Das Spielejahr 2015 kam mit einer ordentlichen Packung an überdimensional großen Rollenspielen. »The Witcher 3«, »Fallout«… und, als hätte ich nicht schon genug zu erforschen, entdecken und bekämpfen, schleicht sich heimlich noch »Xenoblade Chronicles X« dazu. Dass ich erst jetzt dazu komme, euch von meiner Reise durch eine neue Welt zu berichten, liegt genau an diesem Umstand. Und bevor ihr euch jetzt aufmacht und die Xbone- oder PS4-Fassung des Titels beim Versandhändler eures Vertrauens bestellt: Das Ding ist ausschließlich für Wii U.
»#XCX« trumpft nicht nur mit ordentlich aufgebohrter Grafik und unzähligen Lines an Dialogen, sondern auch mit einer sehr ausgiebig zelebrierten Story auf. Nach einem fulminanten Intro, das, wie der Rest des Spiels instant PS2-Nostalgie aufkommen lässt, kommen wir langsam in den Plot rein: Die Menschheit wurde fast vollständig ausgerottet, die Überlebenden fliehen. Der Protagonist, den der Spieler frei bestimmen kann, wacht nach einiger Zeit aus dem Kälteschlaf auf einem fremden Planeten – Mira – auf, und muss sich an die neuen Umstände gewöhnen.
Grundsteine für später
Gewöhnungsbedürftig ist auch das hakelig-komplizierte Interface des Spiels. Viel zu kleine Schriftarten, kombiniert mit umständlichen Menüs, machen #XCX nicht gerade einsteigerfreundlich. Das Tutorial ist sehr karg, gefühlte 80% des Spiels versteht man wirklich erst, wenn man sich durch die elektronische Anleitung gequält hat, weil hier das Augenmerk auf rudimentärste Techniken gelegt wird: Die Erkundung und die Nutzung der Schnellreise per Controller-Bildschirm eingeführt. Außerdem erledigt man hier grundlegende Aufgaben, die für den späteren Spielverlauf wichtig sind. Zwar kann man #XCX komplett ohne TV auf dem Gamepad spielen, dadurch werden allerdings die Kartennutzung und die erwähnte Schnellreise ein Usability-Albtraum. Das ist irgendwie undurchdacht und stört den Spielfluss enorm, ist aber wohl leider so, wenn man nur auf einem Bildschirm spielt. Außerdem verkommt auf dem kleinen Wii U Gamepad die ohnehin schon winzige Schrift zu einem unleserlichen Brei. Dafür ist die Musik grandios. Ein abwechslungsreicher Mix aus rockigem Gedudel, orchestralem Score und atmosphärischen Klängen rieselt durch die Boxen meines Heimkinosystems auf mich herab. Großartig.
Das aktive Kampfsystem ist genauso, wie man es erwarten würde. Denn #XCX bedient sich hier zu großen Teilen bei »Xenoblade Chronicles«, auch wenn der Spieler jetzt zusätzlich zu Nahkampfwaffen auch Gewehre und Pistolen zur Verfügung hat. Diese verursachen öfter, dafür weniger fortlaufenden Schaden. Nach dem Cooldown können auch die sogenannten “Arts” eingesetzt werden, die dem Gegner Schaden oder Zustandsveränderungen zufügen oder die Rüstung und Gesundheit von Gruppenmitgliedern wiederherstellen.
Mein Roboter und ich.
Der Kniff an #XCX ist der harte Wechsel der Spielmechanik nach circa 20 Spielstunden. Während man sich anfangs noch relativ mühselig zu Fuß durch die gigantische und (für Wii-U-Verhältnisse) 400 km² (und damit zehnmal so groß wie Skyrim, dafür aber komplett ohne Ladezeiten!) große atemberaubend schöne und vielseitige Tier- und Pflanzenwelt hackt, ballert und prügelt, wandelt sich das Gameplay unerwartet. Der Spieler bekommt einen großen Kampfroboter spendiert, der an sämtliche japanische Mecha-Animes erinnert. Damit steht uns die Welt von Mira offen, und selbst Gebiete, die zuvor unerreichbar schienen, und Gegner, die wir niemals im Leben angegriffen hätten, liegen uns und unserem zehn Meter hohen Roboter zu Füßen. Allerdings nur, solange genügend Treibstoff vorhanden ist, und den erhalten wir (durch Umwege) durch eine Art Sondentechnik, die wir im Tutorial erlernt und bis dato bis zum Exzess angewandt haben. Das zeigt, wie viel Planung hinter #XCX steckt und wie durchdacht das Gamedesign ist.
