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Die Säulen der Erde – Trilogie

Ken Follett - Säulen der Erde - Keyart von Daedalic

Der Steinmetz Tom Builder hat einen Traum: Er möchte eine Kathedrale errichten. Ein Meisterwerk der Baukunst, zu Ehren Gottes und als ewiges Monument seines Könnens. Doch er findet keinen Bauherrn, der ihm diese Möglichkeit gewährt. Aus diesem Grund macht Tom sich mit seiner Frau Agnes und den Kindern auf den Weg, um neue Arbeit zu finden. Doch diese Reise im tiefsten Winter hat ihren Preis: Agnes stirbt und Tom trifft eine folgenschwere Entscheidung. Glücklicherweise findet er jedoch bald darauf Hilfe bei der geheimnisvollen Ellen und ihrem Sohn Jack. Als er dann noch auf Bruder Philip trifft, dem Prior von Kingsbridge, scheint sein Traum plötzlich zum Greifen nah.

Fans von historischen Romanen werden nicht an Ken Folletts »Die Säulen der Erde« („The Pillars of the Earth“) vorbeigekommen sein. Dieser Epos begleitet seine vielen unterschiedlichen Charaktere – einige fiktiv, einige basieren auf realen Personen – durch eine finstere Zeit des Krieges und der Intrigen sowie beim Bau einer imposanten Kathedrale. Bereits vor einigen Jahren erschien eine Verfilmung von Folletts Werk. Nun nahmen das Hamburger Entwicklerstudio Daedalic Entertainment und der Verlag Bastei-Lübbe das Buch als Vorlage für einen interaktiven Roman.

Nachdem sich Dominik bereits den ersten Teil der Trilogie angesehen hat, möchte ich euch nun das vollständige Spiel vorstellen.

Eine kleine Geschichtsstunde für Interessierte

England im 12. Jahrhundert. Heinrich I. setzte sich als Sieger gegen seine Brüder durch und herrschte als König über England und die Normandie. Um diese Macht zu festigen, ging er mit dem englischen Adel einen Pakt ein: die sogenannte Charter of Liberties. Sie sicherte ihm die Unterstützung des Adels, versprach diesen jedoch auch umfangreiche Freiheiten. Später sollte auf diesem Pakt die berühmte Magna Carta Libertatum beruhen. Auch der englische Investiturstreit wurde unter Heinrich I. ausgetragen, bei dem es darum ging, ob auch weltliche Herrscher geistliche Positionen besetzen durften. So einigten sich die Streitenden darauf, dass die Kirche zwar Bischöfe ernennen konnte, diese aber zu Vasallen des Königs wurden. 1120 stirbt Heinrichs Sohn und einziger männliche Erbe beim Untergang des „Weißen Schiffes“. Nur wenige Jahre später löst der Tod des Königs einen Nachfolgekrieg zwischen dessen Neffen Stephan I. und der Königstochter Matilda aus. »Die Säulen der Erde« spielt in der Zeit dieser Unruhen im fiktiven südenglischen Kingsbridge. Folletts Geschichte der Kathedrale von Kingsbridge wurde unter anderem von der realen Kathedrale von Salisbury, der Marienkathedrale, inspiriert.

Vom Roman zum Game

»Die Säulen der Erde« ist ein Adventure-Game mit kleinen Rätsel- und Geschicklichkeitselementen. Der Begriff „interaktiver Roman“ trifft es jedoch besser, denn die spielerischen Herausforderungen sind sehr begrenzt. Die Geschichte ist linear, da sie im Kern natürlich den Geschehnissen im Buch entspricht. Immer wieder findet man sich in Situationen wieder, in denen man weitreichende Entscheidungen treffen soll. Die Konsequenzen wirken – wie bei Telltale-Spielen – enorm und endgültig, jedoch können sie in Wirklichkeit kaum etwas an der Hauptgeschichte verändern. So kann man Entscheidungen wiederholen, wenn diese ansonsten dazu führten, dass man zu stark von der vorgesehenen Handlung abweicht. Im Detail sind jedoch kleine Änderungen möglich.

