Turismo 5 eines der besten Rennspiele der aktuellen Zeit. Sicherlich ist es nun auch die absolute Genre-Referenz für Playstation 3-Besitzer. Jedoch ist eine gewisse Vorsicht angebracht, da sich mit der Forza-Reihe in den vergangenen Jahren eine ernstzunehmende Konkurrenz auf der Xbox entwickelt hat. Einen konkreten Vergleich mag ich an dieser Stelle nicht ziehen, da dieser eh erst dann interessant wird, wenn einer dieser Titel auch für die jeweils andere große Konsole veröffentlicht werden sollte.

Gran Turismo 5 stellt den Anspruch, ‘the real driving simulator‘ zu sein. In Sachen Simulation schneiden mir dafür elementare Dinge wie ein realistisches Schadensmodell leider zu schlecht ab. Darüber hinaus gibt es eigentlich nicht viel zu meckern und jeder Rennspiel-Fan sollte sich dieses Werk ohne Bedenken zulegen können – falls noch nicht geschehen.

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