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Die große Langzeitreview, Teil 2: Guild Wars 2

Im letzten Teil (Link) unserer großen »Guild Wars 2«-Review ging es hauptsächlich um Grafik, Atmosphäre und Story. Jetzt wird’s ein bisschen komplexer, denn wir schauen uns mal die komplexeren Grundbegriffe des Spiels an… Und davon gibt es einige!

Acht-Klassen-Gesellschaft

Sehr häufig habe ich in Rollenspielen die Erfahrung gemacht, dass sich viele Klassen immer irgendwie identisch spielen. Gerade in MMOs! Der Schleicher schleicht, der Kämpfer kämpft, der Heiler heilt… Ihr wisst schon. Man weiß immer irgendwie woran man ist, wenn man sich einen neuen Charakter macht und erst recht, wenn man einem anderen Spieler auf dem Schlachtfeld gegenüber steht. Es gibt Konstanten und wo es Konstanten gibt, gibt es auch Schwachstellen, die sich ausnutzen lassen. In »Guild Wars 2« gibt es zwar auch gewisse Grundmuster, aber die Feinheiten können mitunter stark variieren. Jeder Klasse stehen an die dreißig Skills zur Verfügung, dazu kommen ab Level 10 noch Talentpunkte in multiplen Bereichen, die einem ebenfalls passive Boni verleihen. Und dann gibt es ab Level 30 noch Elite-Skills, die mitunter auch vom gewählten Volk des Charakters abhängen, wie z.B. die Verwandlungsfähigkeiten der Norn, die ich im ersten Teil dieser Review schon angesprochen habe. Phew… Das bedeutet jede Menge Kombinationen und Builts für jede der acht Klassen, mit denen man herum experimentieren kann. Wichtig ist, dass jede Klasse Skills aus allen Bereichen mit sich bringt. Zum Beispiel haben auch Krieger oder Diebe Heilungs- und Schutzfähigkeiten für sich selbst und andere Mitspieler. Keine Klasse lässt sich nur in ein einziges festes Schema pressen. Besondere Erwähnung sollten hierbei auch noch zwei Klassen finden, die mir so in der Art noch in keinem anderen MMO begegnet sind (Wohlgemerkt: Ich schreibe hier aus der eigenen Erfahrung. Wenn ihr Spiele kennt, die ihr als Gegenbeispiel anführen möchtet, könnt ihr die natürlich gerne in den Kommentaren äußern.); Der Ingenieur ist eine Steampunkklasse, die mit Musketen und Pistolen hantiert, Bomben legt und dem Gegner mit Flammenwerfern und Granaten zu Leibe rückt. Nahkampf ist nicht. Außerdem wäre da noch der Mesmer. Diese Mischung aus David Copperfield und Schwertmeister benutzt Illusionen, Gedankenkontrolle und Teleportation, um dem Gegner danach mit der Klinge die Hölle heiß zu machen. Beide haben mir sehr viel Spaß gemacht. Gerade der Mesmer ist ein angenehm frisches Konzept. Etwas, das neben der instanzierten Welt im Vergleich zu »Guild Wars 1« wegfällt, ist die doppelte Klassenbelegung. Damals war es noch möglich, zwei Klassen für seinen Charakter auszusuchen, woraus sich zwar durchaus interessante Kombinationen ergeben haben, aber dafür waren die einzelnen Klassen nicht so komplex wie jetzt.

