Als Privateer Edward Kenway dem Assassinen Duncan Walpole die Kleidung vom toten Körper riss, hielt er das noch für eine clevere Idee, schnell an Geld zu kommen, indem er sich als eben dieser Assassine ausgab. Schon bald musste er feststellen, dass es harte Arbeit war und dann noch wirklich bei dem exklusiven Club der Meuchelmörder mitmachen zu wollen – eigentlich ist das vom Piratendasein so weit entfernt wie Ezio Auditore Da Firenze von der Monogamie. Aber tief im Inneren ist Edward wohl doch ein guter Kerl. Und so kapert er sich ein Schiffchen, das er liebevoll “Jackdaw” (Dohle) nennt, besorgt sich eine Crew, um die er sich rührend kümmert, um fortan Shanty-singend gen Sonnenuntergang zu segeln. Nur wenn man die falsche Flagge gehisst hat, sollte man Captain Kenway aus dem Weg gehen, denn dann schreckt er vor nichts zurück, bis das feindliche Schiff geentert oder versenkt und der Laderaum geplündert ist. Und dass zur Abschreckung mindestens ein Teil der Crew gemeuchelt werden muss, gehört zum guten Ton, wenn man als Pirat gefürchtet werden möchte.
»Assassin’s Creed IV: Black Flag« ist der mittlerweile sechste Teil der Hauptserie, mit exklusiven Handheld- und Mobile-Games sind es viel mehr und da den Durchblick nicht zu verlieren, ist nicht ganz leicht. Die in der Gegenwart/Zukunft spielende Rahmenhandlung scheint immer mehr an Bedeutung zu verlieren; die Geschichte Desmonds wurde in Teil 3 beendet und für mich, der Teil 3 nur kurz angespielt hat, fängt Black Flag recht absurd an. Der Templer-Verein Abstergo ist nun ein Entertainmentkonzern mit Sitz in Kanada, der gemeinsam mit Ubisoft (beide Namen erscheinen im Vorspann des Spiels) Unterhaltungsmedien aus den genetischen Erinnerungen von Desmond herstellt. Dieses Jahr sind Piraten der Renner, also wird man in den Animus geschickt, um die Piratenstory Edward Kenways aufzuzeichen. Ohhhhhkay… Moving on. Gegen Ende stellt sich heraus, dass auch hier mehr dahinter steckt, allerdings bleibt das sehr offen und wird vermutlich in DLCs oder späteren Teilen näher erläutert werden.
Zurück zur Hauptgeschichte: Mister Kenway entschließt sich also, sein Gehalt aufzubessern und auf eigene Rechnung zu shippern, schnappt sich eine Brigg und befährt die Karibik. Leider herrschen hier einige Kriege: Spanier gegen Briten, Templer gegen Assassinen und er gerät mitten hinein. Vielleicht hätte er sich doch auch nicht als Assassine ausgeben sollen, der mit den Templern zusammenarbeitet. Schnell entscheidet er sich für eine Seite und arbeitet außerdem für seine eigenen Zwecke mit Blackbeard & Co zusammen, andererseits aber auch mit den Assassinen. Immer auf der Suche nach dem großen Schatz, mit dem er sich zur Ruhe setzen kann. Das sagenumwobene Observatory, eine Hinterlassenschaft der First Civilization. Ob es eine Waffe ist oder ein Schatz weiß niemand genau, aber Edward will es haben, was seine Crew ein wenig nervt – die will lieber Gold, Rum und Frauen, anstatt einer verrückten Fantasie nachzujagen. (Gemeutert wird aber nie, so oft sie auch ihren Unmut äußern. Hier hätte man auch mehr draus machen können.)
Über die Jahre ändern sich Edwards Motive allerdings – jagte er zuerst nur dem schnellen Geld nach, ist er mehr und mehr fasziniert von den Assassinen und wofür sie stehen. Allgemein, sich einer höheren Sache zu verschreiben, anstatt nur an sich selbst zu denken, was die Assassinen ihm oft vorwerfen. Richtig gelesen, der Protagonist in diesem Spiel ist überhaupt kein Assassine, aber vielleicht wird er es in späteren Teilen noch werden?
