Ich finde es immer schwer Previews zu schreiben, weil sie eben nur einen schwachen Abglanz dessen liefern, was ein Spiel einmal wird. Klar gibt es Eindrücke und die Designer, die einem mit glänzenden ihre Vorstellungen beschreiben, aber die sind eben nur das: Vorstellungen. Häufig scheitert es dann an mangelnder Zeit, mangelndem Budget oder der Führungsetage, die findet, dass was eben noch ein ambitioniertes Projekt mit frischen Ideen war, unbedingt mainstreamiger (lies: flacher) werden müsse, um ein breiteres Publikum anzusprechen (lies: mehr Geld zu machen). Umso schwerer wird das ganze Unterfangen dann noch, wenn es sich dabei um ein Spiel von einem winzig kleinen Team mit einem winzig kleinen Budget handelt. So ein Spiel wird »Dark«. Fangen wir mal von vorn an.
Eric Bane steht zu Beginn der Handlung des Schleichspiels vor einem sehr massiven Problem: Ein Vampir hat versucht, ihn ebenfalls zu einem Blutsauger zu machen und außerdem hat er Visionen von einem Engel, der ihm ständig kryptische Hinweise auf eine höhere Mission gibt. Moment… Versucht? Naja, den Teil, wo er fast gänzlich entsaftet wurde, hat sein Quasi-Erzeuger ganz gut hinbekommen, aber leider benötigt Eric auch noch etwas von dessen Blut, um zum Vollvampir zu werden. Ansonsten droht ihm ein Dasein als Ghoul – einem spindeldürren, untoten Monster mit wenig mehr Intelligenz als ein tollwütiges Tier. Zum Glück trifft er im Nachtclub „Sanctuary“ auf eine Gruppe junger Vampire, die es sich zur Unlebensaufgabe gemacht haben, andere Neulinge unter ihre Fittiche zu nehmen und sie vor der Schreckensherrschaft der alten Vampirfürsten zu beschützen, die weite Teile der Gesellschaft beherrschen. Die Anführerin dieser Gruppe klärt Eric daraufhin darüber auf, dass er unbedingt irgendwie an das Blut seines Erzeugers kommen muss… Oder an das eines der anderen Vampirfürsten. Beides schwierig, da Eric keinerlei Ahnung hat, wer versucht hat, ihn zu verwandeln und warum er oder sie den Prozess nicht durchgezogen hat.
Vampirfürsten, Korruption, Schleichmissionen… Klingt wie »Vampire The Masquerade – Bloodlines«, aber im besten Sinne. Zumindest kann ich das jetzt sagen, nachdem ich das Ding mal probegespielt habe und anfangs doch extrem skeptisch war. Vom Look her, geht es etwa in dieselbe comiclastige Richtung wie »The Darkness II« von 2K Games, allerdings ein winzig kleines bisschen weniger triefend vor Eingeweiden. Das hat nichts mit der Angst deutscher Entwickler vor Zensur zu tun, sondern vielmehr kosten aufwendige Animationen und grafischen Effekte Geld und das hat das Team nicht. Realmforge besteht aus achtzehn Personen – da kommen Schulklassen aus Innenstädten schon auf das Doppelte, während an »Mass Effect 3« etwa alles in allem mehrere hundert Menschen gearbeitet haben. Bestimmte Designaspekte (gerade im optischen Bereich) sind da einfach nicht bewältigbar, wenn man nicht gerade eine Dekade an seinem Spiel sitzen will. Ich finde nur, dass das jedem bewusst sein sollte, der einen Trailer vom Spiel sieht und den inneren Drang verspürt, einen bissigen Kommentar auf Youtube zu posten, weil die Animationen etwas „statisch“ aussehen und Gesichtsanimationen praktisch nicht vorhanden sind. Ich gesteh’s, zur Gruppe der Leute mit bissigem Kommentar auf der Zunge gehörte zunächst auch ich und meine Erwartungen an das Spiel waren nicht sehr hoch, aber doch war ich dann hinterher angenehm überrascht.
Die Welt an sich ist doch ziemlich atmosphärisch und mit Liebe designed. Im Sanctuary dröhnen Goth-Songs von Bands wie Lacuna Coil und Collide aus den Lautsprechern (ebenfalls eine augenzwinkernde Homage an »Bloodlines«), immer wieder gibt es witzige Gesprächsschnipsel von Passanten und dergleichen. Es ist die aus dem großen Vorbild bekannte »World of Darkness« mit einer kleinen Infusion »Deus Ex« und »The Darkness II« und ich will diese Welt mögen, denn die Kombination passt wie die Faust aufs Auge. Es gibt aber zwei Stolpersteine, die den Spaß als bluttrinkender Untoter ein wenig trüben könnten. Das wichtigste für ein gutes Schleichspiel zuerst: die KI. Sehr häufig sind die Gegner während der Spielsession entweder einfach nur plump drauf los gestürmt, wenn sie auch nur einen Pixel des Hauptcharacters hinter einem Mauervorsprung gesehen haben oder aber sie standen einfach nur da, während einen Meter neben ihnen einem Mitstreiter per Bodyslam Lichter ausgepustet wurden. Da muss unbedingt noch mehr dran geschraubt werden. Gesichtsanimationen oder etwas steife Bewegungen sind zu vernachlässigen, wenn ein so integraler Bestandteil nicht reibungslos funktioniert. Dann wäre da noch der Umstand, dass es keine Waffen gibt. Die Vampirfähigkeiten, sprich Zauber, sind die einzige Möglichkeit sich gegen Gegner zu wehren. Natürlich wurden noch nicht alle davon vorgestellt und noch ist nicht ganz klar, wie es wird, wenn man die Fähigkeiten voll ausgebaut hat und sich daraus Kombos und ein Zusammenspiel ergeben. Trotzdem bleibt die nagende Frage: Wenn es keine Waffen gibt und man nur etwa 9 Zauber bei der Hand hat, wird das Spiel dann nicht etwas eintönig? Wie es wird, wird sich letztlich zeigen, wenn man Gelegenheit hatte, »Dark« über einen längeren Zeitraum zu spielen.
Ich kann verstehen, dass nicht jeder kleine Entwickler der Einfachheit halber ein pixeliges Point&Click-Adventure oder Jump’n’Run entwickeln und „Retro“ drauf schreiben will, aber doch frage ich mich, ob Realmforge sich bei aller Ambition nicht ein kleines Stückchen übernommen haben. Die Welt ist cool, die Story und Dialoge scheinen auf den ersten Blick ganz gut geschrieben, aber es gibt da doch ein paar wenige aber sehr gewichtige Knackpunkte, die es auszubügeln gilt, und das sind letztlich die Knackpunkte an denen das gesamte Spiel scheitern könnte. Aber hey, Ähnliches hat vor ein paar Jahren schon einmal jemand über den obskuren Titel eines kleinen Entwicklers geschrieben, den bis dato keiner kannte. Das kleine Spiel in seiner Rohform hatte ein tödlich-verschachteltes Interface und die Grafik war schon damals ziemlich starr und altbacken. Dieses kleine Spiel hieß »The Witcher« und der Entwickler CD Project RED. Wohin das geführt hat, wissen wir ja alle. Wo wir gerade dabei sind: Zumindest die englische Synchro wird cool. Da wird Eric nämlich von der englischen Stimme von Geralt von Rivia gesprochen. Ich für meinen Teil hoffe einfach mal das Beste und drück’ die Daumen.
httpv://youtu.be/RBdmHdxJo7g