Volles Pfund aufs Maul

Im Vergleich zu anderen Genrevertretern bemerkenswert ist, dass ArenaNet keine Mods für das Interface zulassen. Es gibt eine Schnellzugriffsleiste mit Platz für 10 Fähigkeiten und das war’s. Jede Waffe bringt dabei allein schon fünf Skills mit, die sich nur wechseln lassen, indem man die eigene Waffe auswechselt. Jede Klasse hat dann noch eine designierten Slot für Heilungsfähigkeiten, drei Slots für Klassenskills und einen für einen der besonders mächtigen Eliteskills. Wieder schauen wir mal auf den größten Konkurrenten, »WoW«: Da gibt es diese Beschränkung nämlich nicht. Man kann sich jede Menge Skills auf jede Menge Zugriffsleisten legen und das ist nicht alles. Auf die Gefahr hin, wie ein Tattergreis zu klingen, aber zu meiner Zeit hat sich die Sache mit den Mods so hochgeschaukelt, dass nur Leute eine Schnitte hatten, die von vorn herein die richtigen Interfacemodifikationen in der aktuellen Version installiert hatten. Das hat mir aus einem einfachen Grund immer missfallen: Nicht der beste Spieler hat einen Zweikampf gewonnen, sondern der mit der besten Zusammenstellung an kleinen digitalen Helfern. Und wenn man selber dann nur ein Tier 2-Epic Set an hatte und der andere vielleicht sogar schon Tier 4 oder 5, dann konnte man gleich einpacken, sich hinlegen und das weiße Fähnchen rausholen. In »Guild Wars 2« gibt es das nicht. Durch die begrenzten Slots in der Zugriffsleiste und das Überangebot an Fähigkeiten ist jeder Spieler gezwungen, sich ganz genau zu überlegen, wie die ausgewählten Skills miteinander harmonieren. Die unterschiedlichen Waffentalente sind eine großartige Idee: Jede Waffe bringt fünf Talente mit (AoE, DoT, sogar Schutzzauber, wie ‘Feuerschild’). Diese sind nicht stufenabhängig, sondern man erwirbt sie, indem man viel mit seinem gewählten Kriegswerkzeug umgeht. Die Fähigkeiten variieren auch unter den Klassen, um dem Umstand Ausdruck zu verleihen, dass ein graziler Mesmer anders mit seinem Zweihandschwert umgeht, als ein grobschlächtiger Krieger. Dadurch werden die Kämpfe schon sehr früh sehr abwechslungsreich, weil man schneller mehr Zauber und Angriffstechniken dazu lernt.

For The Win!!

PvP ist ein großer und wichtiger Teil im Game, findet allerdings nur ab von der offenen Welt statt. Natürlich gibt es einzelne Schlachtfelder auf denen sich eine fixe Anzahl von Spielern gegenseitig die Kauleiste poliert, soweit so normal. Man geht vom Hauptspiel in die PvP-Lobby und meldet sich entweder mit dem eigenen Equipment und seinem normalen Level für Schlachten an, oder nimmt am strukturierten PvP teil. Dabei hat jeder Mitspieler ein festgelegtes Level, bekommt Skillpunkte zum Verteilen, wenn er normalerweise unter diesem Level liegt, und alle haben die gleiche Ausrüstung. Damit wird gewährleistet, dass auch wirklich das Team gewinnt, das sich am besten Schlägt. Spieler im offenen PvP werden dagegen zumindest innerhalb einer bestimmten Levelspanne einander zugeteilt, damit es noch halbwegs fair bleibt. Belohnungen wie Itemsets, besondere Rüstungen und so weiter gibt es natürlich auch hier. Der Hauptgang besteht allerdings aus den „Welt gegen Welt gegen Welt“-Kämpfen. Jeder Server hat dabei eine eigene Hauptstadt auf einer riesigen Karte. Meist hängen drei oder vier Server zusammen, die jeweils Spielerarmeen von bis zu 500 Leuten stellen. Nur um mal die Zahl vor Augen zu haben: Das sind 1500 Spieler auf einmal! Es gibt Kriegsgeräte, die bemannt werden können, eigene PvE-Events und Questlines, während die Spieler sich untereinander austoben. Kämpfe können dabei ewig hin und her wogen und sich über Stunden hinziehen. Es gibt soviel zu tun, dass es den Rahmen dieser Review sprengen würde und ich empfehle euch, entweder einfach einzusteigen, oder euch einen der vielen Guides zu geben, die die Spielercommunity mittlerweile ins Netz gestellt hat. Inzwischen habe ich aber zwei Dinge beim PvP gelernt, die ich euch weitergeben möchte, wenn ihr in Betracht zieht, das Spiel anzufangen: Setzt euch mit eurer Klasse schon im Vorfeld auseinander und überlegt besonders, welche Waffen ihr mitnehmt, weil das unter Umständen den ganzen Spielstil verändern kann. Außerdem sind Buffs und Debuffs (positive und negative Effekte auf Charaktere) extrem wichtig. Es gibt kaum einen Zauber oder Spezialangriff der den Feind nicht verlangsamt, einfriert, ihm über Langzeit Verbrennungsschaden zufügt, einen schneller laufen lässt und so weiter. Meistens halten die kürzer an, als in anderen MMOs, können aber dafür öfter gewirkt werden und das Schlachtenglück tiefgreifend beeinflussen.

