Als Pen&Paper-Rollenspieler spiele ich »Das Schwarze Auge« schon seit einer gefühlten Ewigkeit immer noch gerne, aber bisher hat es außer der Nordland-Trilogie (»Schicksalsklinge« und »Sternenschweif« beide von 1994 und »Schatten über Riva« von 1996 aufgrund ihrer Nähe zur Pen&Paper-Vorlage) noch keine einzige Videospieladaption geschafft, mich wirklich mitzureißen. Die »Drakensang«-Reihe stand immer im Schatten von »Dragon Age« und machte fast alles was die letztgenannte Serie ausmacht auch, nur eben kürzer, in abgeschwächter Form und mit zu wenig dramaturgischem Biss dahinter. Nett und hat Spaß gemacht, aber eben kein Kracher den ich auch in zehn Jahren noch aus dem Regal hole. Die Adventures von Daedalic, »Satinavs Ketten« etwa, waren von Grund auf eher melancholisch-traurig und eben das: Adventures. Eine Gruppe Orks wird hier mit einem Item-Kombinationsrätsel ausgetrickst und umschlichen, statt mit Breitschwertern und Feuerzaubern in seine Einzelteile zerlegt. Gute Spiele für Adventures, aber eher nicht so mein Stil wenn ich an DSA denke. Jetzt gibt es »Demonicon« vom Berliner Studio Nouména PCs. Xbox360 und PS3. Ich habe mich damals im Zuge meiner Preview lang mit Daniel Hessler unterhalten, dem Autor des Spiels und Mitglied der offiziellen DSA-Redaktion, und einiges an Hoffnung in den Titel gelegt. Jetzt da ich es ausgiebig gespielt habe, bin ich ein wenig gespalten.
»Demonicon« spielt in den sog. Schwarzen Landen, dem „Dark Fantasy-Setting“ von DSA. Dabei handelt es sich um ein grobes Drittel des Kontinents Aventurien, das von dämonischen Mächten und ihren Dienern unterjocht worden ist. Zu Beginn der Handlung hat gerade ein Krieg zur Rückeroberung stattgefunden, aber auch wenn es schon die ersten Siege auf Seiten des Lichtes zu verzeichnen gibt, streifen immer noch Untote, Dämonen und Mutanten durch das Land und terrorisieren bzw. dezimieren die gebeutelte Bevölkerung. In der Geschichte übernehmen Spieler die Rolle von Cairon, der mit seiner Schwester Calandra und deren Vater, einem alten Söldner, aus den Schwarzen Landen in die ehemalige Nekromantenhochburg Warunk kommt. Dort soll Calandra nämlich einen Adeligen heiraten, um der Familie den Bürgerstatus zu verleihen und sie so aus der Armut zu retten. Calandra allerdings ist von der arrangierten Hochzeit nicht sehr begeistert, verschwindet und ihr Bruder folgt ihr nach, um sie wieder nach Hause zu holen. Während eines der nun folgenden Gefechte gegen Untote und Wolfsechsen verletzt die junge Dame sich allerdings und vermischt ihr Blut mit dem ihres inzwischen ebenfalls ziemlich vermackten Bruders, was fatale Konsequenzen hat: Bei den beiden erwacht eine magische Gabe die auf der verbotenen Blutmagie basiert und normalerweise nur von Dämonenanbetern praktiziert wird. Was nun folgt, ist eine finstere Geschichte um Mord, Verrat, Kannibalismus, Blutschande und die schwärzeste der schwarzen Magie.
