Mein erstes Spiel oder vielmehr, meine drei ersten Spiele kamen zeitgleich mit meinem ersten Computer: Weihnachten 1988 mit dem Commodore 64. Der C64 war nahezu nackt, ohne jegliches Speicherlaufwerk – geduldig musste ich ein Jahr bis zum nächsten Weihnachtsfest warten, bis ich das 5,25” Floppy Disk Drive 1541-II geschenkt bekam und der Brotkasten überhaupt erst richtig Spaß machen konnte. Es lag jedoch gleich zu Beginn ein Joystick und ein Steckmodul mit der verheißungsvollen Aufschrift SUPER GAMES bei. Ich war natürlich völlig hingerissen.
Das Modul steckte man hinten in den ausgeschalteten C64 rein und nach dem Einschalten wurde man mit einem Menü begrüßt, das einen zwischen drei Spielen auswählen ließ. Ohne Diskettenlaufwerk hatte ich nur diese drei Spiele zur Verfügung und so haben sie sich wohl auf ewig bei mir in Netzhaut und Trommelfell eingebrannt. Schauen wir sie uns doch noch einmal an…
Colossus Chess 2.0 können wir schnell abhaken – ein Schachspiel. Schach ist serious business, das erkennt man allein an der anwendungsähnlichen Versionsnummer, die diese ganzen Fritzen oder Karl-Friedrichs oder wie sie alle heißen, haben. Ich erinnere mich, dass ich bereits als Kind die Regeln buchstabengenau kannte (inklusive großer und kleiner Rochade, bitch!), warum auch immer. Das Spiel beherrschte ich dennoch nicht. Aber mich faszinierte diese Version des Spiels der Könige. Nirgendwo war das klassische Prinzip “Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe” eines Computers besser zu beobachten als hier: Ich ziehe meine Figur, mein C64 reagiert auf die neue Situation. In dieser Kiste passierte also irgendwas und das war wahnsinnig aufregend.
Vermutlich lag auch aus diesem Grund dem C64 ausgerechnet ein Schachspiel bei, so nach dem Motto: “Ihr Heimcomputer kann alles… außer Kaffee kochen”. Kaffee kochen war immer das klassische Beispiel, wenn man die Grenzen eines Computers aufzeigen wollte – als ob man das nicht in einen Algorithmus stecken könnte. Aber abgesehen von dieser Meta-Faszination konnte ich mit Schach nichts großartig anfangen. Trotzdem schaute ich es mir immer mal wieder an, wenn ich die anderen beiden Spiele über hatte. Ach, apropos…
Spiel Nummer Zwei: Silicon Syborgs (sic!), der wohl bescheuerteste Titel aller Zeiten. Dies war natürlich das erste, was ich von den drei Spielen ausprobiert habe, das weiß ich noch ganz genau: Roboter, Weltraum, Lasergefechte – dafür wurde der C64 doch überhaupt erst erfunden! Ich meine, damals eine milde Enttäuschung verspürt zu haben, als die ziemlich triste Spielgrafik nichts mit der coolen Zeichnung auf der Pappschachtel zu tun hatte. Immerhin konnte ich diese Erfahrung gleich zu Beginn machen.
Im Prinzip war das Spiel eine Art Tic-Tac-Toe in Echtzeit. Man sprang mit seinem Syborg von Feld zu Feld und hat dieses entsprechend der Farbe der Spielfigur eingefärbt. Wer zuerst fünf in einer Reihe hatte, hat gewonnen. Dabei gab es optional Regeln, mit denen man den Gegner in der eigenen Linie auch abschießen konnte oder manchmal schwarze Löcher die Figur verschlangen. In meiner Erinnerung fand ich das Spiel bisher ziemlich schlecht, aber als ich es jetzt nochmal im Emulator ausprobierte, war es eigentlich ganz geil. Mit bis zu 2 menschlichen und bis zu 3 Computerspielern geht gut die Post ab und durch die unterschiedlichen Tonhöhen beim Einfärben pro Spieler wird eine Art randomisierte Musik abgespielt. Wäre das eines von diesen heutigen 8-Bit-Kunstspielen, die GEE würde sich gar nicht mehr einkriegen.