Das ganze Seefahren macht zwar Spaß, zieht aber auch die Spielzeit künstlich in die Länge. Es ist aber notwendig, da man für spätere Missionen sein Schiff aufrüsten muss (verstärkter Rumpf, Kanonen, noch mehr Kanonen.). Wie macht man das? Ganz einfach, man braucht Geld, Holz und Metall und das bekommt man fast nur durch das Entern von feindlichen Schiffen. Das kann auf Dauer ganz schön ermüdend sein, zahlreiche Stunden vergehen, in denen man nur Schiffen hinterher fährt, sie angreift, entert und dann dasselbe von vorne. Hier erleben wir das typische Problem der Assassin’s Creed-Reihe: Repetivität. Man macht etwas ein Mal und dann macht man noch 200 Mal exakt dasselbe. Ja, die Seeschlachten werden leichter, man wird routinierter, das eigene Schiff wird stärker, es gibt unterschiedliche Arten von Gegnern; man spürt eine kleine Veränderung. Dennoch ist es viel zu oft der genau gleiche Vorgang. Aufgelockert wird das durch Wind-Waker-mäßiges herumschippern, kleine Inseln entdecken, Schatzkarten finden, Haie oder Wale jagen oder Landsäuger abmurksen, in Schiffswracks tauchen, einem Haufen Nebenmissionen und natürlich ganz vielen Sammelaktionen. Schatzkarten- und Truhen, Animusfragmente, die in der gesamten Karibik verteilt sind und – das Wichtigste – Shanties. Was so ein echter Assassine und Pirat ist, mag natürlich nicht den ganzen Tag nur “What shall we do with the drunken sailor” hören. Deshalb muss man Shanties (repräsentiert durch fliegende Notenblätter) finden und jagen (die kleinen Biester fliegen weg und wollen nicht gefangen werden), um sie der Crew beizubringen. Das eigentliche Spiel, also die Parts, die »Black Flag« zu einem »Assassin’s Creed« machen, kommen im Vergleich etwas zu kurz. Schleichen, klettern, morden, Leap of Faith, assassinieren… kommt alles vor, aber zumindest bei meiner Spielweise nur am Rand. Wie immer wird das Spiel ab und zu durch die Rahmenhandlung unterbrochen, aber auch das scheint abgenommen zu haben; die Mysterien in der Gegenwart, die Motivation des namenlosen Protagonisten, der bei Abstergo arbeitet, das alles bleibt nebensächlich.
Der sechste Teil von Ubisofts Assassin’s Creed-Reihe bietet bis auf das Setting wenig Neues. Selbst bei Steuerung und Grafik hat sich – inklusive der altbekannten Bugs, den Problemen bei der Steuerung und diversen Glitches – seit den ersten Teilen nicht viel getan. Zumindest auf den aktuellen Konsolen, bzw. denen der letzten Generation. Aber diese ganzen Fehlerchen und spontanen Bewegungen des Protagonisten, die man gar nicht beabsichtigt hatte, gehören ja schon fast dazu. Man würde was vermissen, würde alles rund laufen. Ansonsten bietet das Spiel eigentlich für jeden etwas und jeder wird etwas finden, was er nicht so gerne mag. Waren mir die Schlachten mit anschließendem Entern zu Beginn ein Dorn im Auge, verschob sich mein Unmut im späteren Verlauf auf die Tauchgänge. Die können so schön sein, hat man einmal die Unterwassersteuerung drauf. Singende Wale über einem, versunkene Wracks unter einem. Aber man musste ja fiese Muränen, Haie, Quallen und Seeigel einbauen, die einem das Leben schwer machen. Die Missionen sind zwar optional, für das Upgraden des Schiffes aber unabdinglich. Ebenfalls optional sind die ganzen Sammelgegenstände. Assassin’s Creed war schon immer ein Spiel für Sammler und hier wird das auf die Spitze getrieben. Mir ist bis heute nicht bewusst, wofür ich die glitzernden Animus Fragmente brauche, aber sie sind auf der Karte eingezeichnet, also muss man sie suchen, finden und einsammeln. Was ebenso pointless zu sein scheint ist das Aufrüsten des eigenen Stützpunktes. Ein Turm auf dem eigenen Haus und ein Gästehaus daneben: hübsch, ja, aber was bringt das? Das Restaurieren Monteriggionis brachte Ezio wenigstens noch Geld, aber hier erschloss sich mir kein Grund, Geld zu sparen und für das Häuschen auszugeben. Viel sinnvoller ist es, Kenways Flotte auszubauen. Die kann man über eine Karte aus dem Spiel heraus oder über die Smartphone-/Tablet-App in die ganze Welt schicken, zurück kommt sie dann meist voll mit Geld und Geld braucht ein Pirat ja immer. Zum Beispiel, um sich ein Gästehaus zu bauen.
Es gibt viel zu Meckern bei diesem Spiel, man wird als Spieler allerdings auch zu fast nichts gezwungen und kann auslassen, was einem nicht so liegt. Am Ende blieb bei mir das Upgraden, das Sammeln und das Erkunden, was dafür sorgte, dass ich selbst nach Laufen der Endcredits (Gänsehaut garantiert) noch häufig den Controller in die Hand nahm. Nur noch eine Schatzkarte finden, das letzte Upgrade freischalten, und vielleicht dann doch endlich ein legendäres Schiff besiegen können. Und das ist es, was mich immer wieder zu Assassin’s Creed zurückholt. Nicht die immer gleichen Missionen, nein, das Wandern durch Rom oder Venedig, das Befahren der Karibik… das ist am Ende das, was mir am meisten Spaß machte. Zu einem richtig guten Ausnahmetitel macht »Black Flag« das nicht, aber zu einem soliden, unterhaltsamen Titel einer guten Videospielreihe.