Zockwork Orange

Gaming mit Farbenblindheit

Ich leide unter »Farbenblindheit« oder, um genauer zu sein, unter Protanopie, was im Deutschen Rot-Grün-Schwäche bedeutet. Wie ungefähr 10% der männlichen Bevölkerung leide ich unter einem Gendefekt, der im alltäglichen Leben nicht allzu große Auswirkungen hat. Abgesehen von Verwechslungen bei Farben – die häufig zu einer wahnsinnig lustigen Frage à la “Welche Farbe hat der Himmel?” führen – hat dies aber nur beim Zocken Auswirkungen, weswegen ich dieses Thema an dieser Stelle behandele.

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Testtafeln für verschiedene Formen der Farbenfehlsichtigkeit. Quelle: Human Vision and Color Perception

Selbst beim Zocken halten sich die Probleme und Einschränkungen in Grenzen. In der Regel werden Farben verwendet die komplementär genug sind um sie ohne Probleme auseinanderzuhalten, oder Farben haben einfach keinen Einfluss auf mein Ergebnis im Spiel. Aber hin und wieder gibt es Spiele, die mich in den Wahnsinn treiben. Im Folgenden werde ich versuchen meine “Krankheit” zu beschreiben und die Probleme beim Zocken aufzuzeigen.

Wie sehe ich die Welt?

Zu 99% dürfte ich die Welt wie jeder andere Mensch auch sehen. Das eine Prozent äußert sich in der Verwechslung von Grün- und Rot-Tönen und vielen verwandten Farben. Matt Wilcox hat sich auf seinem Blog sehr gut daran versucht zu erklären, wie er die Welt sieht und dies versucht mit Beispielbildern zu simulieren. Diese können natürlich nicht perfekt wiedergeben was es bedeutet eine Farbenfehlsichtigkeit zu haben, aber sie geben einen ungefähren Eindruck. Für mich sind die Bilder, die Matt auf seinem Blog vergleicht, komplett deckungsgleich und höchstens durch minimal kräftigere Farben unterscheidbar. Wie man sieht, sind Einschränkungen kaum vorhanden, aber dennoch spürbar.

Was bedeutet das für Games?

Wie einleitend bereits erklärt, bereiten Spiele fast immer keine Probleme. Das kleine Wörtchen “fast” ist aber nicht zu vernachlässigen. Als DICE und EA vor anderthalb Jahren »Battlefield 3« auf den Markt brachten, war ich nicht in der Lage in Squads zu spielen. Das Problem, das ich hatte, war die Nähe der Farben, mit denen Squad-Mitglieder und meine Gegner gekennzeichnet waren. Allzu häufig stand ich vor einem vermeintlichen Freund, der mich sofort über den Haufen schoss und noch viel häufiger ballerte ich panisch auf die Mitglieder meines Squads, da ich beide im Eifer des Gefechts nicht auseinanderhalten konnte. Befand ich mich in einer ruhigen Situation, konnte ich mich mehr auf die Farben konzentrieren und diese auseinander halten, aber solche Situationen sind gameplaytechnisch eher selten.

Kurze Zeit nach Release gab es damals eine Online-Petition die EA aufforderte einen Modus für Farbenfehlsichtige einzuführen, wie es »Bad Company 2« auch schon besaß. Es dauerte ein paar Monate bis dann mit einem Patch Nachhilfe geleistet wurde und man nun die Gegner in einem sehr dunklen Rot, Squad-Mitglieder aber mit Gelb anstelle von Grün erkennen konnte. Da hierzu bei modernen Spielen nur ein geringfügiger Aufwand von Nöten ist – wie Ocean Quigley, Art Director von »SimCity« laut einem Video, das ihr weiter unten sehen könnt, selbst gesagt hat – stellt sich die Frage, warum dies nicht häufiger geschieht. Ich will hier keine wilden Theorien aufstellen, da ich auch ganz bestimmt keine böse Absicht dahinter vermute, aber nervig ist es dennoch.

Die Hölle auf Erden für Farbenfehlsichtige: 7×7 auf dem Android.

Ein aktuellerer Fall wäre das Smartphone-Spiel »7×7«, welches auf dem iPhone eine recht gut unterscheidbare Farbvariation bietet, das aber auf dem Android eine echte Hölle für Menschen mit einer Farbenfehlsichtigkeit darstellt. Besonders die Rot- und Orange-Töne sind für mich nicht auseinanderhaltbar – zumindest denke ich, dass es sich um diese Farben handelt – und machen es unmöglich das Spiel zufriedenstellend zu beenden, obwohl ich glaube, dass es sich um ein interessantes Puzzlegame handelt. Deutlicher voneinander getrennte Farbtöne wären nur eine geringe Änderung für den Entwickler, aber für ungefähr 10% der männlichen Bevölkerung ein Segen. Sicherlich ist hier zu beachten, dass unterschiedliche Entwickler am Werk waren, aber es bleibt festzuhalten, dass durch unterschiedliche Farben ein signifikanter Unterschied entsteht.

Es geht auch anders!

Dass es auch anders geht und Menschen mit Farbenfehlsichtigkeit nicht im Spielerlebnis benachteiligt werden müssen, zeigen Maxis mit »SimCity«, die von Haus aus verschiedene Filter anbieten, welche entsprechend starke Kontraste und/oder direkt andere Farben anbieten. Da »SimCity« Daten als Overlay über die Stadt legt und dabei mit Farbverläufen arbeitet ist es also durchaus wichtig, dass man erkennt, wo die Unterschiede liegen. Das folgende Video von PC Gamer stellt mehrere Filter, die das Spielerlebnis mit Farbfehlsichtigkeit simulieren, vor:

httpv://www.youtube.com/watch?v=CavKxQG7WsA

Diese Filter wurden eingesetzt, nachdem einer der Angestellten aus der Qualitätssicherung beliebig Zonen gesetzt hat, damit er herausfindet, welche Zonen wofür zuständig sind und Ocean Quigley, Art Director bei Maxis, einen Filter baute, welcher Rot-Grün-Schwäche simuliert um zu wissen, wie sich das Spielerlebnis ändert. Als er feststellte, dass »SimCity« unspielbar geworden ist, wurden neue Filter für verschiedene Formen der Farbfehlsichtigkeit eingebaut. Durch Zufall hat Maxis also von Beginn an Modi für Farbenblinde implementiert, was aber bei Weitem noch kein Standard ist.

Und nun?

In den meisten Fällen ist es ziemlich egal ob ein Spieler alle Farben auseinanderhalten kann, aber es gibt genug Beispiele, in denen es nunmal wichtig ist, das zu können. Solche Modi für Spieler mit einer Farbenfehlsichtigkeit sind besonders bei Teamspielen unglaublich wichtig, denn schließlich will keiner ständig von seinem Teamkameraden abgeschossen werden, weil dieser nicht auseinanderhalten kann wer Feind und wer Freund ist. Solche Modi sind für Entwickler wohl nur ein kleiner Aufwand, können aber unglaublich viel im Erlebnis einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl an Spielern ausmachen. Ich werde hier nicht viel ändern, das ist mir bewusst, aber vielleicht kann ich ja ein paar Leute mehr auf die Problematik aufmerksam machen. Damit wäre ich schon mehr als glücklich.

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