Henrys erster Tag verspricht direkt mehr Aufregung, als er sich hier erhofft hatte. Erst muss er zwei Mädels, die nackt im See baden, die Feuerwerksraketen wegnehmen. Und später begegnet ihm eine seltsame Gestalt in der Nähe seines Turms, den er zu guter Letzt noch verwüstet vorfindet. Da Henry und Delilah nicht viel zu tun haben – selbst wenn ein Feuer ausbräche, müssten sie es nur melden und beobachten – nutzen sie die freie Zeit, den Ereignissen auf den Grund zu gehen.
»Firewatch« sieht einfach so toll aus, dass ich zahllose Male inne halten und einen Screenshot machen musste
Es wäre übertrieben zu sagen, dass ab dem Zeitpunkt alles total mysteriös wäre. »Firewatch« ist kein solches Spiel. Auch im weiteren Spielverlauf steht die Natur, stehen die malerischen Hintergründe im Zentrum des Spielgeschehens. Diese waren tatsächlich auch der Hauptgrund, weshalb ich mir das Spiel geholt habe und da bin ich voll auf meine Kosten gekommen. »Firewatch« sieht einfach toll aus, so toll, dass ich zahllose Male (gelogen, es waren genau 93) inne halten und einen Screenshot machen musste. Trotzdem gibt es natürlich eine Story, die uns voran treibt, die Henry jeden Tag aus seinem Turm in die Wildnis wandern lässt. Damit die Wanderungen nicht so langweilig werden, gibt es immer mal wieder was zu entdecken, man kann Caches finden, in denen andere Ranger Karten, Notizen und sonstige Dinge verstaut haben, es gibt Höhlen, verlassene Pfadfinder-Camps und ganz, ganz selten sogar mal ein Tier zu sehen. Und wenn die Stille unerträglich wird, hat Delilah bestimmt wieder irgendetwas zu erzählen oder gibt uns einen Auftrag, den wir gewissenhaft befolgen.
Von vielen Seiten wurde »Firewatch« über alle Maße gelobt. Es sieht großartig aus, die Dialoge sind toll geschrieben und ebensogut eingesprochen und obwohl es keine wirklichen spielerischen Herausforderungen gibt, wird »Firewatch« nie langweilig. Oder nur dann, wenn man sich mal verlaufen hat. Das kommt selten vor, da Henry sich eigentlich nicht wirklich frei bewegen kann und die schönen Hintergründe und die Natur nur davon ablenken wollen, dass wir uns hier in einem sehr linearen Spiel befinden. Gestrüpp oder kniehohe Steine stellen oft eine nicht direkt offensichtliche Begrenzung dar, die Henry auf seinem festen Weg hält.
Doch noch mal zur Story: den Mystery-Plot fand ich, so wie er präsentiert wurde, unnötig. Zu Beginn fand ich ihn großartig, hatte alle möglichen LOST-Gefühle oder zumindest Erwartungen. Am Ende war er mir zu unausgegoren, zu simpel. Vielleicht war er mir einfach zu realistisch, trotz allem hätte es mir gereicht, wenn das gesamte Spiel nur aus Henry, Delilah, der Natur und der daraus entstehenden Dynamik bestanden hätte. Henry und Delilah funktionieren zusammen einfach perfekt und jede Ablenkung von den beiden habe ich fast als Störung empfunden. Ich hätte noch stundenlang mit Henry die Natur erkunden oder nachts Feuer beobachten und dabei unbeholfen mit Delilah flirten können. Umherlaufen, Notizen und Details der Ranger von vergangenen Sommern sammeln, die unbekannte Natur erkunden, die ganzen Easter Eggs entdecken – darauf werde ich mich in meinem zweiten Durchlauf konzentrieren. Sofern Delilah mich lässt.