Ich weiß nicht genau, warum mich Simulationen so faszinieren. Eigentlich ist das gar nicht mein Genre und trotzdem schaue ich immer gerne mal wieder in eine rein. Vielleicht deshalb, weil meistens alles eher gemütlich und entspannt zugeht. Über meine peinlichen Missgeschicke im Landwirtschaftssimulator, bei dem ich z.B. ein falsches Feld umgepflügt habe, hüllen wir allerdings besser ein Mäntelchen des Schweigens.
Als Aerosoft mir vor ein paar Tagen angeboten hat, mir den brandneuen Straßenbahn-Simulator »TramSim« einmal näher anzusehen, habe ich deshalb sofort zugegriffen.
Auf zur ersten Fahrt
Ich klettere also erwartungsfroh auf den Fahrersitz der Linie 1 in Wien. Nach ein paar kurzen Einführungsvideos, die mir die grundlegende Steuerung meines schweren Gefährts (Leermasse 41 Tonnen!) erklären, darf ich loslegen.
Meine Tram ist dabei ein Fahrzeug der neuesten Generation. Die von Bombardier entworfene und gebaute Flexity-Serie, die in Wien eingesetzt wird, wurde für diesen Simulator detailgetreu nachgebaut. Mit einem Blick auf die vielen Knöpfe und Hebel fühle mich gleich wie ein cooler Pilot… und leicht überfordert. Doch die Angst ist unbegründet. Eigentlich sind die Bedienelemente, die man anfangs benötigt, wirklich überschaubar. Hier wird es Einsteigern definitiv leicht gemacht.
Also drücke ich beherzt den Fahrhebel nach vorne und los geht’s.
Nächster Halt: Radetzkyplatz
Die Herausforderung lauert aber schon an der ersten Haltestelle. Hier gilt es nämlich sanft abzubremsen und an einem bestimmten Haltepunkt zum Stehen zu kommen. Klappt bei mir jetzt eher so semi…
Von Haltestelle zu Haltestelle stellt sich aber immer mehr Routine ein und das Anhalten und Anfahren funktioniert mit etwas Übung immer besser. Das erkenne ich übrigens auch daran, dass ich mehr oder weniger „Trampunkte“ einheimse. Je genauer die Landung, umso mehr Punkte gibt es. Ich kann dabei sogar Punkteserien erspielen, die mir noch einen kleinen Bonus verschaffen. Später schalte ich dann mit diesen Punkten neue Features frei.
Aber nun zurück zur Haltestelle. Habe ich es endlich geschafft, zum Stehen zu kommen, öffne ich mit einem Knopfdruck die Türen, lasse Fahrgäste ein- und aussteigen und schließe die Türen wieder. Mit einem leisen Signalton bekomme ich mitgeteilt, dass meine Tram nun wieder abfahrbereit ist. Easy as that.
Die Haltestellen werden übrigens mit den originalen Ansagen angekündigt. Ein witziges Feature, wie ich finde.
Burgtheater, Oper und Co.
Nicht umsonst wird die Linie 1 in Wien auch die „Sightseeinglinie“ genannt. Die etwa 25 Kilometer lange Fahrt führt mich an jeder Menge Prachtbauten vorbei, wie z.B. dem österreichischen Parlament oder dem Wiener Burgtheater. Über 300 Gebäude wurden hier realistisch nachgebildet und beeindrucken durch ihre Detailtiefe. Als Grundlage dienten dabei jede Menge Fotos, die teilweise direkt vor Ort aufgenommen wurden. Insgesamt wurden hier etwa 4 Quadratkilometer der Wiener Innenstadt in Kleinstarbeit zusammengesetzt, die ich jetzt bestaunen kann.
Auch an Vegetation wurde ebenfalls nicht gespart. Bepflanzte Grünstreifen oder grüne Alleen erzeugen ein realistisches Stadtbild und beleben die Straßenzüge. Ich habe wirklich den Eindruck, an einem herrlichen Sommertag unterwegs zu sein.
Meine Tramlinie fährt aber nicht nur im hellen Tageslicht. Wien bietet auch eine Reihe von unterirdischen Haltestellen, die ebenfalls grafisch beeindrucken. Sogar am Müll im Gleisbett wurde hier nicht gespart. Realismus eben.
Allerdings hat die realistische Nachbildung auch seinen Preis. Um das hübsche Ergebnis zu erzielen, wurde hier auf die Unreal Engine gesetzt. Dies ist eine schlechte Nachricht für Switch-Besitzer, denn eine Portierung ist somit wahrscheinlich nicht möglich.
