Zockwork Orange

Das Gruseln der Neunziger

22 Jahre hat es gedauert, bis ich mich emotional dazu in der Lage fühlte, zum ersten Mal den Horror-Survival-Klassiker »Resident Evil« zu spielen. Nie hatte ich genug Mumm, mich mit dem Genre wirklich vertraut zu machen, doch nun mit dem Release von »Resident Evil HD Remaster« kann auch ich endlich ein Stück Spielegeschichte nachholen. Doch lohnt sich das für mich als Quereinsteiger ohne nostalgische Erinnerungseuphorie überhaupt noch?

Ich bin ein Angsthase, wenn es um Horrorspiele geht. Ganz in dieser Tradition habe ich also auch einen geschätzten Puls von 180, als ich bei voller Zimmerbeleuchtung das erste Mal Resident Evil starte.
Um meinen Herzschlag etwas zu beruhigen, darf ich mir zu Beginn eine Introsequenz anschauen, welche mir die Klischeegeschichte meines Sondereinsatzkommandos „Alpha Team“ näher bringt. Ganz wie man das im Zombie-Business gewohnt ist suche ich mit meinem Team Alpha nach Team Bravo, welches während seiner Mission verschwunden ist. Dabei finden wir die Leichen von Team Bravo „angenagt“ in ihrem Helikopter. Kurz darauf attackieren uns Zombiehunde und wir müssen in Richtung einer alten (Spoiler: zombieverseuchten) Villa fliehen. Jetzt kanns also losgehen!
Der spielerische Hauptteil besteht darin, die Ursache der Zombie-Epidemie herauszufinden und dabei die Villa zu erkunden, und das ist genial inszeniert. Die Immersion mit meiner Spielfigur war sofort vorhanden. Gleich zu Beginn muss ich – bewaffnet nur mit einer Pistole und 15 Schuss – einen meiner Teamkollegen suchen. Auf dem Weg dorthin passiere ich zuerst eine Blutlache. Ich wandere weiter durch einen engen, dunklen Korridor und finde ihn schließlich inklusive über ihm kniendem Zombie.
Panisch renne ich ein paar Schritte zurück, ziehe die Pistole und versuche das Mistvieh zu erlegen (was dank der aus 1996 importierten Steuerung ohne Crosshair gar nicht so einfach ist). Nach 3 Schüssen habe ich es geschafft und kann mit der Durchsuchung meines nun toten Kameraden fortfahren.
Im weiteren Spielverlauf muss ich allerhand Rätsel lösen, Dinge finden und mich immer wieder gegen attackierende Zombies wehren. Selten hatte ich so viel Spaß beim planlosen Umherirren und Erkunden eines Gebäudes wie in Resident Evil. Meine einzig vergleichbare Erfahrung hatte ich höchstens in »Luigis Mansion: Dark Moon«. Auch dort haben mich die verschiedenen Gebäude absolut gefesselt und in ihren Bann gezogen.

Die Erkundung des Gebäudes fühlt sich nicht wie eine Aufgabe an, um die Story voranzutreiben, nein, sie wird hier ganz klar zur famosen Hauptattraktion des Spielgeschehens.
Erstaunlich gut gefällt mir die Abwesenheit eines nervigen Tutorial-Levels mit 10000 Popup-Tipps. Ich fühle mich ohne eben diese Tipps wesentlich freier etliche Dinge auszuprobieren, selbst wenn der Großteil davon nicht funktioniert, ist dies eine tolle Erfahrung. Es scheint mir, als hätten die Entwickler den Spielern 1996 noch wesentlich mehr zugetraut, als das heute der Fall ist. Welches Item kann ich mit welchem kombinieren, wie verwende ich jenes und was muss ich denn damit machen? Das sind ständig aufkommende Fragen, die es zu beantworten gilt. Hier könnten sich viele moderne Spiele mal eine Scheibe abschneiden.

Wie man schon erkennen kann sind die meisten Mechaniken also hervorragend gealtert. Durch die frisch aufpolierte Grafik wirkt das Ganze doch ziemlich aktuell. Nicht so ganz zeitgemäß sind das Item-Management und die Loadingscreens, welche durch sich öffnende Türen überbrückt werden.
Ich kann die Integration der sich öffnenden Türen verstehen (z.B. hier bei 10:53), denn in 1996 konnte man damit elegant die Ladezeiten kaschieren. Leider hat das für mich heute als Quereinsteiger überhaupt keinen Mehrwert und fühlt sich schlicht veraltet an. Eine moderne, knappe Videosequenz wäre an dieser Stelle für mich überaus passender, als eine Tür, welche sich vor schwarzem Hintergrund öffnet.
Auch das System hinter dem Item-Management will für mich nicht mehr so ganz einen Sinn ergeben. Das ich nur 8/6 Items mit mir herumtragen kann wäre an sich kein Kritikpunkt, wenn es einen Sinn dafür geben würde. Da ich aber eine beliebige Anzahl an Items in einer Lagertruhe hinterlegen kann bin ich oft auf Botengängen durch das Haus unterwegs um Item X gegen Y auszutauschen. Leider hatte ich nie das Gefühl, dass mir die Itemslot-Limitierung irgendetwas erschweren würde, sie war schlicht da, um mich noch ein paar Mal mehr durch das Haus laufen zu lassen.
Für mich persönlich sind dies aber nur kleine Mankos in einem insgesamt hervorragend restaurierten Spiel. Auch 18 Jahre nach der Ersterkundung entfaltet die gruselige Villa immer noch ihr ganzes Potential und hält mich fest in ihrem Bann gefangen. Wer diesen Klassiker noch nicht gespielt hat, oder in nostalgischen Erinnerungen schwelgen möchte sollte bei diesem Angebot also durchaus zuschlagen!

»Resident Evil HD Remaster« gibts im PSN (PS4, PS3), Xbox Games Store (Xbox 360, Xbox One) sowie Steam Store für jeweils um die 20€ zu kaufen. Eine deutsche Version mit Box ist Hierzulande leider nicht erhältlich.

Gastautor Lukas: Benutzte den Computer schon in früher Kindheit als Lern- und Spielgerät. Taucht liebend gerne für Wochen in atmosphärische Spiele ein oder maximiert irrsinnig doofe Titel in MMORPGs. Nennt sich spaßeshalber CS:GO Spieler, ist aber (noch) weit von der Weltspitze entfernt. Twittert privat unter @sncyth und steht auch außerhalb von Games auf alles was sich unter dem Begriff “Nerdstuff” zusammenfassen lässt.

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