Berühmte letzte Worte

Ich liebe dieses Spiel! Ich weiß, ich mag wie ein Fanboy klingen, aber es fällt mir wirklich schwer mir auch nur einen Aspekt zu überlegen, der mir nicht so gut gefällt. Dafür sind mir aber während meiner Zeit in Tyria sehr viele Dinge aufgefallen, die mir in anderen Games dieser Machart nicht wirklich zusagten und die ArenaNet besser hinbekommen haben – und zu diesen Spielen gehört auch das erste »Guild Wars«. Ein kleiner Kritikpunkt ist zum Beispiel, dass ich mir wünschte, dass es eine Art Codex im Spiel gäbe, wie in »Dragon Age« oder »Mass Effect«. Dort könnte ich Anekdoten und Hintergrundwissen zur Welt nachlesen, die teils sehr komplexe Zusammenhänge haben kann. Gerade, wenn ich mal längere Laufwege in Kauf nehmen muss, währen auch Reittiere nicht schlecht gewesen. Aber hey, wofür gibt es denn alle paar Meter Wegpunkte, zu denen man sich hinteleportieren kann? Die Designer sind sehr kreativ im visuellen Bereich und haben eine Welt mit einer sehr eigenen, aber trotzdem irgendwie vertrauten Atmosphäre und Optik erschaffen. Ähnlich wie Tim Burton damals, bevor er angefangen hat, sich andauernd selbst zu kopieren. Damals als er »Batman« und »Nightmare Before Christmas« gemacht hat. Seine Filme waren strange, aber auch liebenswert und erinnerten einen vom Stil her an die Horrorfilme der 20er Jahre, aber auch irgendwie in einem neuen Gewandt. Ich hoffe, ihr versteht was ich meine. Genauso ist »Guild Wars 2« für mich. Es wurde zwar spieltechnisch nicht überall das Rad neu erfunden, aber sehr sinnvoll verbessert. Allein solche kleinen Dinge, wie das aktive Ausweichen vor Angriffen, können weitreichende Folgen haben. Es ist schon oft vorgekommen, dass ich jemandem gegenüber stand, wir uns die Feuerbälle um die Ohren gehauen haben, nur damit ich im letzten Moment erfolgreich der letzten Attacke ausweichen konnte, einen Gegenangriff gestartet und so gewonnen habe… Oder eben umgekehrt. Ich gebe mir immer Mühe, kritisch, unvoreingenommen und neutral selbst mit absoluten Hits umzugehen und gerade deswegen wundert es mich selbst, dass mir nicht eine Sache auffällt, die die Entwickler in den Sand gesetzt haben könnten. Daher: Allen, die auch nur ein Bisschen was für MMOs oder auch Open-World-Rollenspiele übrig haben möchte ich »Guild Wars 2« unbedingt ans Herz legen! Es gibt keine Abos oder wirkliche Zusatzkosten, man bekommt jede Menge Spiel für’s Geld und das Spiel an sich ist einfach ausgezeichnet.

httpv://youtu.be/o4R5Q0ZOTa8

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