Zockwork Orange

Der Cowboy ist ein Patriot! – Call of Juarez: The Cartel

Man hatte mich gewarnt! Sowohl die Zockwork Orange Facebook-Gemeinde, als auch die ehemaligen Kollegen von Ubisoft wollten mir von Call of Juarez: The Cartel abraten. Immerhin hat man das Spiel bei den gnadenlosen Jungs von 4-Players mit traurigen 41% abblitzen lassen. Auch das Intro, unterlegt mit billigem Westside-Hip-Hop aus der Konserve, wirkt nicht wirklich proaktiv gegen meine Zweifel. Und obwohl ich zu diesem Zeitpunkt das schlimmste befürchtete, musste ich recht schnell zu dem Entschluss gekommen, dass die Hetzjagd auf das mexikanische Drogen-Syndikat ein durchaus passabler Shooter geworden ist!

Dabei möchte ich überhaupt nicht dazu auffordern, dass jetzt jeder Leser rausrennt und sich im nächstgelegenen MediaMarkt das Spiel organisiert. Falls ihr aber momentan unter dem Sommerloch leidet und euch nicht mit Humble Indie Bundles oder Summer of Arcade-Kram über Wasser halten könnt, ist das neue Call of Juarez vielleicht einen Blick wert. Immerhin ist die aktuelle Chrome Engine 5 ansehnlich und gefüllt mit schönen Effekten. Zwar wurde am Blur nicht gespart, dafür ist aber vor allem die Vegetation ein echter Hingucker. Außerdem spielt es sich sehr angenehm und ist sowohl fairer, als auch umfangreicher als zum Beispiel Homefront, um nur das offensichtlichste Konkurrenzprodukt aus dem Shooterpool 2011 zu nennen. Auch die Geschichte um den Kleinkrieg gegen das Kartell, so simpel sie auch gestrickt sein mag, hat genug Appeal um sich zwischen einer anständigen Folge CSI oder Walker Texas Rangers einreihen zu können.

Dem ein oder anderen mag bitter aufstoßen, dass diesmal Postkutschen gegen SUVs und Goldbarren gegen Drogenpäckchen getauscht wurden, was wirklich erst mal eine unverständliche Wahl war. Dabei spricht für mich nichts dagegen, eine Serie in eine andere Epoche zu befördern. Call of Duty oder Ghost Recon dürfen sich das auch ohne große Widerworte erlauben. Dazu kommt, dass mir die beiden Vorgänger, trotz ihres unberührten Settings, nie so gut gefallen haben wie andere Shooter. Wenn es um Cowboyfeeling geht, können die McCall-Brüder John Marston aus der Genrereferenz Red Dead Redemption einfach nicht das Wasser reichen. Um sich aus diesem Schatten zu lösen, geht Call of Juarez einen weiten Schritt und bringt mit dem Drogenkonflikt in Kalifornien und an der mexikanischen Grenze zur Jetztzeit tatsächlich eine Brise frischen Wind in die Konsole.

Natürlich ist Call of Juarez nicht perfekt, denn die vielen kleine Schwachstellen, wie miese KI, strikte Levelbegrenzungen oder unglaublich schlechte Soundaufnahmen, welche schon an anderer Stelle ausführlich angesprochen wurden, halten den modernen Western davon ab aus der Mittelmäßigkeit auszubrechen. Außerdem fehlen dem Spielfluss die besonderen Momente und der gelegentliche epische Kampf zwischen Gut und Böse, der andere Games für immer in Erinnerung lässt. Das mag daran liegen, dass Call of Juarez: The Cartel als 3-Spieler-Co-Op ausgelegt und daher eher gradlinig zum mehrfachen Durchspielen optimiert ist. Dagegen spricht jedoch die Protagonisten-Triangel, die zwar eine angenehme Abwechslung zur Zwei-Mann-Armee darstellt, aber viel zu schnell ihre Farbe verliert. Daher sah ich mich nicht mal ermutigt, für ein paar zusätzliche Achievements die Kampagne mit einem anderen Charakter erneut zu starten.

Dennoch kann ich Call of Juarez: The Cartel als modernen Western akzeptieren. Die Story hat mir gefallen und die ansprechenden Kulissen lassen bei mir doch noch ein bisschen Vorfreude auf Techlands nächsten Streich Dead Island aufkommen. Ähnlich wie bei Crysis 2, ist alles, was am Ende doch eher unschön hängen bleibt, der teilweise übertriebene Patriotismus mit dem die Akteure in ihrem Umfeld agieren. Ebenso die Pro-Amerika-Nachrichten, welche die Story immer wieder zwischen den Missionen vorantreiben. Warum so ein Spiel aus Polen kommt, ist für mich einfach nicht verständlich. Warum müssen es immer andere Landsmänner sein, die die Amerikaner in ein so fanatisches Licht rücken? Dennoch ist Call of Juarez: The Cartel ein solider Egoshooter für Zwischendurch und sollte einfach mal an einem regnerischen Wochenende ausgeliehen werden. Man muss also nicht unbedingt Vollpreis für dieses Spiel zahlen, aber selbst bei einem UVP von 39,99€ geht es durchaus fair an die Startlinie. Eine wichtige Sache habe ich jedoch aus diesem Spiel gelernt: Nur weil 4-Players etwas nicht gefällt, ist es nicht gleich Dreck!

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