Divinity: Dragon Commander 1

Divinity: Dragon Commander 1

Ein Drachen. Mit einem Jetpack. Und Steampunk. Okay, das ist ein interessanter Ausgangspunkt für ein Strategiespiel. Der Spieler übernimmt in der Solokampagne von »Divinity – Dragon Commander« die Rolle eine Drachenritters in Rivellon (der Welt, in der auch die anderen Titel aus der »Divinity«-Reihe stattfinden), der seines Zeichens Sohn des verstorbenen Imperators Sigurt ist. Dieser hatte mit Hilfe des Erzmagiers Maxos und einer schattenhaften Gestalt, dem „Architekten“, die verschiedenen menschlichen und nicht-menschlichen Völker unter sich vereint. Wenn so ein Feudalherrscher ins Gras beißt, hinterlässt das ja bekanntlich auch ein gewisses Machtvakuum und so auch hier. Sehr zum Leidwesen des Drachenritters ist er auch nicht der Einzige von Sigurts Nachkommen und seine drei Halbgeschwister, alles ziemlich degenerierte Mistkröten, überziehen das Land mit einem Erbfolgekrieg. Es gibt aber auch Hoffnung: Der Spielercharakter hat gegen seine Geschwister die Unterstützung von Maxos, der seine magischen Kräfte und seine fliegende Festung, die Raven, mitbringt.

DCCA_0002

Das Spiel ist in drei Ebenen unterteilt: Auf einer rundenbasierten Strategiekarte DC_0025verwaltet man seine eingenommenen Provinzen, baut und verschiebt Gebäude und Einheiten, erwirbt Boni, etc. Provinzen werden in Echtzeitschlachten eingenommen, die der Spieler entweder selbst fechten oder von einem seiner vier Generäle gegen Geld austragen lassen kann. Diese Schlachten – obwohl keineswegs schlecht – sind besonders in den ersten paar Spielstunden, wenn noch nicht so viele Einheitentypen verfügbar sind, das schwächste Gameplayelement von »Dragon Commander«. Man beginnt auf jeder Map mit einem oder zwei Stützpunkten, zieht an vorgegebenen Stellen Produktionsgebäude hoch und nimmt Ressourcenpunkte ein und der Gegner macht das gleiche. Hat man dann die Rohstoffhoheit oder den Feind von der Karte geputzt, hat man gewonnen. Das kann man entweder tun, indem man seine Truppen ganz klassisch aus der Draufsicht steuert oder aber in seiner Drachenform selber in die Schlacht eingreift. Als Drachen haben Spieler die Möglichkeit über die Karte zu fliegen, Zaubersprüche auf eigene und feindliche Einheiten zu sprechen und alles und jeden mit Feueratem ins Jenseits zu pusten. Leider gibt es aber kleinere bis mittlere KI-Schwächen, was zumindest am Anfang noch dazu führt, dass der Gegner bloß Angriffswelle um Angriffswelle gegen den Spieler losschickt. Als Drache, der nicht mächtig von eigenen Leuten unterstützt wird, darf man sich in frühen Gefechten keine großen Erfolgschancen ausrechnen, da man sofort von allen Gegnereinheiten anvisiert wird und selten länger als ein paar Sekunden überlebt. Außerdem sind da ein paar Balancingprobleme – manche Einheiten (Warlocks!) sind fast schon übermächtig im Vergleich zu anderen, obwohl Larian schon ein wenig nachgebessert haben, weswegen zumindest das kein besonders großer Frustfaktor mehr ist. Auf der großen Strategiekarte agiert die KI dafür übrigens sehr clever. Es wäre auch schön gewesen, wenn nicht jede Partei dieselben Einheiten hätte und die verschiedenen Truppentypen erkennbar den Untoten, Gnomen, Echsenmenschen, etc. zuzuordnen wären. Letzteres einfach der Atmosphäre wegen.

DC_0022

Das beste am Titel ist jedoch alles was zwischen den Missionen stattfindet. Auf der Raven geht man als Spieler von Raum zu Raum, spricht mit den anderen Charakteren an Bord und erfährt so von der Handlung der Kampagne und den Einzelschicksalen seiner Begleiter, nicht zuletzt seiner vier Generäle und seines Botschafterstabs, die einem dabei helfen das Land zu regieren. Jedes Volk von Rivellon (abgesehen von den Menschen) hat jeweils einen Botschafter an Bord des fliegenden Schlachtschiffes geschickt. Die NSCs tragen in regelmäßigen Abständen Aufgaben oder Probleme an den Drachenritter heran. Die Elfen möchten z.B. die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erlauben, was den puritanischen, bibelfesten Untoten überhaupt nicht gefällt. Entscheidet man sich für die Elfen, wendet sich danach ein General vertrauensvoll an einen, um ihm (oder ihr?) bei seinem Coming Out zu helfen. Während man so versucht, die Balance zwischen den Interessen der Völker und Charaktere zu wahren, entspinnen sich immer mehr Handlungsfäden zu einem ganzen Geflecht möglicher Konsequenzen, was durch die Atmosphäre teils stark an einen Politiksimulator in Pratchett’s Scheibenwelt erinnert. Es klingt zunächst ein wenig trocken, aber der Unterhaltungswert ist enorm, zumal sich auch jede Entscheidung durch freischaltbare Boni, Sondereinheiten und Zaubersprüche auch spürbar auf den restlichen Strategieteil auswirkt.

»Divinity – Dragon Commander« ist nischig, ein bisschen strange und hat durchaus ein paar kleinere Macken. Dennoch kann man wegen der erinnerungswürdigen Charaktere, der Drachenmechanik, der Story und des im Spielverlauf stetig besser und umfangreicher werdenden Strategieparts jede Menge Spaß damit haben. Es ist aber auch kein »Civilization«, kein »Total War« und schon gar kein »Europa Universalis« (Kurz: Nichts, womit man hunderte von Stunden verbringen kann.) und jedem der ein RICHTIG ernsthaftes Strategiespiel mit massenweise Tiefgang sucht, sei geraten sich weiter umzusehen. Nicht ganz so krassen Hardcorestrategen sei das Teil aber guten Gewissens ans Herz gelegt.

httpv://youtu.be/LvnLAimI9PQ

Previous ArticleNext Article
Job: Anglistik-Student, Werbär, God of Thunder (and Rock’n'Roll) Auf ZwO Experte für: RPGs, Action-Adventures, Strategie, Schleichspiele, Steampunk, Sci-Fi, Horror und pseudo-sinnige Essays Hier holt sich Jan Gaming-News: The Escapist, Destructoid, Gamesindustry.biz, Rock Paper Shotgun Mail: jh [at] zockworkorange [dot] com Twitter: JanHomrighausen XBLA: - PSN: - Steam: thatguy23469 Erstes Game: Sonic The Hedgehog Liebste Games: The Witcher 1 & 2, Mass Effect 1-3, Batman Arkham City, Amnesia, Guild Wars 2, Elder-Scrolls-Reihe, Heroes of Might & Magic 5, Medieval 2, Planescape: Torment, Thief 1-3 Liebste Persönlichkeit der Branche: Tim Schafer. Jemanden, der der Welt so viele geile, liebenswert-merkwürdige Spiele geschenkt hat, muss man einfach gern haben! Liebste Game-Figur: Jim Raynor, Geralt von Riva

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert