Zockwork Orange

Wie Portal, nur in schlecht: Quantum Conundrum

Wer nicht gerade in die Gruppe der jüngsten ZwO-Leser fällt, erinnert sich eventuell noch an die Smashing Pumpkins. Oh ja, da blitzt der graue Star in den Äuglein auf. Zur Erklärung: Die Smashing Pumpkins haben Anfang bis Mitte der 90er Jahre so ein bis vier (je nachdem, wen man fragt) wegweisende Alternative-Rock-Alben veröffentlicht, die so ziemlich alles vergleichbare in den Schatten stellten. (Glatz-)Kopf der Band war ein gewisser Billy Corgan, der es mit der Zeit geschafft hat, den Großteil seiner Kollegen auf ewig zu vergraulen. Die Pumpkins lösten sich auf und Billy stolperte sich durch halbgare Soloprojekte und endlich – endlich kam es Ende der 00er Jahre zu einer Pumpkins-“Reunion” mit komplett neuen Mitgliedern. “Ich will meine Band und meine alten Songs zurück”, tönte Billy, angeknüpft werden sollte an alte Erfolge. Die Fans waren zunächst entzückt… und dann entsetzt: Der Müll, den Billy da ablieferte, hatte nichts, aber auch gar nichts mit der früheren Großartigkeit zu tun.

Wem einmal so schmerzlich das alte Fanherz herausgerissen, zerknüllt, auf den Boden geworfen, zertrampelt und auf den Kompost slamdunked wurde, sieht manche Dinge plötzlich kritischer. Ron Gilbert macht was auf Kickstarter? Joa, erstmal abwarten (wann hat der sein letztes Spiel nochmal gemacht?). Kim Swift, die Portal-Erfinderin, schnappt sich ein junges Dev-Team, um basisdemokratisch neue Ideen auszuprobieren? Hmmm, wie langw… FUCK YEAH, DO WANT! Es klappt eben doch nicht immer mit der konsequenten Unterdrückung der Begeisterung. Also her mit »Quantum Conundrum«!

Als kleiner Junge sind wir zu Besuch im Haus unseres Onkels, einem offensichtlich verrückten Professor, der durch ein Experiment in einen riesigen, wissenschaftlich höchst bemerkenswerten, Schlamassel geraten ist, aus dem wir ihn retten müssen. Zur Verfügung steht uns dabei ein Handschuh, mit dem wir insgesamt vier Dimensionen aktivieren und deaktivieren können: die Fluffy Dimension, die alles weich und leicht macht, die Heavy Dimension, die exakt das Gegenteil bewirkt, die Slow Dimension, die die Zeit langsam ablaufen lässt (ihr mögt doch zeitkritische Rätsel? Jaaaa!) und Reverse Gravity, die – der Name sagt es schon – die Schwerkraft umdreht. Mit diesen vier Superkräften ausgestattet, knobeln wir uns stückweise Rätsel für Rätsel durch das merkwürdige Haus des Onkels und hören uns dabei seinen Sermon an – eine Mischung aus Tipps für uns, Verwunderung darüber, wo er bloß gelandet ist und Geschichten von früher. Zu den Geschichten von früher gehören übrigens elaborierte Zeitreise-Erzählungen, warum muss ich also diesen Quatsch mit vier Dimensionen machen und kann nicht einfach die Uhr zurückdrehen? Hm.

Aber die Frage, die wir uns alle stellen, ist so offensichtlich, dass sie Kim Swift auch schon in einem Interview gestellt wurde: How similar is QC to Portal? How different? Und gespannt schauen wir auf die Antworten:

I was the lead designer on Portal, and I really enjoyed making that type of game. So when I came over to Airtight Games, I pitched an idea for a game in that same kind of puzzle genre, and we went ahead and made it. But to me, that’s where the similarities end.

Bitch, please. Alles in »Quantum Conundrum« schreit nach »Portal«. Hallo, ich trage Kisten mit mir herum und stelle sie auf Schalter. Ich verfolge die farbige Linie vom Schalter aus, um zu sehen, welche Tür er öffnet oder welchen sonstigen Effekt er hat. Ich kann die Kisten nicht beliebig weit tragen, weil sonst ein Laser kommt und sie kaputt schießt. Ich drücke auf Knöpfe, die mir eine neue Kiste bereitstellen lassen und die alte zerstören. Nebenbei erzählt mir eine Stimme aus dem Off etwas, das lustig sein soll. Und ich arbeite mich im Stil von Testkammern Stück für Stück voran, ein Rätsel gleichzeitig.

Mit “same kind of puzzle genre” meint Swift also offenbar das sehr generische “Auf Knöpfe drücken, um Kisten zu erhalten, um diese auf Schalter zu stellen, während eine Stimme aus dem Off etwas lustiges erzählt”-Genre, wie man es in tausendfacher Ausführung kennt. Und klar – so ganz ohne Portale hat das natürlich nichts mehr mit »Portal« zu tun. Ähem. Die Screenshots hier sehen auch null danach aus.

