Mit »Atlas Fallen« tut sich Deck 13 keinen Gefallen. Dabei besitzt das Open World Actionsspiel zwar prinzipiell die gleichen Schwächen, aber auch die gleichen Stärken wie ihr Vorgängerspiel The Surge 2. Weshalb sich das Team um Studiochef Jan Klose allerdings auf diese Schwächen konzentriert und ausgerechnet Handlung, Charaktere und Dialoge stark ausbauen, wissen wohl nur die Frankfurter selbst.
Das beginnt bereits beim miserablen Einstieg. Nach einem kurzen Intro begrüßen einen steif animierte Charaktere mit maskenhaften Gesichtern, die bedeutungsschwere, aber letztlich durch und durch uninteressante Fantasyfloskeln von sich geben. Unweigerlich fühlt man sich an das Schaffen der Ruhrpottler von Piranha Bytes erinnert – und das ist nicht als Lob gemeint. Wirklich nicht. Auch nach dem Intro wird es niemals besser: Atlas Fallens Inszenierung und Erzählstil sind so furchtbar bieder, so provinziell, so deutsch, dass einen schon nach wenigen Minuten jede Körperspannung verlässt und man auf der Couch zusammensackt wie ein müder Hefeteig.
Dabei tappt Deck 13 völlig unnötigerweise in diese selbstgestellte Falle, weil sie mit einem AA-Budget Dinge versuchen, die mehr und mehr AAA-Spielen vorbehalten sind. Storytelling in Videospielen ist so aufwendig wie nie und dementsprechend teuer, insbesondere in einer Third-Person-Perspektive. Eine geschickte AA-Produktion ist sich dessen bewusst und kaschiert solche Schwächen, indem sie gerade nicht mit Big-Budget-Titeln wetteifert, sondern sich deutlich von diesen abgrenzt und durch Eigenständigkeit überzeugt. Wer jedoch probiert, den Fokus auf die Geschichte zu legen, konkurriert auf diesem Gebiet im Extremfall mit God of War: Ragnarök und Red Dead Redemption 2 – und kann da nur verlieren.
Zumal Deck 13 mit den beiden The Surge Teilen längst gezeigt hat, wie man es cleverer macht. Dort waren die Erzählpassagen qualitativ zwar ebenfalls fragwürdig, aber wesentlich weniger prominent eingebunden und leichter zu ignorieren. Betrachtet man »Atlas Fallen«, muss man sich allerdings die Frage stellen, ob diese Entscheidung tatsächlich bewusst getroffen wurde oder ob The Surge lediglich wortkarg war, weil dessen großes Vorbild Dark Souls es vorgemacht hat.
Zu diesen falschen Prioritäten kommt nun auch noch eine gehörige Portion Pech dazu. Denn ursprünglich hätte »Atlas Fallen« bereits Mitte Mai erscheinen sollen. Angesichts des parallelen Erscheinungstermins von Tears of the Kingdom verschob man den Release jedoch flugs in das vermeintliche Sommerloch, wo es nach den Highlights des Frühsommers und noch vor den großen Herbsttiteln erscheinen sollte. Leider hat man dabei die Rechnung ohne das belgische Studio Larian gemacht: Die änderten nämlich ebenfalls ihre Pläne und zogen – wohl aus Furcht vor Starfield – in einem ungewöhnlichen Schritt den Release ihres Iso-RPGs Baldur’s Gate 3 ein paar Wochen vor. Und es ist gerade dieses Baldur’s Gate 3, das sich aktuell als allgegenwärtiger Überraschungshit herausstellt und die kollektive Aufmerksamkeit von Spielern und Medien so vollständig auf sich zieht, dass jeder andere Release zur Randnotiz wird.
All das ist bedauerlich, denn wie auch schon bei ihren letzten Spielen zeigen Deck 13 mit »Atlas Fallen«, dass sie grundsätzlich ein Händchen für Action-Gameplay haben. Insbesondere greift das Spiel hier die eben noch schmerzlich vermisste Abgrenzung von großen AAA-Titeln auf und kreiert ein Kampfsystem, das eigenständige Ideen und interessante Risk-vs-Reward-Abwägungen bietet und sich zudem angenehm brachial anfühlt. Ganz besonderes Lob verdient aber die geschmeidige Bewegung durch die Spielwelt und die Vertikalität im Leveldesign. Durch die Landschaft zu gleiten, mühelos verfallene Ruinen zu erklimmen und über eingestürzte Brücken zu springen macht ohne jeden Zweifel großen Spaß und ist auch optisch ein Hingucker. Man wünscht sich währenddessen nur beständig, dass »Atlas Fallen« einen einfach in Ruhe spielen lässt und nicht ständig dazwischenquatscht.
So liefert Deck 13 mit »Atlas Fallen« ein Spiel ab, das erfolgreich sein könnte, aber aufgrund von Pech und falschen Entscheidungen weit hinter seinem Potential bleibt. Zufrieden sein kann damit keiner: Spielen wird »Atlas Fallen« kaum jemand, noch viel weniger werden sich in einem Jahr überhaupt daran erinnern und für die deutsche Entwicklerszene bedeutet es einen weiteren, empfindlichen Rückschlag eines eigentlich talentierten Studios. Schade.