Kleine Abstriche bei der Fahrgast-KI
Die schöne Umgebung in »TramSim« kann ich aber nicht nur durch meine Windschutzscheibe betrachten. Verschiedene Kameramodi lassen mich auch in den Fahrgastraum blicken oder mein Gefährt von außen bestaunen. Hier kann ich beobachten, die die Fahrgäste ein- oder aussteigen und ihre Sitzplätze einnehmen. Allerdings wirken die Bewegungen teilweise ziemlich steif und mehr als einmal sah ich einen Passanten im Kreis rennen. Das war sicher nicht so gedacht und mag auch daran liegen, dass ich eine Beta-Version zum Testen bekommen habe.
Auch die Gesichter wirken teilweise gruselig, aber ich denke, der Schwerpunkt wurde bei der Entwicklung eindeutig auf eine realistische Nachbildung der Tram und der Umgebung gelegt, als auf die Attraktivität meiner Fahrgäste.
Die KI verhält sich auch sonst manchmal etwas merkwürdig. Bereits auf meiner ersten Fahrt habe ich einen Fußgänger angefahren, der plötzlich vor meiner Nase auf die Gleise gelaufen ist. Das Gute daran: Ich bekomme nur eine lapidare Kollisionsmeldung. Schadensmodelle oder Crashsimulationen sind zum Glück nicht vorgesehen. Das ist auch so gewollt, denn das Ziel des Spiels ist eindeutig nicht darauf ausgelegt, Fußgänger zu überfahren oder Autos zu rammen. Vielmehr hatten die Entwickler im Sinn, mehr Verständnis für den öffentlichen Nahverkehr zu wecken.
Ich selbst kann übrigens auch aussteigen, um z.B. Weichen manuell zu bedienen. Die Steuerung meiner Wenigkeit ist allerdings nicht so sehr gelungen und fühlt sich ziemlich hakelig an. Hier dürfte gerne noch etwas nachgebessert werden.
Challenge-Mode inbegriffen
Meine erste Fahrt habe ich ohne Fahrplan absolviert, da ich mich erst einmal mit der Technik vertraut machen wollte. Herausfordernder wird es aber, wenn ich auch einen bestimmten Zeitplan einhalten soll. Da treiben mir rote Ampeln, ein kleiner Stau oder blöde Falschparker schon mal den Schweiß auf die Stirn und meine Bewunderung für gelassene Tramführer steigt immens.
Wem die normalen Fahrten auf Dauer zu langweilig werden, der kann in den sogenannten Challenge-Modus wechseln. Hier gilt es dann, verschiedene Aufgaben zu meistern, wie z.B. eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten, ohne auf den Tacho zu schauen.
Weitere Erweiterungen sind schon in Planung, die meine Reise durch Wien noch realistischer gestalten sollen. Darunter sind ein Nachmodus, verschiedene Wetterszenarien und auch weitere Verkehrsteilnehmer, wie Rollstuhl- oder Fahrradfahrer. Einiges davon wird dabei auch kostenlos zu haben sein. Wir dürfen gespannt sein.
Mein Fazit
Ich habe mir vorgestellt, unaufgeregt durch Wien zu gondeln, die Aussicht zu genießen und nebenbei noch ein wenig zu lernen, wie man eine Straßenbahn fährt. Hier sind meine Erwartungen voll erfüllt worden. Die realistische Darstellung der Umgebung und des Straßenverkehrs, versetzt mich wirklich mitten ins Geschehen. Trotzdem kommt die Entspannung nicht zu kurz, denn nichts ist wirklich hektisch. Vielleicht schwappt hier etwas von der Wiener Gelassenheit rüber 😊
Ich kann »TramSim« auf jeden Fall jedem empfehlen, der sich Wien schon lange einmal ansehen oder wiederentdecken wollte. Gerade in diesen Zeiten vielleicht eine schöne Alternative zu einer gerade nicht möglichen Reise. In ca. 45 Minuten schnurrt man gemütlich virtuell an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei. Witziges Detail übrigens: Es gibt einen Covid-Modus, bei dem die Fahrgäste dann eine Maske tragen.
»TramSim« unterstützt Microsoft Windows 7, 8 und 10 und ist für ca. 35 Euro erhältlich.
Gute Fahrt!
Eine kostenlose Testversion wurde mir für dieses Review von Aerosoft zur Verfügung gestellt. Danke dafür!