Microsoft hat den Kampf um die aktuelle Konsolengeneration deutlich verloren. Laut letzter Zahlen wurden weltweit mittlerweile etwa doppelt so viele Playstation 4 wie Xbox One verkauft. Die Niederlage der Redmonder ist so umfassend, dass zwischenzeitlich schon manch einer befürchtete, Microsoft könne sich komplett aus dem Konsolengeschäft zurückziehen. Um diesen Punkt direkt vorweg zu greifen: Es besteht kein Zweifel daran, dass tatsächlich eine »Xbox Two« erscheinen wird und es gibt bereits deutliche Hinweise, mit welcher Strategie Microsoft die nächste Konsole erfolgreich machen wird. Eine Prognose.
Wie Microsoft die nächste Generation vorbereitet
Aus der Tatsache, dass eine »Xbox Two« erscheinen wird, lässt sich zunächst eine wichtige Annahme ableiten: Microsoft wird sich sehr genau ansehen, warum die Xbox One bei den Fans durchgefallen ist. Sie haben den Markt mit der Xbox One falsch eingeschätzt, aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass ihnen so ein schwerer Fehler erneut passiert. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass Microsoft aufgrund ihrer derzeitigen Position der Schwäche überkompensieren werden, um die an Sony verlorenen Kunden zurückzuholen. Dafür müssen sie die Eigendynamik entfachen, die bereits die Xbox 360 und die Playstation 4 zu einem Erfolg gemacht haben: Starker Start bedeutet viele Kunden, bedeutet viele Spiele, bedeutet viele Kunden.
Neben den ausgesprochen schlechten Startbedingungen der Xbox One (Die Resonanz war sowohl bei der Vorstellung als auch nach der E3 2013 extrem negativ) ist das größte Problem der Konsole ihr Mangel an Exklusivtiteln. Hier steht Sony mit Spielen wie Bloodborne, God of War, Horizon: Zero Dawn und Uncharted 4 eindeutig oben in der Gunst der Spieler. Doch Microsoft ist sich dieses Problems bewusst und befindet sich momentan auf großer Einkaufstour: Bereits auf der E3 2018 haben sie den Kauf bzw Aufbau von fünf Studios verkündet. Neben dem neuen Studio The Initiative gehören nun auch die Forza-Macher von Playground Studios fest zu Microsoft, sowie Ninja Theory (DmC: Devil may Cry, Hellblade: Senua’s Sacrifice), Undead Labs (State of Decay) und Compulsion Games (We Happy Few). Zusätzlich wurden im November Obsidian Entertainment (Fallout: New Vegas, Pillars of Eternity) und InXile Entertainment (Wasteland 2, Torment – Tides of Numenera) aufgekauft, außerdem befindet sich Microsoft laut Gerüchten derzeit in Verhandlungen mit einem weiteren, noch unbekannten Studio, das bislang eher mit Sony assoziiert war.
Zwischenstand des Gedankengangs:
- Microsoft wird eine »Xbox Two« veröffentlichen.
- Sie werden überkompensieren, um die Fans zurückzuholen.
- Sie haben verstanden, dass die Xbox One an den fehlenden Exklusivtiteln gescheitert ist.
Allerdings: Traditionellerweise sind Exklusivspiele große AAA-Produktionen, die mit modernster Technik die Leistungsfähigkeit der Konsole demonstrieren und so die Kunden zum Kauf animieren sollen. So beliebt Entwickler wie Obsidian und InXile unter ihren Fans auch sind: Für wirklich große Titel sind diese Studios nicht bekannt. Ähnliches gilt auch für die anderen genannten Entwickler, die in der Vergangenheit eher mit Fanlieblingen als durch Blockbuster aufgefallen sind. Weshalb das trotzdem in die Strategie passt, wird weiter unten noch noch geklärt werden.
