Zockwork Orange

Wolfenstein: The New Order – Spät entdeckter Ballerspaß

Auf einer halb zerstörten Brücke sitze ich hier in einem schützenden Betonklotz. Um mich herum schwirren die Kugeln meines Gegners, einem extrem gepanzerten Soldaten. Meine Deckung wird allerdings durch einschlagende Raketen immer kleiner. Ich sollte jetzt wirklich mal meinen Arsch hier wegbewegen. Ich durchforste mein umfangreiches Waffenarsenal nach etwas Brauchbarem und wähle das Sturmgewehr, das sich praktischerweise ebenfalls als Raketenwerfer einsetzen lässt. Schnell noch eine Teslagranate über den Rand meiner sich stetig verkleinernden Deckung geworfen und den Gegner damit erst einmal bewegungsunfähig gemacht, dann ein paar Raketen hinterhergeschickt und schon liegt nur noch ein Blechhaufen vor mir. Da sammle ich mir jetzt die besten Teile zusammen und stocke damit meine eigene Panzerung wieder auf. Und weiter geht’s, die nächsten Feinde kann ich schon am Horizont sehen.

»Wolfenstein: The New Order« ist auch so ein Spiel aus der Reihe „Warum habe ich das eigentlich nicht schon früher gespielt?“. Das Spiel ist ja nicht mehr neu, es ist seit fast genau einem Jahr auf dem Markt und in meiner Spiele-Bibliothek hat es auch schon Monate unbeachtet zugebracht. Vielleicht lag es an der Nazi-Thematik, mit der ich in Spielen immer so meine Probleme habe. Die Verherrlichung dieses Regimes, auch wenn es hier nur als Feindbild ist, geht mir gegen den Strich. Dieses Thema will ich hier aber nicht vertiefen und ich kann es während des Spielens auch einigermaßen ausblenden.

»Wolfenstein: The New Order« ist ein brutaler Shooter, bei dem schon mal blutige Fetzen und Körperteile fliegen. Auch Entscheidungen, die über Tod oder Leben von Freunden zu treffen sind, sind teilweise recht heftig und ich habe ein paar Mal schlucken müssen. Allerdings ist die Story nicht sehr tiefgehend. Ich spiele den Kriegshelden Captain B. J. Blazkowicz und erwache 1960 nach 14 Jahren aus einen Wachkoma. Überraschenderweise hat das meiner körperlichen Fitness nicht geschadet. Allerdings hat inzwischen „Das Regime“, eine Art Nationalsozialismus, die Herrschaft übernommen. Um die Diktatur zu bekämpfen, schließe ich mich dem Widerstand an und werde auf die unterschiedlichsten gefährlichen Missionen geschickt. Der Ansatz einer Liebesgeschichte ist auch mit dabei, was die Handlung aber nur geringfügig beeinflusst.

Ich turne also durch phantasievoll gestaltete Level, die sogar einen Ausflug auf den Mond beinhalten, und bestaune die dem Steampunk angelehnte Ausstattung. Riesige Wachroboter, mechanische Hunde, gepanzerte Soldaten und Kampfmaschinen jeglicher Art versuchen mir das Leben schwer zu machen. Als alter Steampunk-Fan bin ich hier ganz in meinem Element. Dagegen sind die menschlichen Gegner eher harmloserer Natur. Die Kämpfe sind heftig, aber machbar, auch wenn ich bei den Bosskämpfen teilweise länger nach einer geeigneten Vorgehensweise suchen musste. Teilweise kommen die Feinde in Horden auf mich zugestürmt, da sie aber nicht besonders schlau sind, ist es hier meist ratsam, sich hinter einer Deckung zu verschanzen und warten, bis einer nach dem anderen vorbei gelaufen kommt. Trotzdem liegen für meinen Geschmack die automatischen Speicherpunkte zum Teil etwas weit auseinander.

Schön finde ich auch, dass ich mich nicht wie in vielen Shootern schlauchmäßig eingeengt fühle. Geheimgänge, unübersichtliche Zimmerfluchten oder mehrere Ebenen laden zum Erkunden ein. Es gibt einiges Sammelbares, durch das ich mir ein paar Upgrades verschaffen könnte, aber ehrlicherweise muss ich gestehen, dass dies für mich nur Nebensache ist. Was mir allerdings sehr entgegenkommt, ist die Tatsache, dass ich teilweise auch eine lautlose Vorgehensweise wählen kann. Ein paar geschickt geworfene Messer und schon sind ein paar nervige Gegner geräuschlos ausgeschaltet und niemand ist alarmiert. Es gibt allerdings schon ein paar coole Waffen – z.B. das Laserkraftwerk – die auch ausprobiert werden wollen. Beim Waffendesign hätte aber noch etwas mehr Fantasie reingesteckt werden können. Wenn ich schon in einer mit Robotern bestückten Welt rumlaufe, dann dürfte es auch etwas Ausgefalleneres sein als Schrotflinten und Sturmgewehre. Munition ist nie Mangelware und die Feuergefechte haben einen hohen Spaßfaktor, wozu der mitreißende Soundtrack zusätzlich beiträgt.

Allerdings finde ich, dass das Potential mancher Schauplätze hätte weiter ausgeschöpft werden können. Ein paar weitere Einlagen auf der Mondoberfläche wären cool gewesen, dafür könnte ich auch gut auf den Unterwasserlevel verzichten.

Ich spiele wieder mit dem PC und auch hier wieder mit dem Controller. Über die Steuerung kann ich nicht meckern, läuft alles einwandfrei. Allerdings möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass »Wolfenstein: The New Order« das erste Spiel ist, bei dem ich massive Probleme mit Abstürzen während des Ladevorgangs habe. Ich habe alle schlauen Tipps der Community befolgt, konnte das Problem aber nicht ganz beheben. Vielleicht ist jetzt doch langsam mal eine neue Grafikkarte fällig.

Zusammenfassend ist »Wolfenstein: The New Order« ein solider, wenn auch brutaler Shooter der meiner Meinung nach aber etwas mehr Potential gehabt hätte, obwohl er durch sein außergewöhnliches Setting und die überraschenden Schauplätze durchaus aus dem Rahmen fällt. Ich hatte trotzdem ca. 20 Stunden viel Spaß, wobei es aber natürlich auch schneller geht, wenn man sich nicht mit Erkundungen aufhält. Und ohne spoilern zu wollen: Ich bin aber immer etwas traurig, wenn ein Spiel, wie in diesem Fall, kein wirkliches Happy End hat.

Bis vier zählen … Einatmen … bis vier zählen … Ausatmen.

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