Das Spiel ist in drei Bücher mit je sieben Kapiteln aufgeteilt. Jedes Kapitel endet mit einem Ergebnisbildschirm, auf dem zu sehen ist, wie sich der Spieler in bestimmten Situationen verhalten hat. Das Gameplay orientiert sich an einem klassischen Point-and-Click-Adventure. So steuert man die Figur über ein Gebiet und betrachtet oder interagiert mit Personen und Gegenständen. Einige wenige Gegenstände kann man in einem Inventar am unteren linken Bildschirmrand aufnehmen, jedoch wird auf komplexe Kombinationsrätsel vollständig verzichtet. Dafür erhält man bei Fragen und Aufgaben Interaktionsbuttons am unteren rechten Bildschirmrand, die man wie Gegenstände aus dem Inventar auf Personen ziehen kann und damit eine entsprechende Handlung auslöst. Ansonsten dominieren das Spiel vor allem Gespräche, bei denen man meist mit zeitlichem Limit reagieren muss, und Zwischensequenzen.

Schön wie ein Bilderbuch

Grafisch ist das Spiel absolut großartig! Alle Figuren und Hintergründe sind handgezeichnet und besitzen einen einzigartigen, lebendigen Stil. So wurde wenig mit Outlines und mehr mit farbigen Flächen gearbeitet. Insgesamt bekommt man beinahe das Gefühl, ein wunderschönes und detailreiches Bilderbuch zu betrachten. Auch der Soundtrack und die Synchronisation sind stimmig und hervorragend umgesetzt. Die Animationen selbst sind wie die Grafiken handgefertigt und fallen vermutlich deshalb ein wenig dezenter aus. Gerade in den Zwischensequenzen führen die Figuren kaum komplexere Bewegungen aus, sondern verhalten sich eher wie bei einem Puppenspiel. Gerade in Reiseszenen wurde fast vollständig auf filmische Sequenzen verzichtet, sondern man kann der Handlung auf einer Landkarte und in Form von Standbildern mit Erzähltext folgen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Einige Buchstellen lassen sich schwer kurzweilig und unterhaltsam in einem Spiel unterbringen. Da diese Szenen jedoch für den Verlauf wichtig sind, ist es verständlich, dass man auf diese Art längere Erzählabschnitte abkürzt. Ähnlich wurde auch mit historischen Hintergrundinformationen verfahren, die man zusätzlich in einem Notizbuch im Inventar sammeln und lesen kann – sofern man das möchte.

Drei Medien, drei Geschichten

Buch, Film und nun Videospiel: Wer die »Die Säulen der Erde« für sich entdecken möchte, hat ab sofort drei Medien zur Verfügung, aus denen er sich seinen Favoriten heraussuchen kann. Der historische Roman von Ken Follett erschien bereits 1989 und war in sechs Buchabschnitte unterteilt. Es folgte 2010 die vierteilige deutsch-kanadische Filmreihe unter der Regie von Sergio Mimica-Gezzan. Im August 2017 veröffentlichte dann Daedalic Entertainment den ersten Teil des interaktiven Romans, der mit dem dritten Teil im März 2018 seinen Abschluss fand. Sowohl Film als auch Videospiel orientieren sich natürlich am Originalbuch, sind jedoch nicht identisch. So gibt es verschiedene Handlungen, gerade zum Ende hin, die gekürzt oder sogar vollkommen verändert wurden. Wer also sein Schulreferat über das Buch mithilfe des Videospiels schreiben möchte, sollte sich dies noch einmal überlegen. Seit 2007 gibt es zudem eine Fortsetzung des Romans namens „Die Tore der Welt“ („World Without End“).

httpv://www.youtube.com/watch?v=1v2ssL_AvE8

Fazit

Als Leseratte und Mittelalter-Fan hat mir »Die Säulen der Erde« sehr gut gefallen. Ich kannte vorher weder Buch noch Film und konnte mich daher ganz in die Geschichte fallen lassen. Die Charaktere werden durch den tollen Zeichenstil und die hervorragende Synchronisation lebendig und ich habe in vielen Situationen mit ihnen mitgefiebert. Zudem erhält man spielerisch einen kleinen Einblick in das Europa des 12. und 13. Jahrhunderts. Als Game bietet »Die Säulen der Erde« nur wenig Herausforderung und erscheint etwas langatmig – als interaktiver Roman ist das Werk spannend und abwechslungsreich!

»Die Säulen der Erde« ist seit März 2018 mit allen drei Teilen für PC, Mac, Linux, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich.

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