Die Abschaffung des Vollpreisspiels
Wenn Microsoft die »Xbox Two« ankündigt, müssen sie aktuelle Trends der Branche einen Schritt weiter denken und die Fans mit einer radikalen Botschaft abholen, damit diese aus dem Bauch heraus “Das will ich!” rufen. Diese Botschaft lautet: Die »Xbox Two« schafft das Vollpreisspiel ab und setzt vollständig auf ein Abomodell. Ohne weitere Bedingungen bekommt man für 15$ im Monat jedes Spiel am Releasetag. Natürlich wird es formal weiterhin die Möglichkeit geben, Spiele auch zu erwerben, um den Übergang für die Kunden so schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Der Fokus wird allerdings klar auf dem Abo liegen, das auch die Spieler mit der Zeit adaptieren werden und das, ähnlich wie der Übergang von physischen zu digitalen Käufen, das Vollpreisspiel mehr und mehr verdrängen wird.
Hier sind die Gründe dafür: Die Branche versucht schon lange, den Einzelhandel als Zwischenhändler loszuwerden. Insbesondere die Gebrauchtverkäufe via GameStop sind ihnen ein Dorn im Auge, weshalb sie bei der Xbox One ursprünglich geplant hatten, Gebrauchtspiele mit einer “Freischaltgebühr” unattraktiv zu machen, was zu großen Protesten der Fans geführt hat. Allerdings arbeitet die Zeit in dieser Hinsicht für Microsoft: Seit 2013 ist die Digitalisierung stetig fortgeschritten. Der Anteil an Digitalverkäufen ist in den letzten Jahren (insbesondere im Xbox Heimatmarkt USA) kontinuierlich auf Kosten physischer Versionen gestiegen, außerdem haben sich mit Netflix, Amazon Prime, Spotify und ähnlichen Services innovative Geschäftsmodelle etabliert, die bis vor wenigen Jahren neu und unbekannt waren. An all diese Dinge haben sich die Kunden nicht nur mittlerweile gewöhnt, sie schätzen sie sogar.
Es gibt weitere gute Argumente für die Publisher, ihre Spiele im Abonnement anzubieten: Ubisoft erzielt mittlerweile mehr Gewinne durch Microtransaktionen als durch digitale Spieleverkäufe selbst. Für die Spieler beobachtbar ist diese Erkenntnis an der Menge an Spielen, die auf das GaaS-Modell (Games as a Service) setzen: Immer mehr Entwickler gehen dazu über, Videospiele als Dienst anzubieten, die ständigen Änderungen und Erweiterungen unterworfen sind. Neben Ubisoft (The Division, For Honor) und Activision (Destiny, Overwatch) sind die neuesten Teilnehmer an diesem profitablen Marktbereich Bethesda mit Fallout 76 (Unsere Kritik zu Fallout 76) und Anthem von Electronic Arts, das im Februar 2019 online gehen wird.
Ein anderes Indiz, wie erfolgreich dieses Modell ist, ist der neueste Trend, kostenpflichtige Seasonpässe wieder abzuschaffen und den Spielern stattdessen regelmäßig neue Inhalte gratis zur Verfügung zu stellen, etwa bei Battlefield V (EA) oder The Division 2 (Ubisoft). Der typische Vollpreis für Grundspiel und Inhaltserweiterungen rückt in den Hintergrund, weil es wesentlich profitabler ist, Spieler durch kostenlose Updates am Ball zu halten und ihnen währenddessen kosmetische Gegenstände und Erfahrungspunktebooster zu verkaufen.
Zusätzlicher Vorteil von Abos ist die Planbarkeit des Umsatzes und die Minimierung des Risikos für die Publisher. Während die bisherige Antwort auf die volatile Videospielbranche lautete, keine Experimente zu wagen und erprobte Spielideen zu jährlich erscheinenden Mega-Franchises auszubauen, würden künftig vorhersehbare Einkünfte aus Abogebühren die Gefahr der Insolvenz minimieren. Das schafft Raum für kreative Spielideen und neue Marken.
