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Gods Will Be Watching: Surival-Sim als Point’n’Click

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Als die 26. Ausgabe der Game Jam »Ludum Dare« im letzten Jahr zu Ende ging, stach vor allem ein Spiel aus der Masse der Einreichungen heraus: »Gods Will Be Watching«, ein minimalistisches „Adventure“, in dem eine Gruppe Weltraumreisender auf einem unwirtlichen Planeten gestrandet ist und 40 Tage ums Überleben kämpfen muss. Das interessante Konzept um Ressourcenmanagement und moralische Entscheidungen stieß bei Presse und Spielerschaft auf großes Interesse und die spanischen Entwickler von »Deconstructeam« entschieden sich aus ihrem kurzen „Prototyp“ ein komplettes Spiel zu erschaffen. Dabei herausgekommen ist ein Titel, den ich kürzlich in einem Gespräch als das „Dark Souls der Point’n’Click Adventures“ beschrieb, denn – oh, boy – das Ding ist bockschwer!

Ein moderner SciFi Thriller

Ich schlüpfe ich in die Rolle von Sergeant Abraham Burden, einem Doppelagenten der die terroristische Organisation Xenolifer infiltriert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, jegliche Versklavung von Aliens durch die Menschheit zu unterbinden. Eigentlich ein hehres Ziel und so ist es kein Wunder, dass Burden durchaus Sympathien für die Terroristen und ihren Anführer Liam hat, doch spätestens mit dem Diebstahl einer tödlichen Biowaffe, wird auch ihm klar, dass Xenolifer gestoppt werden muss. Es entfaltet sich nach und nach ein spannender SciFi-Thriller rund um Ideale, Recht, Unrecht und Moral. Letzteres ist dann auch die Prämisse, um die es in »Gods Will Be Watching« geht. In sieben Kapiteln muss ich als Burden – was ein Wortspiel – schwere Entscheidungen treffen, die über Sieg und Niederlage entscheiden und meine Menschlichkeit auf die Probe stellen sollen. Dabei fungiert jedes Kapitel als ein großes „Puzzle“, in dem ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist. Anders als in einem klassischen Point’n’Click Adventure – diese Bezeichnung wäre hier auch nicht ganz passend – sammele ich keine Gegenstände oder klicke in der Umgebung herum, sondern gebe Befehle oder rede mit anderen Charakteren im Raum, was sofort Auswirkungen auf die Situation hat in der ich mich befinde.

Aktion – Reaktion

Gods Will Be Watching ist auch ein Spiel über das Scheitern und das machen die Entwickler von Anfang an klar.

Im ersten Kapitel, in dem Burden Xenolifer bereits infiltriert hat und dabei ist, als diese versuchen ein gefährliches Virus aus einem Labor zu klauen, habe ich den Befehl, die als Geiseln genommenen Wissenschaftler zu bewachen und meinem Team Anweisungen zu geben, während Anführer Liam sich für einen Hack vorbereitet. Dabei gilt es mehrere Dinge im Auge zu behalten: Ein Schamane, der die Security des Computers lahm legen soll, muss Befehle erhalten um die Erfolgschancen des Hacks zu erhöhen, ein Soldat muss sich um den nahenden Trupp Wachen im Korridor kümmern, der mit jeder Aktion die ich tätige näher rückt und vor allem müssen die Geiseln im Zaum gehalten werden. Gebe ich meinem Mitstreiter z.B. den Befehl auf die nahenden Wachen zu schießen, werden die Geiseln nervös, drehen vielleicht sogar durch und versuchen zu fliehen. Setze ich auf eine Verhandlungs- und somit Herauszögerungstaktik, bleiben die Soldaten im Korridor zwar stehen, meine Geiseln werden aber auch entspannter, wittern vielleicht ihre Chance und werden übermütig. Hier habe ich die Möglichkeit beruhigend auf sie zu einzureden oder das krasse Gegenteil, sie anzubrüllen, zu treten oder gar anzuschießen bzw. zu töten. Einschätzen kann ich die Situation nur, wenn ich lerne auf die Körpersprache der Geiseln zu achten. Eine wichtige Lektion, die sich in den folgenden Kapiteln noch auszahlen wird. Wie man zum Ziel kommt, in diesem Fall also den Hack komplett auszuführen, ist jedoch meine persönliche Entscheidung und meine Taten stehen stets unter göttlicher Beobachtung, denn am Ende jedes Kapitels gibt es ein Übersicht meiner Entscheidungen und eine Statistik, wie andere Spieler das Problem angegangen sind, ähnlich wie man es etwa aus Telltales »The Walking Dead« kennt. Doch bevor ich diesen Screen das erste Mal sehe, sind fast zwei Stunden vergangen, in denen ich laut fluchend vor meinem Rechner saß und irgendwann den Schwierigkeitsgrad auf „leicht“ umstellte, denn dieses Spiel verzeiht kaum Fehler oder Unachtsamkeit und man braucht einige Versuche um zum gewünschten Ziel zu gelangen. »Gods Will Be Watching« ist auch ein Spiel über das Scheitern und das machen die Entwickler von Anfang an klar. Also noch mal von vorne!

