Zockwork Orange

Im Weltall hört niemand, wie du dir in die Hose machst…

AlienIsolationEin Wortspiel, das wohl in den vergangenen Wochen mehr als exzessiv in Reviews jedweder Art zelebriert worden sein dürfte: Im Weltall hört dich niemand [Verb hier einsetzen]. Als gäbe es sonst kein Zitat (in diesem Falle war es sogar “nur” die Tagline), das man in Zusammenhang mit einem Spiel, basierend auf Ridley Scotts Klassiker des Gruselkinos verwenden könnte. »Alien«. Ein Film, der mit den Grundängsten der menschlichen Natur spielt, wie kaum ein zweiter. Dunkelheit, enge Gänge, die tödlichen Weiten des Weltalls und ein unbekannter Gegenspieler, der zugleich unmenschlicher und wunderschöner nicht aussehen könnte.

Diese Faktoren als Grundlage nehmend, zimmerten sich die Jungs und Mädels von Creative Assembly in den letzten Jahren ihre Vision davon, wie denn ein würdiger Franchise-Titel zum Horrorflick von 1979 aussehen könnte. Selbstverständlich steckte mir beim Einlegen der Disc in die heimische Xbox 360 immer noch der Schrecken (Du-weißt-schon-wer) in den Knochen, womit ich unter den Gamern, die endlich auf ein würdiges Spiel zum Film warteten, nicht alleine gewesen sein dürfte.

Bereits im Vorfeld war bekannt, dass »Alien: Isolation« kein motivationsloses Alien-Moorhuhnschießen mit eintönigem Herunterballern schierer Gegnermassen sein würde. Vielmehr – behauptete die PR – sei SEGAs erneuter Versuch, Fans des Genres als kaufwilliges Klientel zu gewinnen, ein reinrassiger Survival-Horror. Nur halt mit Aliens. Und Ripley. DIE Ripley? Nein. Denn Ellen Ripleys Geschichte wird ja bereits in den Filmen erzählt – und zwar vollkommen lückenlos. Die Pause zwischen den Filmen (jeweils fünf bis sieben Jahre) wird dadurch erklärt, dass die Protagonistin im Kälteschlaf auf einem Raumschiff… ach, ihr kennt das.

Und genau da knüpft »Alien: Isolation« an. Während Ellen Ripley friedlich schlummernd im Kälteschlaf durch den Weltraum trudelt, sucht ihre Tochter Amanda, die irgendwo in einem Nebensatz während Szene 342 (oder so) erwähnt wird, nach einer Spur der Nostromo um ihre Mutter zu finden. Als sie eines Tages davon erfährt, dass wohl der Flugschreiber des Schiffes gefunden worden sei, macht sie sich kurzerhand auf den Weg, um das Verschwinden Ellens aufzudecken. Doch Alien wäre nicht Alien, wenn das alles so einfach ginge, wie Amanda sich das vorgestellt hat.

Die Raumstation, zu der sich die Crew aufmacht, ist beschädigt und scheinbar verlassen. Durch einen Unfall befindet sich Amanda nun von ihrem Team getrennt in dem riesigen, im All schwebenden Gebilde und versucht nun, Kontakt zum Rest, am Bord des Raumschiffs verbliebenen Crew aufzunehmen. Während man in der ersten Spielstunde nun nach und nach die Grundlagen des Spiels beigebracht bekommt, fallen findigen Spielern folgende Punkte auf:

  1. Alles sieht aus, wie ohne Umschweife aus Ridley Scotts geistigem Schoß stibitzt. Röhrenmonitore, glattgebügelte Metall- und Kunstoffoberflächen – Optisch gleichen sich Film und Spiel wie ein Ei dem anderen. Auch die Spannung, die die cineastische Vorlage durch sein stetig bedrückendes Gefühl und das sehr späte erstmalige Auftauchen des Xenomorphs definiert, wurde hier gut kopiert.
  2. Sieht. Das. Geil. Aus. Selbst Großmutter Dreisechzig holt hier grafisch alles raus, was geht. Zwar geschieht hier ab und an ein Tearing, und die Cutscenes ruckeln merkwürdig, aber was hier alleine an Lichteffekten erzielt wird, ist der Wahnsinn.
  3. Die mitgenommene Raumstation knarzt, knackt und rumpelt an allen Ecken und Enden. Selbst wenn kein Gegner (Androide, Mensch oder Alien) in der Nähe ist, löst dies ein anhaltendes Gefühl des Unwohlseins aus.