Erste Versuche, Spieleabos in der Videospielbranche zu etablieren, existieren zudem bereits: Microsoft bietet den Xbox Game Pass, EA hat Origin Access Premier, Sony Playstation Now und Nintendo vermengt die Bezahldienste für Onlinemultiplayer und Spieleflatrate zu Switch Online. All diesen Services ist gemein, dass sie gegen eine monatliche Gebühr Zugang zu einem umfangreichen Pool von (zumeist älteren, mittlerweile jedoch auch mehr und mehr neueren) Videospielen gestatten. Microsoft und EA gehen mittlerweile sogar so weit, zukünftige Exklusiv- bzw First-Party-Entwicklungen grundsätzlich am Releasetag auch im Abo anzubieten. Bei den Hardcore-Fans ist das längst angekommen: Kunden, die solch einen Service in Anspruch nehmen, geben im Schnitt 45% mehr für Videospiele aus als der Durchschnitt, und leisten sich doppelt so viel an Zusatzinhalten, wie etwa Seasonpässe oder kosmetische Gegenstände. Hinsichtlich der stetig wachsenden Akzeptanz digitaler Produkte und des enormen Erfolges von Netflix und Co. ist der nächste konsequente Schritt in diese Richtung die vollständige Spielesammlung als Abonnement.
Grundlage des Netflix-Modells und Videospielstreaming
Doch was hat das mit dem Kauf von Obsidian Entertainment und anderen kleineren Entwicklern zu tun? Weiterer Vorteil regelmäßiger Gebühren ist die Querfinanzierung, die sie ermöglichen: Es muss nicht jedes einzelne Spiel ein Megaseller sein, stattdessen kommt es darauf an, langfristig Gewinn zu erzielen. Das schafft man, indem man den Kunden dazu bringt, sein Abo aktiv zu halten. Aus Sicht des Anbieters ist es daher zweitrangig, was, wann und wie viel ein Kunde tatsächlich spielen kann und möchte. Vielmehr kommt es auf die Vorstellung des Kunden an, er könne ständig etwas Interessantes spielen.
Das Netflix-Prinzip begünstigt diese Vorstellung durch Experimente und das Bedienen vieler unterschiedlicher Nischen. Selbst Spieler, die bislang nie Hardcore-RPGs wie Pillars of Eternity oder Wasteland 2 ausprobiert haben, haben durch das Abomodell das Gefühl, ohne Risiko etwas spielen zu können, von dem sie bislang nur gehört haben. Vorbild sind wieder Pay-TV-Anbieter, die darauf setzen, dass Kritiker und eine laute Fanbase aus Begeisterung Freunde, Bekannte und das Internet zum Abschluss eines Abos überreden. Während bei Vollpreisspielen Experimente schon fast traditionell an der Ladenkasse scheitern, begünstigt das Abos gerade solche Titel, weil es keine Einstiegshürde gibt. Deshalb sind diese nischigen Studios für Microsofts Strategie so wichtig: Sie produzieren vielleicht nicht das nächste Gears of War, aber jede Menge einzigartige Titel, durch die das Angebot abwechslungsreich bleibt.
Bekannt ist außerdem, dass Microsoft neben der »Xbox Two« an einem Projekt namens xCloud arbeitet, welches Spiele auf “jedes” Gerät streamen soll. Das bietet einen weiteren Vorteil für das angenommene Abomodell der nächsten Konsole: Nicht nur hätte Microsoft zum Start eine (überschaubare) Anzahl NextGen-Spiele, sondern zusätzlich einen großen Katalog älterer Titel und Indies, die nicht extra auf die neue Hardware portiert werden müssen. Da Kunden bei Abos von Beginn an eine große Auswahl erwarten, sind diese zusätzlichen Spiele via Stream wichtig für den erfolgreichen Start der »Xbox Two«.
Fazit
Die Erwähnung der nächsten Xbox auf der E3 2018, die Studioeinkäufe der letzten Zeit und Projekt xCloud zeigen: Microsoft will es noch einmal wissen. So wenig Enthusiasmus sie ihrer aktuellen Hardware entgegenbringen, umso mehr scheinen sie sich auf den Neustart vorzubereiten. Daher werden die Redmonder beim nächsten Mal keine Kompromisse eingehen, sondern Sony von Anfang an unter Zugzwang setzen. Schaffen werden sie es mit einem Angebot, das die Spieler nicht ablehnen können: Es wird viele tolle Spiele geben und jeder wird sie bekommen.