Last but not least: International Football – und ja, entgegen aller Wikipedia-Seiten und sonstiger Internet-Lügen heißt es NICHT International Soccer. Nicht bei mir. Es stand nämlich “Football” im Auswahlmenü und ich bilde mir ein, mal ein Interview mit Entwickler Andrew Spencer gelesen zu haben, in dem er sich darüber aufregt, dass es alle “Soccer” nennen. Vielleicht aber auch nicht. (Die Wahrheit: Es wurde unter beiden Namen veröffentlicht.)
Das war eigentlich gar nicht übel. Die Ballphysik war gar nicht so doof, man konnte es gegen einen Freund spielen (vorher hat sich jeder seine Lieblings-Trikotfarbe ausgesucht) und gegen den Computergegner hat es auch Spaß gemacht. Fouls gab es nicht, nur Einwurf und Abstoß – heute würde man das als Arcade-Fußball bezeichnen. Am tollsten war die Zuschauermenge, die in einer Zwei-Frame-Animation hin und her wackelte und immer erst dann jubelte, wenn der Ball im Tor gelandet war und der Schiri gepfiffen hat. Das muss schließlich alles seine Ordnung haben.
httpv://www.youtube.com/watch?v=CVqCpjpDabM
Was ist von den Super Games übrig geblieben? Im Nachhinein betrachtet habe ich mit International Football wohl am meisten Zeit von den dreien verbracht. Das spannendere Szenario hatte natürlich Silicon Syborgs, hat auf die Dauer aber wohl doch nicht so viel Spaß gemacht. Von Sportspielen im allgemeinen und Fußballspielen im speziellen bin ich aber heute vollkommen weg. Ein Schach-Großmeister bin ich auch nicht geworden. Und spätestens mit meiner 1541-II geriet das Modul völlig in Vergessenheit. Zu Recht! Giana Sisters, Turrican oder Bubble Bobble – das sind schließlich die Titel, die den C64 so unsterblich gemacht haben.
Doch alle drei Spiele weckten diese Ur-Faszination in mir, die ich heute immer noch bei extrem guten Spielen verspüre. Vielleicht leben in einem Mass Effect, Deus Ex oder God of War ja doch noch ein paar Syborgs weiter und dann – und nur dann – ist wieder ein bisschen Weihnachten 1988.
Danke an The Legacy für die genialen Screenshots und Scans!
Boah ich krieg Gänsehaut! Genau das war’s bei mir auch! Wie krass, die Screens zu sehen :)
Schöner Artikel! Denke da grad’ an meine ersten Computererfahrungen: Pinball, Commander Keen und Lemmings…hach…
Hab ich leider alle nicht wirklich gespielt. International Soccer nur ein paar mal. Ich hab auch irgendwie noch im Kopf, das mein Nerd Nachbar damals an einem International Soccer 2 saß. Ballsportspiele sind eh nicht so meins.
Ich hab lieber International Karate gezockt!
Mein Kommentar kommt über 2 Jahre später als das letzte hier… Aber ich schreibe trotzdem, da ich erst jetzt gelesen habe. Zu deinem tollen Bericht: Genau das ist es… sehe ich diese Screenshots höre ich wieder das Brummen von meinem kleinen Fernseher, der 1988 im Wohnzimmer auf dem Boden stand – mit dem neuen c64 davor – neben dem Weihnachtsbaum. Genau so, habe ich das alles auch empfunden. Beschreiben kann man das nicht, was es war. Aber es fasziniert mich noch heute. Sehe ich noch heute den Fernseher und den c64 in meinem Schrank, ists bei mir plötzlich auch wieder Weihnachten 88 :) Es geht nichts über diese Zeit… ich finde es toll in den 80ern Kind gewesen zu sein :)