Jedes Kapitel besitzt sein eigenes Set an Regeln und Aktionen, die aber stets dem Grundprinzip dieses „Entscheidungssystems“ folgen und zum Teil noch durch eine Zeitkomponente ergänzt werden. So habe ich im vierten Teil – die Szene, die wie oben erwähnt beim Ludum Dare eingereicht wurde – immer nur fünf Aktionen, die ich pro Tag ausführen kann, um das Überleben meiner Truppe zu sichern. Repariere ich das Funkgerät weiter um einen Notruf absetzen zu können? Schicke ich meinen Kumpel Jack jagen? Lasse ich den Doc Medikamente herstellen? Ach, das verdammte Lagerfeuer muss ich ja auch im Auge behalten! Leider nutzt sich dieses Gameplay recht schnell ab und so war ich spätestens im fünften Akt eher genervt davon, wieder ein neues Set an Regeln und Optionen vorgestellt zu bekommen. Nein, ich meckere hier nicht über den hohen Schwierigkeitsgrad, sondern über mangelnde Abwechslung.

Moralische Bedrängnis

Ja, die Folterszene tut trotz der Pixeloptik weh, sie ist brutal und fies und ich war froh als sie vorbei war.

»Gods Will Be Watching« möchte emotional sein. Es will testen, wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalte, um mir das Ergebnis dann im erwähnten Statistikbildschirm unter die Nase reiben zu können. So stehe ich oft vor der Wahl. Wenn ich mich z.B. entscheiden muss an wem ich ein experimentelles und potenziell tödliches Medikament teste. Heißt so viel wie: Wer ist am entbehrlichsten? Oder wenn die Nahrung in der Überlebenssequenz nicht reicht und ich die Möglichkeit habe einen im Team zu opfern, damit zumindest für die Anderen genug bleibt. Es möchte wissen, wie ich mich unter härtester Folter durch einen Feind verhalte. Stecke ich ein? Bin ich feige und gestehe? Opfere ich gar meinen Mitgefangen um die Situation zu überstehen? Das sind alles schöne Ansätze, doch genau an diesem Punkt, seinem Kernziel, versagt Gods Will Be Watching leider. Emotion wird normalerweise dadurch erzeugt, dass ich mit einem Charakter mitfühlen kann, Empathie empfinde, mich teils mit ihm identifizieren kann, doch dafür bleiben diese viel zu blass. Gerade die Nebencharaktere sind nichts weiter als Gameplay-Elemente. Ihr Tod bedeutet mir nichts und der einzige Grund warum ich nach dem Ableben eines Mitstreiters ein Kapitel neustarte, ist mein eigener Hang zur Perfektion. Ja, die Folterszene tut trotz der Pixeloptik weh, sie ist brutal und fies und ich war froh als sie vorbei war. Gerade da ich hier in der Rolle des Opfers stecke und nicht wie in »GTA V« selbst zum Folterknecht werde. Eine Interessante Beobachtung, aber leider auch das tiefste an Mitgefühl, dass der Titel in mir hervorrufen konnte.

httpv://www.youtube.com/watch?v=GGV-T0FsxzQ

Fazit

Ach verdammt, ich möchte »Gods Will Be Watching« einfach mögen. Es ist ambitioniert, und das vierte Chapter ist mit eine der besten Point’n’Click Szenen die ich jemals gespielt habe. Dazu ist die Hintergrundgeschichte spannend, mit viel düsterem Humor und guten Dialogen erzählt. Die Charaktere hätten eine Menge Potenzial gehabt, doch gerade wenn es darum geht mich in moralische Zwickmühlen zu bringen, mich emotional zu berühren, hätte hier mehr aus dem Vollen geschöpft werden müssen. Fehlende Konsequenzen – ein Teammitglied das mir weggestorben ist, war im nächsten Kapitel wieder putzmunter – trägt eher ungünstig zu meinem Spielverhalten bei. Das Gameplay ist trotz wechselnder Grundvoraussetzungen immer ähnlich, dazu teils undurchsichtig und auf die Dauer leider eher ermüdend als spannend, machte aber zumindest in den ersten Stunden Spaß. Zu Optik und Sound würden die Engländer wohl lovely sagen und in vielen Kleinigkeiten hat »Deconstructeam« einen guten Job gemacht. Leider kann ich das Gesamtergebnis dann aber nur eingeschränkt empfehlen. Für den schmalen Preis von rund 10€, können zumindest masochistische Zeitgenossen mal einen Blick riskieren. In jedem Fall ist es empfehlenswert sich den noch online verfügbaren Prototypen anzusehen und dann – Achtung, Floskel ahead – je nach gusto zu entscheiden.

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