Geburtstags-Spezial: Mein erstes Videogame – Maxx 4

Geburtstags-Spezial: Mein erstes Videogame – Maxx 4

In einer Zeit bevor Pädagogen versuchten mich sozial zu prägen, das Finanzamt sich hier und da anfing zu melden, Freizeit nicht erst um 18 Uhr anfing und BP den Golf von Mexiko noch nicht mit Unmengen Öl vollgepumpt hatte, war ich Kind. Dazu muss ich sagen, dass ich von den frühen 90’er Jahren spreche und ich meine Hand nicht ins Feuer legen möchte, dass nicht auch schon da Ölschaden verursacht wurde. Auf der anderen Seite bin ich heilfroh in diese Zeit gesteckt worden zu sein. Nicht nur sollte sich die Unterhaltungswelt bald rasant verändern und eine feine Errungenschaft namens Internet in den nächsten 20 Jahren das Leben der Menschen völlig auf den Kopf stellen; eine kleine Firma in Japan hatte gerade angefangen Videospielkonsolen herzustellen. So segelten das Nintendo Entertainment System sowie der legendäre Game Boy gerade auf einer massiven Hypewelle um den Globus.

Das Dream Land, oder wie ich lernte Videospiele zu lieben

Es muss um die Weihnachtzeit 1992 gewesen sein, und obwohl ich mich nicht an ein genaues Datum erinnere, weiß ich noch wie ich in der Küche meiner Großeltern saß und zum ersten mal den Ziegelstein großen Handheld aus der Schutzhülle geholt habe. Mit dabei waren (natürlich) Tetris, das wirklich gute Teenage Mutant Ninja Turtles: Fall of the Foot Clan, Qix, dessen brillantes Spielprinzip leider nie neu aufgegriffen wurde, an anderer Stelle aber vielleicht mal hier erörtert werden sollte UND das grandiose, herausragende, von mir direkt ins Herz geschlossene Kirby’s Dream Land. Direkt steckte ich das graue Plastik mit dem weißen Marshmallow-Geist in die die Maschine und schob den Power-Knopf auf On. Sofort sah ich das rote Licht aufflackern und auf 160×144 Pixeln einen runden Hüpfer in vier Graustufen durch Green Lands marschieren. Es war um mich geschehen.

Da es im Spiel selber keine wirkliche Geschichte gibt, die erzählt wird, spare ich mir den aus dem Internet angelesenen Hintergrund über Sparkling Stars, welche von König Nickerchen, besser bekannt als King Dedede, und seiner Bande gestohlen wurden. Fakt ist, dass man vor dem Ende des Spiels nicht ein einziges mal von der Existenz Dededes erfährt. Immerhin wohnt er seit dem Brawl-Release von Super Smash Bros. auch dem Prügelkader bei, macht im Game Boy-Auftritt seinem Namen aber alle Ehre und verschläft wohl frühe Auftritte. So weit ich weiß gibt es keine Story für das Wunderland, und ich möchte auch in dieser kindlichen Einbildung bleiben. Alles was mir bekannt ist, sind vier Stages, welche linear nacheinander abgearbeitet werden. Die Bezeichnung Dream Land passt als Sinnbild wie die Faust auf’s Auge. Anfangs findet man sich wie Alice in einem wundersamen Wald wieder und muss durch ein Schloss auf eine Karibikinsel. Danach wird man kurzerhand von einem Walfisch in die Wolken geblasen und fliegt später ins Weltall.

Auf dem Weg möchten allerlei springende und spuckende Gegner den knuffigen Blasebalg aufhalten und zwei mal pro Level (außer in Level 3) meldet sich ein tougher Levelboss. Motivierend ist die Freiheit, die dem Spieler bei Kirby gelassen wird. Man kann Gegner zerspringen, aber sie auch – wie von dem Kirby-Charakter bekannt – einsaugen und ausspucken. Dazu kommt, dass neben Laufen und Springen auch Fliegen jederzeit möglich ist. Die Verwandlungskünste hat der Held jedoch erst ab der NES-Version spendiert bekommen. Dennoch sind dem Spieler eine Menge Optionen gelassen seine Herangehensweise zu variieren, und durch einen Energiebalken wird nicht jeder Fehltritt sofort abgestraft.

httpv://www.youtube.com/watch?v=dvP5AcuyvI4

Doch nicht nur war Kirby’s Dream Land das erste Spiel, welches die Chance bekommen hat, meine Faszination für die digitale Unterhaltung zu wecken: Im Sommer 1994 lag ich für eine minimale Mandel-OP für zwei Nächte im Krankenhaus und natürlich war mein Game Boy bester Begleitschutz gegen die Langeweile. Inzwischen hatte sich mein Repertoire an Cartridges mit Spielen zwar gut vermehrt, aber in der Nacht vor dem Eingriff habe ich mich wieder an Kirbys Dream Land gesetzt und hatte es weiter geschafft als je zuvor. Ich hatte es durch alle vier Level bis zur Residenz des König Nickerchens gemeistert, ihm Auge in Auge gegenüber gestanden und danach zum ersten mal ein Spiel beendet. Happy Ending.

So kann ich mit Stolz behaupten, dass mein erster Videospielkontakt mit einer Perle aus dem Hause Nintendo stattgefunden hat und zu Recht die Faszination für digitale Spielereien ausgelöst hat. Doch was kann man aus einem winzigen Spiel über ein Stück Watte im Wunderland mitnehmen? Was lernen wir hier für uns? Recht simpel: Wenn jemand uns und unseren Freunden die Sterne zum Leben weg nimmt, dann müssen wir manchmal unseren Mund zur lautesten Waffe machen, ein ganzes Land schlucken und vor den eigenen Füßen wieder auskotzen.

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4 Comments

  1. Toller Artikel! Ich lese immer am liebsten, was ihr für Erinnerungen mit den Spielen verbindet – das Spiel selbst ist doch eigentlich Nebensache. Kirby mag per se ja nett zu spielen sein, aber es vor ner Mandel-OP durchzuzocken, das bleibt ein Leben lang hängen.

    Bei mir ist es bis heute so, dass ich Spiele gedanklich in Epochen meines Lebens einsortiere, das heißt ich sehe nicht die Spielgrafik an sich vor meinem geistigen Auge, sondern so 3rd-Person-mäßig mich selbst, wie ich an C64, PC oder PS3 sitze…

    Cool, dass es dir offenbar ähnlich geht.

  2. Kirby… da habe ich noch nie eins von gespielt, wollte ich aber immer. Ich lag abends im Bett, Club Nintendo Magazin, Taschenlampe und dann die Levelkarten angegeguckt und von mir vorgestellt, ich würde das spielen. So war das damals im Osten. Ähm…? Im Krankenhaus war ich (bis auf die offensichtliche Ausnahme) auch noch nie, deshalb bleiben mir solche Einschneidenden Erlebnisse verwehrt, ich hatte aber trotzdem Spaß mit meinem Game Boy :)

    Übrigens ein toller letzter Satz! Der muss auf ein T-Shirt.

  3. Das mit dem Club Nintendo-Magazin ist genauso eine geniale Erinnerung. So etwas ähnliches hatte ich zu C64-Zeiten mit Spielezeitschriften wie ASM und Power Play, wo ich mir anhand von Screenshots in den Tests und Komplettlösungen auf den Tipps-Seiten Spiele vorstellte, die für mich unerreichbar waren (Amiga, Atari ST, Mega Drive, Neo Geo…)

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