Wenn das berühmte Film-Alien aus der Feder H.R. Gigers dann endlich seinen Auftritt hat, ist die Kacke – sprichwörtlich – am Dampfen. Denn von nun an bewegen sich nicht nur schlecht gelaunte, ums Überleben kämpfende Menschen und fehlprogrammierte Androiden an Bord der Station, dem Spieler sitzt zudem ein hungriges Alien im Nacken, das nicht mit dem knapp mit Munition versorgten Revolver erschossen werden kann. Grundsätzlich sind Waffen in »Alien: Isolation« nur als letzter Ausweg zu sehen. Während man sich von Speicherpunkt zu Speicherpunkt (ja, manuelles Speichern ist hier gefragt!) bewegt, schleicht man größtenteils durch Räume, um auf keinen Fall entdeckt zu werden. Denn eine unbedachte Bewegung hat oft den digitalen Tod zur Folge, was auf Dauer zusätzlich an den Nerven des Spielers knabbert.

Zwischen dem Gruseln ist die Hauptaufgabe, am Leben zu bleiben. Survival-Horror vom Feinsten zwischen Jumpscares und dem Puls auf 250. Dabei wird das Spiel sequenziell schwieriger und das Gelernte muss in seiner Gänze angewandt werden, ob das nun das Schleichen, Hacken von Computern und Türen oder das Verstecken unter Schreibtischen ist. Dabei agiert die K.I. zwar immer etwas dümmlich und berechenbar, der Gesamtatmosphäre tut dies allerdings keinen Abbruch. Der Fakt, dass sich irgendwann einige Waffen und andere Tools, wie beispielsweise selbstgebastelte Geräuschemitter und Blendgranaten, im Inventar tummeln, soll dabei aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede unerwartete Begegnung mit feindseligen NPCs umgehend tödlich ausfallen kann.

Sehr angenehm gestaltet sich das Questsystem: Keine Nebenquests trüben den linearen Verlauf der zugegebenermaßen mittelmäßigen Story. Jeweils nur eine Aufgabe wird vorgegeben, die dann zu einer weiteren führt – und so weiter. Dabei müssen zu viele Bereiche der Raumstation mehrmals abgelaufen werden, was nicht nur nervig ist, sondern auch langweilig – an ein Backtracking im Stil von Bioshock Infinite beispielsweise, ist allerdings nicht zu denken. Beim Hin- und Herlaufen ist man gut beraten, sich dennoch ab und zu mal umzuschauen, ob man nicht ungebetene Gäste in der Nähe hat. Dabei hilft ein alter Bekannter, dessen Präsenz sich durch so ziemlich jedes Alien-Spiel EVER zieht, aber niemals wirklich sinnig verbaut wurde: Der Motion Sensor. Dieser bekommt neben der Ortung von sich bewegenden Lebewesen und Androiden zusätzlich die Funktion, die Position des nächsten Questziels anzuzeigen. Allerdings verschwimmt die Umgebung beim Blick auf das Gadget zu stark, um wirklich noch etwas zu erkennen. Per Tastendruck dreht man den Fokus um und kann die finsteren Gänge wieder erkennen. Ganz im Sinne der Filmvorlage. Toll gemacht.

“Toll gemacht” ist übrigens auch mein Stichwort für das Fazit. Fast lässt SEGA durch erneutes Aufgreifen der Lizenz das 2013-Desaster in Vergessenheit geraten. Ich lehne mich einfach mal weit aus dem Fenster und erkläre »Alien: Isolation« als das beste Spiel der Franchise, zumindest was die Grundstimmung angeht. Denn die Entwickler offenbar besonders großen Wert auf Authentizität, Ästhetik und auf den Nervenkitzel, den der geneigte Cineast gewohnt ist. Alien als Spiel funktioniert also doch, auch wenn das 35 Jahre gedauert hat. Packt euch Wechselhosen ein, denn den nächste Jumpscare kommt bestimmt. Alleine der Trailer jagt mir wieder eine Gänsehaut über den Rücken.

httpv://www.youtube.com/watch?v=uqmlNjPWNXA

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