Und schon wieder renne ich um mein Leben und hetze blutverschmierte und mit Leichenteilen übersäte Gänge entlang. Mein keuchender Atem geht im Kreischen des kettensägenähnlichen Teils meines durchgeknallten Verfolgers unter. Dieser möchte, wie ich stark vermute, mit meinen Eingeweiden das sowieso schon blutbesudelte Ambiente weiter verschönern. Keine Zeit zu verschnaufen, bleibe ich stehen, werde ich sofort aufgeschlitzt. Irgendwelche tollen Waffen, mit denen ich mich verteidigen könnte, habe ich leider nicht dabei, sondern nur einen kleinen Camcorder mit Nachtsichtfunktion. Die ist auch bitter nötig, denn kaum sprinte ich japsend um eine Ecke, wird es stockdunkel und ich sehe nichts mehr. Durch meinen Camcorder entdecke ich dann aber zu meinem Glück eine Tür. Mit letzter Kraft rette ich mich in ein gammeliges, angeranztes Nebenzimmer und verkrieche mich zitternd unter einem unappetitlichen Bett. Die Freude über die gelungene Flucht währt aber nicht lange, denn entsetzt muss ich kurz darauf feststellen, dass die Batterieanzeige meines Camcorders zu blinken anfängt. Ich merke wie eine erneute Panikattacke in mir aufsteigt …
Ihr kennt das vielleicht auch: Da habe ich ein Horror-Spiel gespielt, bei dem ich selbst vor Schreck fast mehrfach gestorben bin, und schwöre mir, nie im Leben so etwas nochmal anzufassen. Schweißgebadet lege ich Maus oder Controller aus der Hand, ziehe mir eine frische Unterhose an und lösche erst mal alle Spiele dieses Genres aus sämtlichen Wunschlisten. So ähnlich ist es mir jedenfalls nach »Outlast« gegangen.
Irgendwie verklärt sich aber wohl meine Erinnerung mit der Zeit, und was übrig bleibt ist die wohlige Empfindung, das Spiel fast ohne bleibende geistige Schäden überstanden zu haben. Und – schwupps – habe ich in einer masochistischen Anwandlung »Outlast: Whistleblower«, den DLC zu »Outlast«, zuerst auf meiner Wunschliste, dann in meinem Einkaufswagen und wenig später auch auf meinem PC. Schon beim Installieren stelle ich mir allerdings die Frage, ob ich noch ganz zurechnungsfähig bin. Will ich mich tatsächlich noch einmal der Gefahr einer Herzattacke aussetzen? Irgendwie wohl schon, denn es stellt sich eine gruselige, kaum nachvollziehbare Vorfreude bei mir ein, verbunden mit einem leichten Sträuben meiner Nackenhaare.
Entgegen meiner Vermutung, dass die »Outlast«-Story von Enthüllungsjournalist Miles Upshur in diesem DLC weitergeführt wird, schlüpfe ich hier in die Rolle von Waylon Park, einem Softwareentwickler der für die Mount Massive Nervenheilanstalt arbeitet. Er war es, der Miles Upshur den anonymen Hinweis gab, doch einmal in dieser unheimlichen Klapse nach dem Rechten zu sehen. Geschockt von den perversen Experimenten, die hier an den Insassen durchgeführt werden, will Waylon nämlich die ganze Sache auffliegen lassen. Dumm nur, dass ihm die Anstaltsleitung auf die Schliche kommt und er sich „freiwillig“ einweisen lassen und für die abartigen Experimente zur Verfügung stellen muss.
Gleich zu Beginn des Spiels werde ich deshalb von „Krankenpflegern“ überwältigt und in einen Behandlungsraum gesteckt. Durch den glücklichen Umstand, dass die durchgedrehten Insassen der Anstalt aber gerade den Aufstand proben, kann ich erst einmal heimlich entkommen. Ich klaue bei meiner hastigen Flucht besagten kleinen Camcorder und mache mich so schnell wie möglich vom Acker. Jetzt heißt es nur noch den rettenden Ausgang aus dieser Horror-Anstalt finden … und dabei überleben.