Was auf den ersten Blick auffällt: Grundsätzlich ist das Gameplay actionorientiert, wie man es z.B. aus der »Gothic«- oder der »The Witcher«-Reihe kennt, während das Dialogsystem an »Mass Effect« erinnert. Dadurch, dass das Kampf- und Dialogsystem aus den genannten Beispieltiteln fast 1:1 übernommen worden zu sein scheint, lassen diese beiden Spielelemente einen Grad an Individualität vermissen, auch wenn die Kämpfe eine gut ausbalancierte Schwierigkeitskurve an den Tag legen, die Dialoge vielschichtig sind und man als Spieler mitunter die Story angemessen beeinflussen kann. Würde man es nett ausdrücken wollen, könnte man behaupten, dass das Spiel optisch an die Blütezeit des deutschen PC-Rollenspiels zwischen dem ersten und dem zweiten »Gothic«-Teil erinnert. Würde man es böse ausdrücken wollen, würde man behaupten, dass es in seinen schlimmsten Momenten statisch, veraltet und leblos wirkt. Beides trifft in gleichem Maße zu, da die detailverliebten aber mitunter flächenmäßig kleinen Schauplätze einen liebevoll gestalteten, detailreichen Eindruck machen. Dieser Eindruck lässt sich aber nicht auf die Charaktere übertragen, die in Dialogen fast keine Gesichtsanimationen zeigen. Wenn mal eine Stirn gerunzelt oder kurz gelächelt wird ist das schon ein Highlight! Auch die NSC’s verharren die ganze Zeit starr auf einem Punkt, wenn man mal ein bewohntes Gebiet betritt. Ich bin wirklich keine Grafikhure, aber in Zeiten von »The Witcher«, an dem man sich nach eigener Aussage orientiert hat, oder gar eines »Skyrim« ist das ein fast schon schmerzhaftes Atmosphäredefizit. Niemand verlangt, dass jeder noch so kleine NSC seinen eigenen Tagesablauf haben muss und das Budget von »Demonicon« war, besonders nach der Pleite von The Games Company und dem Publisherwechsel zu Kalypso, nicht das größte. Das ist klar und dafür habe ich Verständnis, aber hätte es wirklich so viel mehr Aufwand bedeutet, hier und dort mal einen Dörfler über die Straße schlendern zu lassen? Es sind solche kleinen Details, die bereits einen großen Unterschied machen.
Manchmal möchte man auch das Gefühl bekommen, dass die Handlung eigentlich für ein Spiel mit einer anderen, viel leistungsfähigeren Engine geschrieben wurde und dass man sich ursprünglich hatte trauen wollen, für ein erwachseneres Publikum wesentlich mehr zu zeigen und zu machen. Ich meine damit – und das wird für einige jetzt sehr makaber klingen – dass über düstere, irritierende Themen wie Nekrophilie, Kannibalismus, brutale Morde etc. zwar die ganze Zeit gesprochen wird, jedoch fast nichts davon gezeigt wird. Meine persönliche Einschätzung ist, dass man sich wohl mit einer USK-Einstufung ab 16 eine größere Zielgruppe/Käuferschicht sichern wollte und das ganze eine rein finanzielle Entscheidung darstellt. Das würde auch erklären, warum es auch sonst selten überhaupt Blut zu sehen gibt und erschlagene Feinde einfach verpuffen. Auch das ist angesichts des kleinen Budgets verständlich, sorgt jedoch auch dafür, dass der Titel im Vergleich zu – Ja, ich sag’s nochmal – »The Witcher« und »Dragon Age«, die ähnliche Themen anschneiden, ein bisschen sehr zahnlos daher kommt. Was »Demonicon« rettet ist seine dennoch gut geschriebene, manchmal sogar humorvolle und hintersinnige Story, die zwar ein wenig braucht um richtig anzulaufen aber danach zu Hochform aufläuft. Außerdem wären da noch die gut ausbalancierten Kämpfe, besonders nach dem ersten Akt auf höheren Schwierigkeitsgraden, und anders als in »Drakensang« die verhältnismäßige Entscheidungsfreiheit. Der orchestrale Fantasysoundtrack ist übrigens auch gut gelungen. Wer sich also an der recht angestaubten Grafik, teils sehr minimalistischen Animationen und fehlendem Gore nicht stört, bekommt ein cooles DSA-Abenteuer mit ein paar interessanten Ideen, hübscher Musik und netten Kämpfen. Wer aber ein wirklich grafisches, erwachsenes Epos auch auf dem visuellen Sektor erwartet hat, wird hier allerdings enttäuscht.