Aber warum gehe ich eigentlich so ins Detail? Es fängt ja damit an, dass Quantum Conundrum aus der Ego(shooter)-Sicht gespielt wird. Gibt es dafür einen Grund? Was in der Tat neu ist, ist der Platforming-Aspekt, der pixelperfektes(!) Springen erfordert. Schön und gut, aber will ich das wirklich in der Ich-Perspektive machen? Das geht nämlich durch das eingeschränkte Sichtfeld nur äußerst ätzend und ist ein Grund, der mir den Spielspaß massiv verhagelt hat. Wenn es denn schon Platforming sein soll, wie wäre es zum Beispiel gewesen, das gleiche Spiel als 2D-Jump’n’Run zu realisieren statt gedanklich immer noch in Narbacular Drop festzuhängen? Funky wäre das gewesen. So viel dann auch zum Thema:

The game controls [are] completely different.

Mhm. Klar.

Each one of the dimensions you gain access to in the game become another tool in your arsenal for solving different puzzles and challenges.

Kim, jetzt lügst du aber, ohne rot zu werden: Es sind immer dieselben Rätsel. Wie oft habe ich Fluffy Safes mit dem Ventilator an die Wand fliegen lassen, um sie dort irgendwie gezielt anzuordnen (was steuerungstechnisch nebenbei gesagt ein Schmerz im Hintern ist)? Wie oft habe ich mit fliegenden Safes Glasscheiben zersplittern lassen? Ebenso oft, wie mich der Onkel Professor danach angemault hat, ich solle sein Haus nicht kaputt machen. Wie oft kam das zeitkritische An- und Ausschalten eines Laserstrahls, um aus mehreren gleich hohen Säulen eine Treppe zu schnitzen? Alles ist so entsetzlich vorhersehbar. Ich werfe einen Blick auf das Rätsel und erinnere mich im schlimmsten Fall an die Lösung. Meist unter Schmerzen, denn das ganze dann noch mal richtig zu timen und umzusetzen, ist das andere Problem.

Gerne wird das Rätsel auch auf billigste Art und Weise erschwert. Ein Spielelement ist, dass man innerhalb eines Rätsels eine Dimension erst freischalten muss, indem man die passende Batterie findet und in so eine Art Hauptschaltwerk zusätzlich einsetzt. An und für sich finde ich die Notwendigkeit für so einen Mechanismus schon fragwürdig, da der Fokus vom eigentlichen Rätsel genommen wird und man sich eher die Frage stellt, ob man nicht noch irgendwie was braucht. Die leichte und unbeschwerte Experimentierfreude aus Portal: weg. Und richtig schlecht und mies wird es dann erst wenn die entsprechende Batterie zu Beginn des Rätsel direkt neben einem liegt und eingesetzt werden kann – ohne jegliche Vorarbeit. Wenn also einfach darauf gebaut wird, dass der Spieler sie übersieht und irgendwann nicht mehr weiterkommt. Sind wir jetzt also designtechnisch auf dem Pixelhunting-Niveau von Point-and-Click-Adventures aus den 80ern angekommen? Bravo!

Ohne auf die genaue Spielzeit geachtet zu haben: Das Spiel fühlt sich viel zu lang an. Neben dem unnötigen Rätsel-Recycling hätte man auch mindestens eine der Dimensionen knüllen können – Fluffy und Heavy Dimension als inverse Elemente sind sich einfach viel zu ähnlich und zu 90% deckungsgleich. Ob ich in der Fluffy Dimension einen Safe auf den Schalter stellen kann oder ob ich einen Pappkarton direkt draufstelle und mit der Heavy Dimension schwer mache: egal.

Unterm Strich ist Quantum Conundrum so lange für einen netten Rätselspaß zu haben, bis die eklatanten Schwächen und das furchtbar zu spielende Platforming anfangen zu nerven – dann legt man es entweder weg oder beißt die Zähne bis zum Ende zusammen. Die frappierende Ähnlichkeit mit Portal gibt dem Spiel für wenige Stunden einen gewissen Vertrauensvorschuss und es macht auch erstmal wirklich Spaß, bis man eben durchschaut hat, dass es in puncto Kreativität, Mechanik, Experimentierfreude und Puzzledesign kein Portal ist. Dabei versucht QC doch auch unbedingt lustig zu sein und es gibt sogar ein Lied am Ende (einen miesen Bubblegum-Punkrock-Song) – ach, es ist so tragisch. Wer komplett auf Entzug ist, kann mal einen Blick wagen, riskiert aber, schwer enttäuscht zu werden.

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