Was mir sofort wieder auffällt ist die geniale Soundkulisse, die Grafik mit den besonderen Licht- und Schatteneffekten und der „krisselige“ Blick durch den Camcorder. Das alles zusammen vermittelt mir die perfekt abgefahrene Atmosphäre, die ich schon aus dem Hauptspiel kenne. Ich bin in »Outlast: Whistleblower« noch keine zwei Schritte gelaufen und es ist noch nichts passiert, aber schon läuft es mir kalt den Rücken herunter. Schnappatmend starre ich auf den Monitor und meine Hände krampfen sich um den Controller. Kreischende und schmatzende Geräusche, die ich lieber gar nicht näher identifizieren will, ertönen hinter der nächsten Türe und mein Protagonist fängt entsetzt an zu keuchen. Mir stellen sich die Haare auf, da ich genau weiß, dass ich besagte Türe jetzt öffnen muss.
Der DLC steht dem Hauptspiel in nichts nach, was die Fähigkeit betrifft, mich mit subtilen Mitteln ständig unter Strom zu halten. Ich muss beispielsweise entsetzt und hilflos mit ansehen, wie ich fast zerstückelt werde und besonders zum Ende des Spiels hin schleppe ich mich immer lädierter und blutender voran. Ein schlauer Schachzug, denn durch meine eingeschränkte Bewegungsfreiheit wird die sowieso schon zum Zerreißen angespannte und bedrohliche Situation zusätzlich noch einmal verschärft. Ich merke, wie sich die Schweißperlen auf meiner Stirn bilden und flehe, dass doch jetzt endlich irgendwann dieser beschissene Ausgang in Sichtweite rückt.
Alles in allem birgt »Outlast: Whistleblower« allerdings keine großen Überraschungen gegenüber dem Hauptspiel. Gleicher Schauplatz, gleiche Steuerung, gleiche durchgeknallte Gestalten, die mir brutal an die Eingeweide oder die besten Teile wollen (Männer werden hier wohl noch unangenehmere Empfindungen haben als ich). Ich spiele eben nur einen anderen Protagonisten. Das klingt jetzt uninteressanter als es ist. Trotz oder eben wegen der Ähnlichkeit zum Hauptspiel gelingt es »Outlast: Whistleblower« wieder, meine Fantasie so anzukurbeln, dass ich schon in helle Panik verfalle, wenn ich nur daran denke, was sich hinter der nächsten Ecke befinden könnte. Hier habe ich wirklich wieder ein Stück hohe Kunst des Horror-Spiels vor mir.
Natürlich gibt es auch ein paar Jumpscares, aber die werden in »Outlast: Whistleblower« nur sehr sparsam und überlegt eingesetzt. Das Spiel hat es nicht nötig, mich so profan zu schocken.
Ach ja, ein paar Rätsel muss ich natürlich auch lösen, die aber keine besondere Schwierigkeit darstellen. Das ist nicht unbedingt schlecht, denn es ist für mich schon herausfordernd genug, mein nacktes Überleben zu sichern.
»Outlast: Whistleblower« ist ein nervenzerrender und brutaler Horrortripp, der allerdings fast keine neuen Erkenntnisse zu Story von »Outlast« bringt. Das macht aber nichts, wie ich finde, denn ich habe den DLC hauptsächlich wegen der abgefahrenen Atmosphäre, des Ekelfaktors und der Herzattackengarantie gespielt. Wer also den gut inszenierten und feinsten Horror von »Outlast« noch um zwei bis drei haarsträubende Stunden erweitern möchte, liegt mit diesem DLC genau richtig. Und hier noch mein Tipp: Unbedingt einen Stapel frische Unterhosen bereitlegen!
Gastautorin: Moni
Spielt seit der Erfindung des C64. Eindeutige Favoriten sind Schleich- und Actionspiele, ein wenig Ego-Shooter darf aber manchmal auch gerne dabei sein. Teilt ihre Erlebnisse in der virtuellen Spielewelt auf minkitink.de.