Allerdings sollte man die Aktionen mit dem Mech nicht auf die Spitze treiben, denn ein zerstörter Skell – so heißen die Dinger – verursacht immense Reparaturkosten, sofern man das entsprechende Quick-Time-Event verkackt und die Versicherung nicht mehr für Schäden am Roboter aufkommt. Trotz des simplen Kampfsystems, das dem zu Fuß stark ähnelt, und den zusätzlichen Laserwaffen, kann so ein Angriff schon mal in die Hose gehen. Und wer will schon ohne Mech vor einem riesigen, insektenartigen Monster stehen? Richtig: niemand. Da sammle ich doch lieber 100 davon und töte 200 davon, eine der Lieblingsquestarten der Entwickler. Auf Dauer ist das leider etwas eintönig und weicht vom Spaßfaktor enorm von den Kämpfen gegen gigantische Krabbler ab. Damit werden die insgesamt ungefähr 100 Spielstunden zumindest halbwegs unterhaltsam ausgefüllt und die wirklichen Highlights kommen so besser zur Geltung.
Speicher freimachen!
Wer auf seiner Wii U noch ordentlich Speicher zur Verfügung hat, der kann sich die #XCX-Datenpakete aus dem Shop laden. Diese sind insgesamt – Achtung! – 10 GB groß und beinhalten zum Großteil Performanceverbesserungen und Texturen, die das Spiel schneller laden lassen. Dies gilt natürlich nur für Retail-Käufer, digitale Kunden haben das Paket bereits in ihrer Kopie enthalten.
Eindimensionaler Protagonist
Wie viele Spiele, die eine deutsche Lokalisation erhalten, hat auch #XCX Macken in seiner Übersetzung. Die Dialoge wirken sehr steif und beinhalten oft inhaltliche Fehler. Sowieso ist das ganze Dialogsystem Murks. Der stumme Protagonist, den wir in einem Charaktereditor mit etwas zu wenigen Optionen zusammenwürfeln, agiert hier nur durch Gesten und Kopfnicken, sodass ich mich fast fühle wie in Fallout 4, wo eine Dialogoption aus Unwissenheit, was ich denn damit überhaupt genau sage, so gut wie die andere ist. Die Zwischensequenzen sind typisch Japanisch: viel zu lang. Und häufig unnötig. So ist es klar, dass »Xenoblade Chronicles X« einiges an Zeit fressen wird.
Merkwürdigerweise haben auch alle anderen Teammitglieder, die man lustig untereinander austauschen kann, eine interessantere Hintergrundgeschichte als unser Protagonist, der oft nur als beobachtende Nebenfigur Teil des Geschehens wird und lieber das Maschinengewehr sprechen lässt, als selbst ein Wort zu sagen. Dafür sind die Affinity-Missionen zu den Begleitern zum Teil wirklich grandios und werden mitunter richtig düster.
Dass ich hier nur nach Fehlern suche, damit ich überhaupt was Negatives sagen kann, sollte nach den bisherigen Erfahrungsberichten aus den sozialen Netzwerken ja hinreichend bekannt sein. Zwar hat #XCX die unvermeidbaren kleinen Macken hier und da, bleibt für Fans von JRPGs unterm Strich allerdings eines der besten aktuellen Spiele, das sie sich kaufen können. Über 700 Achievements, um die 20 Charakterklassen, massenhaft Rüstungs- und Waffenarten, Skills, Arts, Skells… Ich könnte meinen Text auf 30.000 Wörter ausweiten, aber – wie das so ist – von Erzählungen wird man nicht satt. Kauft euch das Ding, steigt in euren Skell, fliegt nach oben und schaut euch die geniale Umgebung an. Alleine das ist schon Kaufgrund genug.