Rex
Als Julia starb, fiel O’Connor in ein tiefes Loch. Die Jungs und ich waren so gut wie möglich für ihn da, ganz der Alte wurde er aber nie wieder. Ich versteckte meine Trauer so gut ich konnte. Um stark zu wirken. Um ein Ankerpunkt für den Mann zu sein, der gerade seine Frau verloren hatte. Jeder wusste, jeder sah, dass sie die Welt für ihn bedeutete. Aber anstatt aufzugeben, machte Ronan weiter, wurde ein guter Cop, der aber niemals von unseren Kollegen als solcher akzeptiert wurde. Seine Vergangenheit hat ihm da immer einen Strich durch die Rechnung machen können. Das mag an seinen Knasttätowierungen gelegen haben, vielleicht aber auch an seiner Impulsivität. Immer mit dem Kopf durch die Wand, immer klar sein Ziel vor Augen, auch wenn er dadurch seine eigene Sicherheit ausblendete.
Wie zuletzt. Wir bekamen Hinweise bezüglich des Aufenthaltsortes des Glockenmörders. Ein übler Killer, der schon einige Opfer auf dem Gewissen hatte und am Tatort stets eine Art Glockensymbol hinterließ – wer letztlich auf den Spitznamen dieses Monsters kam, kann niemand mehr genau sagen. Wahrscheinlich die Presse. Wie immer. Ronan machte sich alleine auf den Weg, um dem Killer einen Besuch abzustatten, entgegen meines Drängens, doch bitte auf Verstärkung zu warten.
Ronan
Nein, halt, ich lebe noch! Es besteht noch Hoffnung, dass ich in meinen Körper zurückkehren kann! Noch bin ich nicht tot!
Sieben Schüsse aus meiner eigenen Dienstwaffe durchbrechen die Stille der Nacht. Sieben Kugeln treffen meine Brust, meinen Bauch. Als hätte es nicht gereicht, mich aus dem Fenster zu schmeißen; der Bastard will mich anscheinend tatsächlich tot sehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich es ihm verdenke, und noch weniger kann ich behaupten, als sähe er aus, als hätte er das nicht zuvor schon einmal getan. Er ist der Glockenmörder, daran besteht kein Zweifel.
Doch das kann mir jetzt egal sein. Ich bin tot. Ich laufe auf das Licht zu und muss innerlich lachen: Es ist ja wirklich so wie in den Büchern und Filmen. Ein helles, ein warmes Licht. Und ein Gesicht, das ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Es ist Julia. Meine verstorbene Frau. Doch sie sagt mir, dass ich noch nicht bei ihr sein kann, dass mein Geist an die irdische Welt gebunden ist, weil es etwas in meinem Leben gibt, das noch nicht geklärt sei. Erst wenn ich dies erledige, sagt sie, könne ich bei ihr sein.
Dass dies leichter gesagt ist, als getan, sollte jedem klar sein. Wie kann ich auf Erden etwas erledigen, wenn ich ein Geist bin? Niemand kann mich sehen, nicht einmal kann ich etwas berühren, geschweige denn mit jemandem sprechen! Jedoch werden Talente und Fähigkeiten, die man als Mensch hatte, nach dem Tod verstärkt, und offensichtlich war ich ein verdammt guter Detective. Das ermöglicht mir, Tatorte sehr genau zu untersuchen und Rückstände von Erinnerungen zu analysieren. Dass dies mich sehr schnell zu einem jungen Medium führen wird, war mir anfangs selbst nicht klar, aber eine direkte Verbindung ins Reich der Lebenden ist unbezahlbar.
Review
Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe mich sehr, sehr, SEHR darauf gefreut, »Murdered: Soul Suspect« endlich spielen zu können. Sämtliche PR seitens Square Enix war sehr mysteriös: verschlüsselte Botschaften, unverfängliche Formulierungen… Passend zum Genre des Detektivspiels um den verstorbenen Polizisten Ronan O’Connor, der seinen eigenen Mord aufklären muss, um Seelenfrieden zu finden. Klingt per se nicht verkehrt, trotzdem lauert hinter jedem ach so genialen Konzept eine potenzielle Gurke.
So weit würde ich in diesem Falle nicht gehen, vielmehr würde ich den Terminus “verschenktes Potenzial” in den Raum werfen. Denn bei aller Liebe bleibt der Vergleich zu ikonischen Videospielperlen wie Heavy Rain und Beyond: Two Souls nicht aus, auch wenn der feuchte Traum eines Story(!)-Emotions(!)-David-Cage-Fanboys hier selbstverständlich nicht wahr werden wird. Dafür hakt es an noch mehr Ecken, als es in einem Quantic Dream-Spiel jemals haken wird.
Gleich zu Beginn der digitalen Detektivarbeit fällt auf, dass Szenen, die neu geladen werden, zwar wenig Zeit in einem Ladebildschirm benötigen, das Cage-Fapping aber alleine aufgrund des extrem starken Ruckelns, das jede Bewegung, jeden Kameraschwenk und jeden Knopfdruck (getestet wurde in diesem Falle die Xbox 360-Version) zu einer unspielbaren Qual machen, eingestellt werden muss. Zwar treten diese Performanceprobleme eher sporadisch auf, allerdings häufig genug, um sie negativ im Gedächtnis zu behalten. Dabei sieht das Spiel eher mittelmäßig aus; Viele unnötige Geistereffekte knabbern vermutlich an der allgemeinen Framerate; die dafür benötigten Ressourcen wären lieber in Charakter- und Levelgeometrie gesteckt worden, denn grafisch macht »Murdered« nicht sonderlich viel her. Ist zwar nicht schlimm, dennoch zeichnet sich beim verantwortlichen Studio »Airtight Games« ein gewisser Trend ab, was Enttäuschungen angeht. Ob das nun »Dark Void« oder das Sprungpassagen-Desaster »Quantum Conundrum« ist – irgendwie war stets irgendwo der Wurm drin.
Wäre die deutsche Lokalisation nicht überaus gelungen – verantwortlich zeichnet sich hier Anakan, die bereits Spiele wie »Batman: Arkham Origins«, »RYSE« und »Orcs Must Die« im Kerbholz haben – könnte man das Spiel schneller zur Seite legen, als den Verantwortlichen lieb ist. Ronan O’Connor, der Protagonist des Titels, wird gesprochen von Peter Fletchner, der deutschen Stimme von Ben Affleck und Ralph Fiennes. Außerdem hört man in der Rolle des Schwagers der Hauptfigur Tobias Kluckert, der u.a. bereits Edward Kenway (»Assassin’s Creed IV: Black Flag«) seine rauchige Stimme lieh. Von dieser Warte aus ist alles in Ordnung, auch wenn die Fragestellungen der Deduktionen oft missverständlich sind, was aber auch am Originaltext liegen könnte.